»was ist widerstand? was heißt repolitisierung? wie kann es weitergehen? [...] weil uns alles trifft und weil wir das nicht hinnehmen und weil wir lieber täterInnen als opfer sind, machen wir - diese zeitung.« Es ist eindeutig: Der Widerstand lebt. Zumindest als Thema der in letzter Zeit in Wien aus dem Boden geschossenen Zeitschriften. Auch wenn sich nicht alle Mikroorganismen, die die Wiener Medienlandschaft zu so plötzlichem Erblühen gebracht haben, den Widerstand so emphatisch auf die Fahne geschrieben haben wie »coco« das tut, bekennen sie mehrheitlich (und mehrheitsösterreichisch) Flagge: Die rechte Regierung muss weg, und Rassismus gehört abgeschafft.
Bei genauerer Betrachtung des Biotops lässt sich allerdings feststellen, dass nicht etwa die neue Protestbewegung für das Wachstum verantwortlich zeichnet, auch wenn ihr Humus Blüten treibt. Vielmehr sind es ganz unterschiedliche Graswurzelgruppen, die seit längerem (sich zum Teil überschneidende) Öffentlichkeiten »herstellen«. Neu ist lediglich, dass es einem linken kulturellen Mainstream zunehmend schwerer fällt, die Kontinuität migrantischer und minderheitenorientierter Selbstrepräsentationen auszublenden. Und das ist wohl nicht nur ein Effekt der politischen Verhältnisse, sondern hat damit zu tun, dass das Prinzip »kulturelle Produktion« die Grenzziehungen zwischen Mainstream und Subkultur auf ganz grundsätzlicher Ebene ad absurdum führt. Schließlich verwischen die Grenzen zwischen den verschiedenen medialen Öffentlichkeiten auch deswegen, weil die einzelnen AkteurInnen nicht mehr auf die eine oder andere Identität festzulegen sind. Als Beispiel dafür mag die auffallend weite Verbreitung von Artikeln aus der Feder Hito Steyerls dienen, die im Wiener Szenario unter anderem als Künstlerin, Kritikerin, Theoretikerin und als Vertreterin migrantischer Anliegen auftritt.
Das Beispiel verweist auf mehr: Zum einem lässt sich an ihm die für Wien meines Erachtens typische personelle Vernetzung festmachen, die oft den (falschen) Anschein erweckt, es handele sich gar nicht um verschiedene Öffentlichkeiten, sondern um eine einzige Szene. Zum anderen zeigt sich daran die nach wie vor vorhandene und immer noch fatale Neigung, einzelne Menschen - den Realitäten zum Trotz - als Paradesubjekte herauszuheben, die dann etwas repräsentieren sollen, was gleichzeitig unsichtbar gemacht wird. Es empfiehlt sich daher, die Artikel wieder zu rekontextualisieren, mit anderen Worten, die Zeitschriften selbst zu lesen.
Awareness. The African Voice in Europe
Dreisprachige Zeitschrift, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, »to report on every little issue and event as it is seen in the eyes and the minds of the African Community [in Austria]«. Stellt nicht nur Informationen zum Antidiskriminierungsgesetz und zum Zusammenhang von Rassismus und Sexismus zur Verfügung, sondern gibt Einblick in die äußerst vielfältige Szene. Zwischendurch Stilblüten à la »Bravo«: Selbsttest für Frauen mit dem Titel »Klammerst Du«? (awarenessmedia1@hotmail.com)
Die Bunte Zeitung. Medium für Würde, Gerechtigkeit und Demokratie. Von Migrantinnen aus allen Kontinenten zu migrationspolitischen Inhalten
Mit einer an Tageszeitungen angelehnten Struktur deckt die »Bunte« ein breites Feld ab. Absolutes Muss für jede Wienerin, die sich »informiert« nennen will. Ich würde mir gerade im Feuilleton Texte wünschen, die über die bloße Berichterstattung hinausgehen. (bunte.zeitung@lion.cc)
Coco. Cosmonaut`s collective
Auffallend gut layoutiertes Produkt aus der Werkstatt von Christina Nemec und Susi Klocker. Nicht nur mit seinen Inserts, auch durch Texte von Brener/Schurz, Klub Zwei und anderen zielt die Nullnummer auf ein Kunstfeldpublikum. Beweist, dass es durchaus möglich ist, zugunsten von Autorinnen zu gewichten, ohne den Coolnessfaktor zu verringern. Das gleiche könnte auch für migrantische Künstlerinnen gelten. Wollen wir hoffen, dass »coco« die Widerstandszeit übersteht. (coco-collective@gmx.net)
dérive - Zeitschrift für Stadtforschung
Eines der wenigen »geförderten« Magazine, was damit zu tun haben kann, dass sich die Stadt Wien gerne mit Stadtplanerischem repräsentiert. Nichtsdestotrotz macht die Analyse von öffentlichem Raum in diesem Fall Sinn, ob nun die Gürtelsanierung zum Anlass genommen wird, über Sicherheitsdiskurse und Transparenzvorstellungen nachzudenken, oder ob anhand der Untersuchung der Wohnsituation von MigrantInnen eine Kritik am Integrationsbegriff geleistet wird. Nachdem Kanak Attak es schon in den Schwerpunktteil geschafft hat, werden sich die KolumnistInnen Lubomir Bratic, Antonia Ramírez und die Maiz-Frauen auch noch vorarbeiten. (derive@gmx.at)
echo. die erste zeitschrift der zweiten generation
Organ von »Echo - Verein zur Unterstützung Jugendlicher«. Ihr heimlicher Status als Objekt der Begierde von KulturproduzentInnen sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Verein und Magazin vornehmlich das Zielpublikum finden, welches sie benennen. Hier wird nicht (nur) über migrantische Jugendliche geredet, hier schreiben sie. Bisweilen führt das zu beachtenswerten Symbiosen: In der Sonderausgabe zur Wiener Gemeinderatswahl 2001 liefert die »WienerWahlPartie« (kangela@mip.at) Infos über den strukturellen Rassismus der Zivilgesellschaft und Argumentationen für die politische Partizipation von MigrantInnen. (echo@non.at)
female sequences. frauen lesben kulturHEFTig
Die Szene lebt, und wer es nicht glaubt, werfe einen Blick in diese Zeitschrift. Ich persönlich lese von beziehungsweise über Anette Baldauf, Ravensbrück, Yvonne Doderer, Miranda July, Andrea B. Braidt, Frauenmusik, Hito Steyerl, Christina Nemec, Ceia Stoika, das »Queer Film Festival«, Lilli Axter, Marleene Streeruwitz gerne hier. (female.sequences@hempseed.com)
nylon. Kunststoff zu Feminismus und Popkultur
Die Szene lebt, nur ist sie hipper und queerer. Kunstfeld und Pop, das sind wir! Money Nations2, Deportation Class, Kanak Attak, Ars Electronica, die Filme von Elisabeth Subrin,
peng. Zeitschrift für film kunst kultur
Wieso sollen die für die Uni angefertigten Texte in der Schreibtischschublade landen, fragten sich ein paar schlaue Studentinnen - und »peng« ist das Resultat. Keine Ahnung, wie sie das finanzieren. Das Issue zu »Körperbildern« ist vielleicht nicht ganz am Puls der Zeit, enthält aber durchaus den einen oder anderen interessanten Text. »Shopping«, Issue # 2, erschien rechtzeitig zur gleichnamigen Ausstellung in der Generali Foundation. Erstaunlich: »peng« ist fast ausschließlich von Frauen betextet und hält auch in seiner Thematik nicht hinterm Berg, ohne sich jedoch explizit als feministisch zu bezeichnen. Besteht noch Hoffnung für die junge Generation? (peng.vienna@gmx.net)
sinn-haft
Kulturwissenschaftliches Magazin mit dem erklärten Ziel: »ein andockungsfähiges Forum für wissenschaftliche Forschung darzustellen«. Wer da angedockt werden soll (oder an was), bleibt unklar. Themenorientierte Hefte, etwa zur Theorie und Praxis des Essens. Zugpferde wie Gerburg Treusch-Dieter täuschen nicht darüber hinweg, dass im letzten Heft dann nur mehr drei Frauen schreiben. Wer sich für »Marktmodelle als Bedingung für Subjektivierung in agonalen Demokratietheorien« (Ramón Reichert) interessiert, ist hier jedoch gut beraten. (sinn-haft@action.at)
stimme. Von und für minderheiten
Das Organ der »Initiative Minderheiten«. Koalitionen unter diversen Minderheiten sind politisch notwendig und werden hier praktiziert. Dabei stehen ethnische und sexuelle Identitäts- und Anti-Identitätspolitiken relativ unvermittelt nebeneinander. (initiative.minderheiten@chello.at)