Auf der Frankfurter Zeil, Deutschlands umsatzstärkster, von den Filialen internationaler Handelsketten dominierter Einkaufsstraße, patrouillieren mehr als ein Dutzend öffentlicher und privater Sicherheitsdienste. Sie sorgen im Verein mit unzähligen diskreteren Überwachungsmedien dafür, dass die von Medienkampagnen und staatlich institutionalisertem Rassismus geschürte Angst des umsatzsichernden Mittelstands vor Bettlern, Drogensüchtigen, Obdachlosen und MigrantInnen als potentielle Kriminelle oder zumindest als visuelle Störfaktoren in der schönen neuen homogenen Welt der Mitte nicht dessen Kauflust ermatten lässt. Die oft unmotivierten und brutalen Übergriffe der Wachleute auf diese Gruppen hat sie aus den Kaufwelten der Städte verdrängt, in die Resträume, die zwischen den zu Binnentourismuszonen umgebauten Innenstädten und den neuen Themenparks und Malls, den multifunktionalen Bürokomplexen und Technologiezentren an den Peripherien übriggeblieben sind. In diesen Resträumen leben auch jene, die man heute so gerne »Modernisierungsverlierer« nennt: die klassenlose Gesellschaft der neuen Armen - während die auf der anderen Seite der Mitte besoldeten sich ihre Wohlstandsenklaven in Umland und Zentrum ebenso forciert beschützen lassen. Städte sind heute zusehends nicht mehr in private und öffentliche Orte, in Wohn-, Arbeits- und Verwaltungsbezirke, in Zentren und Peripherien - nach Funktionen also - geteilt, sondern sind ökonomisch zoniert. Sie sind nicht mehr öffentlich verwaltet, sondern überwiegend privatisiert und von Public-Private-Partnerships verwertet.
Anders als in vielen der generalisierenden Studien von UrbanistInnen, StadtsoziologInnen und -ökonomInnen, die in den letzten Jahren zu diesen Themen erschienen sind, naturalisiert der von Klaus Ronneberger, Walther Jahn und Stephan Lanz geschriebene, im Doppelsinn große Urbanitätsessay »Die Stadt als Beute« solche lokale und regionale Entwicklungen nicht als unausweichliche Konsequenz irgendeiner abstrakt waltenden neoliberalen Weltökonomie. Vielmehr zeigt er anhand der bundesrepublikanischen Entwicklung der Städte zu konkurrierenden Dienstleistungs- und Konsumunternehmen seit dem Ende der siebziger Jahre, welche sozialen, stadträumlichen, sicherheitspolitischen und planungsökonomischen Verwerfungen sich konkret aus dieser - von der Finanzkrise der Städte und dem Wegfallen des Finanzausgleichs zwischen den Regionen ausgelösten - Deregulierung des Raums entwickelt haben.
In einzelnen Fallstudien wird nachvollziehbar, von welch unterschiedlichen Interessenlagen aus und mit welch unterschiedlichen Strategien lokale Akteure aus Politik, Ökonomie und Medien am Umbau der Städte zu Dienstleistungsunternehmen arbeiten. Diese ebenso detailreich wie konturiert, analytisch präzise wie unterhaltsam geschriebenen »Stadtgeschichten« erhellen dabei zudem, wie die neuen Städtepolitiken, die unter dem Banner der Notwendigkeit der Umstrukturierung der Stadt zum Unternehmen, »das im (inter-)nationalen Wettbewerb bestehen muss«, verkauft werden, dazu dienen, regionale Machtgefüge zu untermauern und nahezu alle wohlfahrtsstaatlichen Anliegen nach sozial gerechter Planung zu verdrängen.
»Die Stadt als Beute« ist ein Buch, dem für die Urbanismusdiskussion Anfang des Jahrhunderts ein ähnlicher Stellenwert zukommt, wie ihn Walter Häussermann und Hartmut Siebels Text »Neue Urbanität« (1987) für die Begründungsrhetorik der neoliberalen Umstrukturierung deutscher Städte in den Neunzigern hatte, deren fatale Folgen hier brillant analysiert werden.