Heft 2/1999 - Artscribe


fast forward: Mode in den Medien der 90er Jahre

16. April 1999 bis 6. Juni 1999
Looshaus / Wien

Text: Hans-Christian Dany


Eine Ausstellung gleichen Namens habe ich vor einigen Monaten in diesen Spalten besprochen. Seinerzeit spulte sich der Hamburger Kunstverein per Schnellvorlauf durch die letzten 25 Jahre der Kunst, um die Wurzeln der Gegenwart vorzuführen. Nun stehen die nach rechts gerichtete Pfeilen für das zunehmende Ineinandergreifen von Mode und Medien in den neunziger Jahren. Schon am Eingang des Wiener k/hauses begrüßt die BesucherInnen eine Großprojektion von MTV-Videos, die von namhaften DesignerInnen ausgestattet wurden. Betont wird die techno-mediale Perspektive durch die Ausstellungsarchitektur von Propeller Z, bei der es sich gleichzeitig um das ausgreifendste Exponat handelt. Ein gigantisch vergrößerter Computerchip dient als Sitzlandschaft für hundert Personen im Zentrum der Ausstellung, wo Vorträge stattfinden und auf Monitoren die hervorragend gestaltete Webpage angeguckt werden kann. Die ausgestanzten Verbindungen bilden die Basiselemente für die Präsentation der einzelnen Labels in den anderen Räumen. Das ganze sieht ein wenig wie die luxuriöse Variante des Shedhallen-Chics der mittleren neunziger Jahre aus. Überall sitzen Menschen - am Tag meines Besuches waren es ausschließlich Frauen - und lesen, schauen Videos oder scrollen sich durch Dateien. Die Ähnlichkeit zum linken Info-Design ist aber nicht nur formal, hier wird Politik mit anderen Inhalten fortgesetzt: Statt Toni Negri gibt es Renzo Rosso, den Gründer von Diesel (Jahresumsatz: 500 Milliarden Lire), der »Haute Couture der Freizeitbekleidung«. Rosso praktiziert, worüber Negri seit Jahren schreibt - »outgesourcte« Arbeitswelten. Insgesamt interessiert sich die Ausstellung aber nicht sonderlich für Produktionsbedingungen. Man erfährt gerade mal, daß Masatomo seine Entwürfe im Flugzeug zeichnet, weshalb sein Beitrag sich auf ein Faxgerät reduziert, das nach der nächsten Langstrecke die neuesten Kreationen ausspucken wird.

Die unterschiedlichen Selbstdarstellungen der Firmen und die damit verbundenen Formentscheidungen sind der interessanteste Aspekt der Ausstellung. Nur Walter van Beirendonk zeigt in roten Plastikboxen eine Auswahl seiner aktuellen Produkte, ansonsten wird eher auf das Konzept der Label-Präsentation abgehoben. Wenn auch nicht gerade »kontroversiell«, wie der Katalog dichtet, aber doch schön ist die sich aus drei Videobildern zusammensetzende Breitwandprojektion des Belgiers Martin Margiela. Zwischen hellen Vorhängen und Interieurs tauchen gelegentlich Models auf. Begleitet wird das verlangsamte Lichtspiel von einem Fries aus A4-Blättern, auf denen Schriftzeichnungen eine komplexe Welt hinter den Kleidern andeuten.

Ein Beispiel für die Aufhebung der Trennung von Produktion und immaterieller Arbeit, sprich Vermittlung - auch innerhalb kleiner Manufakturen -, liefert der ebenfalls aus Belgien stammende Designer Raf Simons, dessen Präsentation sich auf ein projiziertes Video beschränkt. Eine anhaltende Drehbewegung der Kamera transformiert eine Karten spielende Runde in eine okkulte Gesellschaft beim Tischerücken. Mit dieser fast surrealen Bilderfindung entwickelt Simons ein präzises Äquivalent zu seiner Minimal-Streetware von schäbiger Eleganz. Im Gegensatz zu den meisten anderen »visuellen Ambientes« wird dem Produkt hier aber auch etwas hinzufügt, das für sich allein bestehen kann. Der Anspruch, ein Lebensgefühl mittels Mode in eine Bildsprache zu übersetzen, wird in diesem Fall eingelöst.

Hussein Chalayans Bemühungen um Intellektualität können hingegen einen gewissen Hang zum Kunstgewerblichen immer noch nicht abstreifen. Aber gut, manche(r) erkennt darin auch »messerscharfe Analysen einer multikulturellen Befindlichkeit«. Der Chalayan-Fan Ulf Poschardt hat einen Auszug aus seinem Buch über Mode, »Anpassen«, als Vorwort zum Katalog beigesteuert und trug im Rahmenprogramm auf dem Diskurs-Chip von Propeller Z vor. Poschardts zunächst begrüßenswerte Bemühungen um einen intelligenten Modediskurs hinterlassen jedoch gemischte Gefühle. Mögen der Ansatz und viele seiner Überlegungen auch überzeugen, oft sogar faszinieren, so fragt man sich doch, warum er kaum fünf Sätze aneinanderreihen kann, ohne eine Geistesgröße zu bemühen? Welcher Instanz soll hier eigentlich mit beflissenem Überbau etwas bewiesen werden? Mag es der Mode auch immer öfter gelingen, einen Sog zu erzeugen und gleichzeitig Reflexionen des Realen zu liefern - Terrains, die der Kunst momentan eher verschlossen bleiben -, so ist es deshalb um nichts zwingender, diese etwas betulich an die der abendländischen Geistesgeschichte anzudocken. Eher im Gegenteil.

Auch die KuratorInnen der Ausstellung, Doris Rothauer und Christian Muhr, meinen sich irgendwie rechtfertigen zu müssen und zählen auf, in welchen großen Museen schon Modeausstellungen stattgefunden haben, welche Denker darüber nachgedacht haben und überhaupt, warum das alles Bedeutung hat, wobei mehr von der Existenz der Inhalte gesprochen wird, als daß diese benannt würden. Nun bietet eine Ausstellung mit über dreißig repräsentativ und überlegt ausgewählten DesignerInnen, Firmen und Zeitschriften eher einen Überblick, den sie tatsächlich auch leistet, als genauere Einsichten. Das Freilegen von Entwicklungslinien und Parallelitäten zu Arbeitsformen in der Kunst hätte die Möglichkeit einer genaueren Untersuchung dargestellt, so wirkt das Gros der Präsentationen einfach nur entlehnt und läßt wenig von einem fruchtbaren Austausch erkennen. Das fast parasitäre Aneignen und Durch-Ausspucken-wieder-Entwerten von allem und jedem, was verwendbar erscheint, machen jedoch einen nicht unerheblichen Teil der Attraktivität dieser Produktionsform aus.