Wir kennen Harun Farocki, doch die Menschen, die er zeigt, die »Schöpfer der Einkaufswelten«, kennen ihn nicht. Für sie ist er einfach nur »das Fernsehen«, und für das Fernsehen lassen sie die Hosen runter. Der Film dokumentiert die Regulierung des Konsumverhaltens am Beispiel der Architektur von Shopping Malls und porträtiert seine Subjekte gnadenlos als Effekte von Macht- und Marktmechanismen. Vom ganz Großen, dem Entwurf einer Mall, zum ganz Kleinen, der Einrichtung eines Backwarenregals, schreitet der Film fort. Unterwegs kommen die Schöpfer (sic!) – Planer, Bauherren, Architekten, Betriebsphilosophen – ausführlich zu Wort, die ihre kruden behavioristischen Modelle auch gern mit dem Zeichenstift untermalen. Gnadenlos ist der Film, weil Farocki seinen Subjekten keinerlei Potenzialität zubilligt. Bei »Die Bewerbung« (1997) waren es der Farbfilter und die Rockmusik, die den Arbeitssuchenden ein Moment der Transzendenz gönnten und auch die ZuschauerInnen daran hinderten, zu zynischen VoyeurInnen der Determinierung anderer zu werden. Bei »Ich glaubte Gefangene zu sehen« (2000) war es die sonore Stimme des Schöpfers Farocki, deren ernste Kommentare darauf hindeuteten, dass es noch so etwas wie Vernunft in der Welt geben muss. Dagegen korrespondieren »Die Schöpfer der Einkaufswelten« – ihrer Form nach – mit einer Ästhetik der Militanz.
Das Sujet des Films ist bekannt und als Ökonomisierung des Sozialen hinlänglich beschrieben. Der Utilitarismus, der einst das Panoptikon inspirierte, lebt im Design des Einkaufserlebnisses fort. Es ist logisch, dass Farockis Mall-Projekt mehr oder weniger parallel zu seinen Gefängnisuntersuchungen entstand. Der Unterschied ist nur, dass die BewohnerInnen der Einkaufswelten ausbrechen können. Die Form: Der Film setzt ein mit dem Palaver der Herren, der Repräsentanten institutioneller Macht, deren Arroganz und Dummheit keine Schamgrenzen kennt. Sie wissen, dass ihr Diskurs ein struktureller, kein singulärer ist. Von der Totalen geht es dann immer mehr in die Details: Wo platzieren wir den »Griechen«; wohin kommt die Wand mit den Bildbänden; haben wir noch Geld für den künstlichen Wasserlauf? (Eine Dokumentation über die Strategien von Guggenheim fiele nicht anders aus.) Und dann kommt das Brotregal, eine Gruppe Männer, die ewig über die Platzierung der Backwaren diskutieren. Diese Szene stellt den Wendepunkt dar, weil sie nicht nur den Finger auf die Wunde legt, sondern hineinbohrt und gar nicht aufhören will damit. Dieses Ewigkeitsmoment, das man von Chantal Akermans »Jeanne Dielman« kennt, das aber nichts mit Douglas Gordons sinnlosen Zeitverzögerungen zu tun hat, macht alles anders. Und jetzt kommt es. Bei der Mikroperspektive angelangt, ist der Film nämlich nicht zu Ende, sondern bringt wieder die Herren vom Anfang mit ihrer Diskussion über die Errichtung einer Mall in Münster ins Spiel. Nur sind wir nicht länger distanziert amüsierte oder angeekelte BetrachterInnen, sondern GegnerInnen. Dazu hat der Film uns gemacht.