Heft 3/1998 - Artscribe


Lifestyle

1. Juli 1998 bis 20. September 1998
Kunsthaus Bregenz / Bregenz

Text: Hedwig Saxenhuber


Folgt dem trendigen »Zeitgeist« der Achtziger nun der hippe »Lifestyle« der neunziger Jahre an deren Ende ins Museum? Und was folgt aus dieser Ablöse der Titelwortwahl unter anderen Vorzeichen? Was sind die Kriterien für den kuratorischen Paradigmenwechsel, welchen Entwicklungslinien, Frakturen und welchen gesellschaftlichen Relevanzen geht er nach, was bedingt die veränderte Wortwahl in den Umgangsweisen von Ausstellungen mit ästhetischem Material?

Zeitgeist/Lifestyle stellt ja keine autonomen Bereiche dar, sondern ist auf einer realen und symbolischen Ebene immer in Kräfteverhältnisse eingebettet, die im Alltagsleben für Er- oder Entmächtigung von Individuen oder sozialen Gruppen sorgen. Kann man diese Veränderungen, wenn auch nur punktuell, in einer Ausstellung nachvollziehen, oder sollen solche Fragen nicht besser »geeigneten« Medien überlassen werden?

Wie ist das Verhältnis einer offenbar von Pluralität geprägten Gegenwartskunst zu Mode, Design, Styling, Interieur und Werbung? Das Kunsthaus Bregenz hat unter dem Titel »Lifestyle« künstlerische Positionen versammelt, die darauf partiell Antworten liefern sollen. In der Eingangshalle des bereits vieldiskutierten Ausstellungshauses, das eher in der Architekturszene weite Beachtung findet, als es für die Benützung durch gegenwärtige künstlerische Äußerungen geeignet zu sein scheint, findet sich eine heterogene Installation. Der erste Eindruck vermittelt jene plurale Ästhetik, der man in den letzten Jahren so zahlreich in alternativen Ausstellungsräumen begegnet ist. Mode- und Werbeplakate, Embleme der Techno- und House-Industrie, Einladungen zu Raves und Partyankündigungen, Logos und Labels gemixt mit Kunstwerken wie etwa von »Die Damen« oder Regina Möllers zweiter Ausgabe von »Regina«, dem Remake einer sogenannten »Frauenzeitschrift«. In Iké Udés Arbeit zieren farbige Models (Iké Udé selbst) die Covers – eine Kritik an der Normierung von Schönheit in Lifestyleformat. Zwischen den Kuben, die als Sitzmöbel gedacht sind und den Raum als bunte, skulpturale Elemente strukturieren, finden sich einige Videos wie Sylvie Fleurys »Beautycase«, in dem sie zeigt, daß auch »reich und schön« den Tücken des Alltags ausgeliefert ist. Insgesamt eine einladende Atmosphäre zum Verweilen, begleitet von Sound und dem Angebot der Lifestyle-Magazine.

In der ersten Etage befinden sich Arbeiten von KünstlerInnen, die sich mit Mode, Styling und Werbung befassen. Erwin Wurm etwa transformiert (seine) Kleidungsstücke in skulpturale Gebilde und/oder zeigt den prozessualen Vorgang im Versuch des Be/Entkleidens, der die BenutzerInnen wiederum selbst zur Skulptur macht. Daniele Buetti unternimmt in »Looking for Love« den Versuch, das Phänomen der standardisierten, idealisierten Schönheit zu brechen, indem er scheinbare Verwachsungen in die makellose Haut seiner Fotos eingraviert.
Natacha Lesueur bedient sich in ihren Arbeiten der Stereotypen der Modefotografie und ersetzt Stoffe und Accessoires durch Lebensmittel, zum Beispiel sind ihre Netzstrümpfe aus Schweinsnetz. Flatz betreibt wie immer Selbstdarstellung auf der Folie von Wunschprodukten der Konsumgesellschaft. In der zweiten Etage sind documenta-erprobte Kunstwerke zum Thema Design versammelt: eine Bar von Franz West und Markus Geiger, mehrere Tisch- und Sesselgruppen von West und Heimo Zobernig, ein Musikpodium mit Monitoren, ebenfalls von West, sowie eine Gemeinschaftsarbeit von Peter Kogler und Elfie Semotan fügen sich zu einem homogenen Ambiente. Nur eine Stahlskulptur von Zobernig – sperrig, deplaziert – bildet einen Störfaktor und ist geeignet, Fragen nach den Differenzen von Kunst und Design aufzuwerfen. In der letzten Etage steht eine raumverdrängende, begehbare Skulptur nach einem Entwurf von Gerwald Rockenschaub. »Das Haus« avancierte zu einem Gemeinschaftsprojekt von Gerwald Rockenschaub mit John Armleder, Sylvie Fleury, Adi Rosenblum und Markus Muntean, die minimale Eingriffe zum Thema Raum und Wohnen setzten.

Auffallend ist die hohe Beteiligung von heimischen KünstlerInnen, wobei die mittlere Generation überwiegt, was die Frage offenläßt, warum gerade jene jungen KünstlerInnen, die dieses Feld von Mode, Design, Interieur oder Werbung ständig als Gegenstand ihrer Untersuchungen wählen, fehlen. Der Schönheitsbegriff in dieser Ausstellung orientiert sich noch immer großteils an der konventionellen Konstruktion des spezifisch »Weiblichen« und »Männlichen« und bezieht sich nicht auf die fragmentierten Lebensformen in einem heterogenen Alltag, der nunmehr als Schnittfläche diversester Praktiken unterschiedlichster Individuen kodiert ist. Eine gut choreographierte Ausstellung, die aber dann doch zu wenig markante Positionen zeigt, um auch noch eine zweite generalisierende Aussage zu den internationalen Entwicklungen zum Thema Lifestyle zu machen.

 

 

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