Heft 4/1998 - Netzteil
Das Soros-Center in Mazedonien ist zu einem der wichtigen Synergie-Orte für Neue-Medien-Produktionen in Südosteuropa geworden. Und die SEAFair, das vom Center ausgerichtete Medienkunstfestival, das heuer vom 2. bis 9. Oktober im Moderne-Museum von Skopje »Internet Art Between Interactivity, Void and Diss-Authorization« diskutierte, hat in diesem geografischen Raum kein Pendant. Wenngleich sich die Präsentation ressourcenbedingt in wesentlich kleinerem Rahmen bewegt – diesmal zeigte man hauptsächlich Netzkunstarbeiten, die online abrufbar waren – als die westlicher Festivals, ist die Schnittstellenfunktion der SEAFair als Projekt- und Infobörse im West-Östlichen Medien-Kunstbetrieb Europas eine zentrale.
Es war nur schlüssig, daß die im virtuellen Raum wohl wichtigste Ost-West-Diskussionsplattform, die Syndicate-Mailinglist der Rotterdamer V2-Organisation, ihr diesjähriges Treffen ins Programm der SEAFair plazierte: Inke Arns präsentierte am Eröffnungstag eine – ebenfalls vom mazedonischen Center unter der Leitung von Melentie Pandilovski finanzierte – gedruckte Auswahl der Crossculture-Debatten von Syndicate.
»database rules!« really?
Aber nicht nur in diesem Meeting ging es um Übersetzungsfragen zwischen dominanten und marginalisierten Medienkunstwelten. Neben dem Meeting stellte eine Reihe von Lectures Thesen zum Festivalthema vor, warf aber eben auch Fragen zur interkulturellen Kompetenz der westlichen Netzkunsttheorie auf: So zum Beispiel die crossculturelle Vortragsperformance des in Davies lehrenden russischen Medientheoretikers Lev Manovich. Er rapte entlang einer auf das leere Feld eines Web-Browsers projizierten Kompilation von Tziga Vertovs »Mann mit der Kamera« in virtueller Blackness smooth gestikulierend – den mitten aus dem depressiven Rußland der Finanzkrise angereisten Netzkünstler Kostya Mitenev hatte er kurzerhand zum Soundmaster umfunktioniert, der die Lautstärke eines Tracks von »The Best of Abba« der Dramaturgie des ziemlich akademischen Vortrages zur Mediengeschichte von Datenbanken folgend, zu regeln hatte – über die Ablösung klassischer Narration, der Leitstruktur von Medien wie Roman oder Kino durch das Archiv der Datenbank: In ihm sei, so Manovich, AutorInnenschaft durch die Möglichkeit eines entsubjektivierten »Collect and Sample« außer Kraft gesetzt. Reichlich ranzig wirkte Manovichs laut skandierter Refrain »database rules«, wie auch Mark Derys zitaten- und verweisefetter Aufruf zur Heilung der Netzkunst von der Bildinfektion durch Post-Airbrush- respektive Posthuman-Kitsch, als deren visuelles Remedium er die Pathologie-Grotesken eines Joel Peter Witkin empfahl, angesichts der diversen Problemlagen, die dann von den ReferentInnen des Syndicate-Treffens als die Realität des (Netz-)Kunstbetriebes in den postkommunistischen Ländern diskutiert wurden.
east/west/critical/info/art?
Iliyana Nedkova (Sofia/Liverpool) wollte die Weigerung vieler (Medien-)KünstlerInnen aus dem ehemaligen Ostblock, »kritische Kunst« zu produzieren, die sich auch im Ost-West-Videoprojekt Crossings, das sie vorstellte, zeigte, denn auch nicht als ästhetizistischen Fluchtreflex verstehen, sondern als Überlebensstrategie von hoher künstlerischer und sozialer Relevanz: Das Feld des Ästhetischen gelte es besetzt zu halten, nach jahrzehntelanger Indienstnahme des Begriffs »kritische Kunst« durch den realsozialistischen Apparat und nach einem Jahrzehnt Bevormundung durch den westlichen KuratorInnensuchbegriff »kritisch«. Von der notwendigen Spezifik taktischer Interventionen sprachen auch die VertreterInnen freier Medien aus Ex-Jugoslawien wie Igor Markovic (Arkzin, Zagreb) oder Nikola Gelevski (Margina, Skopje): Die Lage von Magazinen wie Margina, die versuchten, internationale Kulturtheorie lokal verfügbar zu machen, sei prekär. Sie kämpften um ihren Ort innerhalb einer sich wieder verfestigenden intellektuellen Landschaft alter Eliten, ihr Material sei transitorisch und fragmentarisch, aber geeignet, das Feld langsam und taktisch zu besetzen.
Luchezar Boyadjiev (Sofia) wies mit dem absurdistischen Vorschlag der Einrichtung eines dem Weltwährungsfonds vergleichbaren Bewertungssystem für nationale Kunstproduktion darauf hin, daß einer der devastierendsten Aspekte neuer technologischer Organisationsformen des Wissens im translokalen Kunstbetrieb die Marginalisierung des Kunstwerkes selbst sei. Es werde zur Information – gerade Kunst aus marginalisierten Ländern stehe in Gefahr, als nichts anderes denn als wohlfeile Reflexion einer anderen Welt kommodifiziert zu werden. Mag sein, daß sich deshalb Igor Stromajer, Netzkünstler aus Slowenien, bei seinem als »The Story about Net Art« angekündigten Beitrag auf das laute Vorsingen dieses Titels beschränkte
WWW-Projekte auf der SEAFair ‘98:
http://www.mygale.org/07/abrahams/beinghuman/info.htm
http://otheredge.com.au/prj/imaginative/index.html
http://www.fakeshop.com/upload/multiple/screengrab.html
http://members.spree.com/gapas/diary/diary.html
http://www.stedelijk.nl/capricorn/mirage/start.html
http://wintermute.aec.at/traces
http://www.thing.net/~dollyoko/index.html
http://www.mcs.net/~rogala/egarden
http://www.exo.net/url/
http://www.avu.cz/~silver/
http://www.sublime.net/stanza/subcity
http://www2.arnes.si/~ljintima1/baltica
http://www.codebox.com
http://www.kiss.uni-lj.si/~k4ff0047/int/int.htm