Heft 3/2000 - Artscribe


Visual Culture: Tourist Industry. Zeitgenössische Kunst aus Thailand

16. Juni 2000 bis 8. Juli 2000
Forum Stadtpark / Graz

Text: Hito Steyerl


Kürzlich schob Herr Sompong Tawee einen Einkaufswagen durch Graz. In einen Anzug aus rosa Seide gehüllt, schritt er gemessenen Schrittes durch die Straßen. In dieser Montur war er auch auf diversen Leuchtkästendias innerhalb der Ausstellung »Visual Culture - Tourist Industry« im Forum Stadtpark in Graz zu sehen. Sein Auftritt als Pink Man, der seine Postur stoisch in verschiedensten Umgebungen wiederholt, macht Orte wie Bangkok und Graz miteinander vergleichbar. Der Künstler Manit Sriwanichpoom hat Tawee als in kreischendem Rosa verdinglichtes Schaustück inszeniert, das auf Schritt und Tritt herausposaunt: Ich bin eine Ware!

Dass diese Ware an verschiedenen Stellen verschiedene Bewertungen erfährt, wird in den Fotos ebenfalls impliziert. Wenn Sriwanichpooms Protagonist auf einem thailändischen Reisfeld steht, weist er möglicherweise eher auf den invasiven Einbruch wirtschaftlicher Globalisierung hin als in Graz, wo er wohl mehr als ethnisches Spektakel rezipiert wird. Mit der Verdinglichung seines Protagonisten ermöglicht Sriwanichoms Arbeit eine Lektüre, die das Werk als sehr prägnante Repräsentation der Funktion von Wert auffasst. Der Pink Man wird als universaler Wertträger eingesetzt, der verschiedene Kontexte vor dem Hintergrund eines global agierenden Kapitals vergleichbar macht. In ähnlicher Art könnte auch ein Werk von Nitaya Ueareeworakul gelesen werden. Sie baut fragile Stupas aus Papier, welche jeweils von einem fotokopierten Geldschein gekrönt werden. Auch hier scheint eine marxistische Lektüre möglich, in der vom Zusammenhang zwischen (buddhistischer) Religion und Ökonomie gehandelt wird. Von der Religion der Ökonomie also. Das ist allerdings nur eine mögliche Lesart, und im Kontext ihrer anderen, in der Ausstellung nicht gezeigten Arbeiten wahrscheinlich sogar total daneben.

Sermsuk Thiensoonthorns Arbeit »Outbound Conversation«, die Drucke einer Frauenbüste mit denen von Katzen und Spitzenstrukturen abwechselt, könnte ebenfalls als ein Kommentar zu Frauenrollen im Kontext mechanischer Reproduktion gelesen werden. Allerdings bezog sich die Künstlerin laut Auskunft der Kuratorin Eva Ursprung anscheinend auf den Dialog zwischen Mensch und Tier. Und so schleicht sich ein Zweifel darüber ein, wie viel verborgener Kontext auch in den anderen Arbeiten ungelesen bleibt. Der Darsteller des Pink Man etwa ist ein bekannter kritischer Dichter. Würde die Kuratorin das nicht gewissermaßen privat mitteilen, blieben diese möglichen Ansätze einer spezifischen Kontextualisierung gänzlich unsichtbar. Und selbst angesichts der wenigen Informationen, die zugänglich sind: In welchem Kontext sind Begriffe wie kritisch, politisch oder links zu verstehen? Welche Rolle nehmen diese Arbeiten in Thailand ein? Wie werden sie dort gelesen?

Das Begleitprogramm unternahm den Versuch einer Rahmung. Der Künstler und Kurator Jay Koh bezog sich in seinem Vortrag kritisch auf die Übersetzungsschwierigkeiten, welche nicht etwa zwischen verschiedenen »Kulturen«, sondern im Angesicht globaler Ungleichheit auftauchen. Er beschrieb das formale Repertoire der ausgestellten KünstlerInnen als eine Art überlebensnotwendiger Anpassung an die formalen Strategien des Aggressors, in diesem Falle des westlichen Kunstmarktes und dessen Nachfrage. Diese Assimilation bringe den dominanten Diskurs allerdings keineswegs aus der Fassung, sondern werde als Konsumartikel einverleibt. In diesem Kontext funktionierten Ausstellungen nicht-westlicher Kunst entweder selbst als kultureller Tourismus oder aber als moralische Feigenblätter eines beutegierigen Globalismus. Koh schloss mit der Forderung, dass Kunst aus Asien nicht nur in ihrem jeweils eigenen Kontext, sondern auch innerhalb der jeweils lokalen Begrifflichkeiten verstanden werden müsse. Es sei daher sinnvoller, künstlerische Prozesse etwa in Südostasien zu unterstützen als deren Produkte hier auszustellen. Das Argument klingt plausibel. Ist es doch die logische Quintessenz der in der Ausstellung selbst verhandelten Fragestellungen.