Heft 3/2000 - Netzteil
Biologische und genetische Metaphern verfolgen die Diskurse über Computer und Netzwerke ebenso nachhaltig wie ihre falschen Gemeinsamkeiten. Sie sind allgegenwärtig. Die Logik der Biowissenschaften ist so angelegt, sich selbst im Verhältnis zu beliebigen anderen Feldern zu behaupten - im Bio-Computing, in der Klontechnologie, ebenso wie beim Erstellen genetischer Profile und letztlich auch in der so genannten genetischen Kunst. Kaum etwas ist immun gegen diese oftmals solipsistische Argumentation, die den Fortschritt in den Biowissenschaften an eine beschleunigte Evolution bindet.
Von den ErforscherInnen des »künstlichen Lebens« um Chris Langton bekommen wir Leben als »logische Form« beschrieben. Diese Behauptung versteht Katherine Hayles als Absicherung der Behauptung, dass sich »die Programme« eben für jene Tautologie »eignen«, die sich auf die westliche Annahme beruft, die Form unterscheide sich »logisch von der Materie«. In der Künstlichen Intelligenz-Forschung sehen wir Daniel Dennett in seiner algorithmischen Argumentation für Darwins »gefährliche Idee« festgefahren. Und Richard Dawkins modelt uns das Gen dann noch ins »Mem« um. All diese großartigen Ideen entstammen den Technowissenschaften, also der Kreuzung von Universalismus und Essentialismus. Sie erinnern uns daran, dass nun die faulen Pathologien der physikalischen Wissenschaften digitalisiert sind und als faule digitale Pathologien wieder auferstehen - nur leider ohne Erklärungskraft, wenn sie in die menschliche Genosphäre kodiert werden. Evelyn Fox gibt uns den Hinweis: »Information kann weder auf metaphorischer noch auf materieller (oder technologischer) Ebene beherrscht werden.«
Die Ausstellung und das Symposium »Tenacity: Cultural Practices in the Age of Information and Biotechnology«, organisiert von Yvonne Volkart, »bricht mit der defensiven Frage, wie die Verbindungen von Kunst, neuen Technologien und aktivistischen Praktiken dazu verwendet werden können, dem Globalkulturalismus entgegenzutreten«, um statt dessen zu fragen, »was wir als transnationale, globalisierte und politisch engagierte KulturarbeiterInnen für eine offenere Kultur tun können, ob Analysen und das Schaffen von Aufmerksamkeit genug sind und ob die Kunst ein geeignetes Mittel darstellt, um voranzukommen?«
Dieselben Fragen zeichneten sich auch undeutlich bei der »Life Science«-Konferenz im Rahmen der letztjährigen Ars Electronica ab, die allerdings im allgemeinen eher durch das Abfeiern eines gemütlichen Bio-Unternehmertums auffiel als durch ein kritisches Verhältnis zu den politischen Dimensionen ihrer beunruhigenden Anbiederung an die Technowissenschaften - in Form einer harmlosen Maskierung der bösen Absichten mit ein bisschen gutem Gewissen. Auch die VIPER-Konferenz handelte mit ähnlichen Motiven, obwohl sie zumindest einen gewissen Widerspruch zuließ zwischen Susan Blackmores (Autorin von »The Meme Machine«) einfach lächerlichen Prognosen, dass »alles hier memetisch« sei, und den noch plumperen Kommentaren Stahl Stenslies, dass wir in der Verbindung von Hochtechnologie und archaischem Tribalismus eine Kultur mit »weniger Schmerz, aber auch wenig Lust« geschaffen hätten.
Es scheint aber, dass genau in diesem Zwischenbereich die fruchtbarste Arbeit entstehen wird. Vokarts »Tenacity«-Projekt wagte es, diese Themen im klaren, funktionalen Zusammenhang zwischen den Diskursen von Gender, Identität, Biotechnologie, Technowissenschaft und Kunst aufzuwerfen. Auch wenn die zwölf präsentierten Projekte (http://www.thing.net/~tenacity/) dringend eine genauere Betrachtung bräuchten, so könnten zwei von ihnen nichtsdestotrotz richtungsweisend auf dem Weg sein, Kunst endlich vom Aspekt des Gewissens zu lösen:
Die Arbeit »Touch« von Natalie Jeremijenko benutzte von ihrer materiellen Basis befreite synthetische Menschenhaut als Zeichen für eine Art destabilisierte Membran, an der Austauschbarkeit, biotechnologische Massenproduktion und die immer noch unheimliche Präsenz simulierten Fleisches als Oberfläche einer technischen Zukunft erkennbar werden, in der die Grenzen nicht zwischen dem Realen und dem Virtuellen gezogen würden, sondern - viel beunruhigender - zwischen dem Realen und seinem Double.
Die Performance »Mayan Technology for the People: A Zapatista haiku on the question of technology and the politics of intervention« von Ricardo Dominguez warf das Problem eher im Sinne des sozialen als des individuellen Körpers auf. Mit Bezug auf den immer noch wirkungsvollen »gesellschaftlichen Netzkrieg« der Zapatisten sprengte seine Serie von Hackerdekonstruktionen die Grundannahme des Gegensatzes von »High« und »Low«, indem sie den Diskurs völlig auf den Kopf stellte und so daran erinnerte, dass die BewohnerInnen des elektronischen Raums niemals auf westliche IdeologInnen (oder ImperialistInnen!) und ihre verschleierte militärische Taktik beschränkt werden dürfen.
Alles in allem war »Tenacity« ein bescheidener Event, geschmückt mit der unbescheidenen Behauptung, informierte Zielstrebigkeit und Ausdrücklichkeit könnten den Irrtum beseitigen, dass Kunst bloß reflektiere. Die Arbeiten stellten insofern eine Alternative dar, als sie diskursiv angelegt waren. Dazu meint Volkart in ihrem Eingangstext: »Ohne den Antrieb der Melancholie - sind wir stärker als wie denken.«
Übersetzt von Thomas Raab
»Tenacity: Cultural Practices in the Age of Information and Biotechnology, Swiss Institute, New York, 24. März bis 13. Mai 2000.
Eine - vor allem auch räumlich - modifizierte Version der Ausstellung war von 1. Juli bis 6. August 2000 unter dem Titel »Widerspenstige Praktiken im Zeitalter von Informations- und Biotechnologien« in der Shedhalle in Zürich zu sehen.