Heft 4/1998 - Artscribe


MoneyNations@access

23. Oktober 1998 bis 13. Dezember 1998
Shedhalle / Zürich

Text: Georg Schöllhammer


Strategien gegen die zunehmend ökonomisch motivierten Verfestigungen von Grenzziehungen in Europa zu entwickeln ist das von Marion von Osten initiierte Projekt, das sich unter dem Titel Money-Nations@access in der Züricher Shedhalle in einem Symposion und einer Ausstellung präsentierte.
Das Symposion begann mit der Gegenüberstellung von Aktivismen: Berta Jottars Erfahrungsbericht über Kunstprojekte an der Grenze zwischen USA und Mexiko und der Darstellung der deutschen AusländerInnenpolitik-Plattform »Kein Mensch ist illegal«. Mehmet Akiol, Schweizer GBI-Gewerkschafter, und die unter Gefahr ihrer Kündigung anwesende Textilarbeiterin Bettina Musiolek stellten die sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen in der Schweizer Textilindustrie dar, Eva Danzel Fouares vom Fraueninformationszentrum Zürich jene von migranten Sexarbeiterinnen.
Die Präsentationen aus dem Kunstfeld bestimmte unter anderem die Frage nach der Funktion der Vermittlungsarbeit der Soros-Centers in Osteuropa. Tenor: der über die Centers geleitete Import von Kunstdiskursen, die im Westen ihre Kritikfähigkeit entwickelt hatten, habe eine Aufmerksamkeitsverschiebung weg von lokalen Anknüpfungspunkten bewirkt, von denen aus der Widerstand gegen den anhaltenden westlichen Imperialismus eigentlich zu entwickeln wäre. Zudem bringe der Gebrauch von universalen Diskurswerkzeugen aus westlichen akademischen Werkzeugfabriken zwischen Cultural-, Postkolonial- oder Gender-Studies durchaus die Gefahr mit sich, daß die kulturelle Produktion vor Ort sich deren Normen und Standards unterwerfe.
Wie solche Werkzeuge lokal umgebaut werden können, zeigte die Budapester Sozialwissenschaftlerin Anna Wessely mit ihrer Skizze zu den verschiedenen symbolischen und realen Ökonomien des Shopping Tourismus zwischen den Blökken, in der ein methodologisches Instrumentarium aufbereitet war, das auch für Untersuchungen über den Informations- und Warenhan-del mit Kunst zwischen Ost und Westeuropa eine Reihe von Analyseansätzen bot. Das Referat der ungarischen Kunsthistorikerin Edit Andras zeigte auf die Hintergründe der Diskursschwierigkeiten zwischen den Landschaften. Gerade vor ihrer Beobachtung der hegemonialen Effekte im Informationstransfer, schien es vielen dringlich, die Rolle der sozialdemokratischen Missionsstationen des Finanzspekulanten Georges Soros zu analysieren. Um-so erstaunlicher war es, daß Geert Lovink in seiner Soros-Lecture den Mann, dessen Spekulationen unter anderem ganz Südostasien mit in die Krise getrieben hatten, als die Inkarnation des liberalistisch Guten darstellte.
Von der Ausstellung hier nur drei Ausschnitte: Gülsün Karamustafa führte einen Stand mit typischen Kleinwaren, wie sie auf Istanbuler Märkten verkauft werden. Sie gab sie ohne Aufschlag weiter und dokumentierte den Verkauf in Polaroids, die nach und nach die Objekte ersetzten. Der Wert der Ware war äquivalent jenen 100 US-Dollar, die man in Istanbul für eine Nacht mit einer Prostituierten zahlt. Luchezar Boyadjiev hatte rundum Fotos seiner sowie der Wohnung seiner Eltern und in biografisch grundierten Texten die Veränderungen des städtischen Umraums in Sofia dokumentiert. Das Videomaterial, das in diversen mit Städtenamen verschlagworteten, kleinen Abspiellounches über die Halle verteilt war, versammelte für jene, die sich darauf einließen, Dokumentationen und KünstlerInnenvideos zum blickpunktereichen Patchwork.
Hatte sich die insgesamt hervorragend geframte Veranstaltung im Vorfeld als Diskursrelais zwischen politischen und Kunst-AktivistInnen aus Europa verstanden (Info: http://www.moneynations.ch), fiel ihr zuletzt die Rolle einer realen Schaltstation zu. Die zu begleitenden Medienaktivistinnenworkshops im K3000/Medienlabor angereisten Leute von B92 aus Belgrad leiteten nach ihrem Verbot durch das Milosevic-Regime ihre Telefonate über Zürich um. Die Verbindungen zwischen Belgrad und dem Kosovo, zum Beispiel zu der ebenfalls am Projekt beteiligten Station Radio 21 Pristina, hatte das Regime gekappt. Nach Zürich kam man weiterhin von beiden Landesteilen aus durch. (23. Oktober bis 13. Dezember)