Heft 1/2002 - Lektüre



Jürgen Roth:

Netzwerke des Terrors

Hamburg (Europa Verlag, 204 S., EUR 16,90,-) 2001 , S. 79

Text: Krystian Woznicki


Wer nach dem 11. September konstatierte, die Attentäter hätten uns mit unseren eigenen Waffen geschlagen, legte eine Form der Bestürzung an den Tag, die angesichts der von Jürgen Roth in »Netzwerke des Terrors« zusammengetragenen Erkenntnisse nicht nachvollziehbar ist. Längst war es bekannt, dass selbst Gotteskrieger mit unseren Werkzeugen vertraut sind und sich nicht nur in »unserem« System eingenistet, sondern es für die Expansion ihres Territoriums nutzbar gemacht haben. Um uns das noch einmal exemplarisch vor Augen zu führen, fokussiert Roth seine investigativen und analytischen Werkzeuge auf den Terror als eine Form des organisierten Verbrechens im allgemeinen. Er schafft es somit ansatzweise, die komplexen Verflechtungen von Geheimdiensten, politischen sowie gesellschaftlichen Institutionen, Drogen- und Waffenhandelsimperien zu entwirren. Dabei begreift er das Terrornetz vor allem auch als ein Finanznetzwerk. Ein für seine Untersuchungen emblematischer Fall ist die 1972 von einem pakistanischen Banker gegründete Bank for Credit and Commerce International (BCCI), die bis zu ihrer Schließung Anfang der 1990er in dreiundsiebzig Ländern agierte. Dass der Geheimdienst und die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika die illegale BCCI für ihre Interessen instrumentalisiert haben, deutet nicht nur die im Rahmen der Terrorbekämpfung zum Tragen kommende Doppelmoral an. Deutlich wird daran auch die von gegenseitigen Abhängigkeiten bestimmte Struktur der Verflechtung. Roth geht sogar so weit zu sagen, dass der globale Markt zusammenbrechen würde, wenn man die so genannten Schattenbanken abschaffen würde. Bundesfinanzminister Hans Eichels und Bundesbankpräsident Ernst Weltekes Forderung »Wir müssen das globale Finanzsystem transparenter machen« könnte demnach nur ein äußerst widersprüchliches und nicht zuletzt absurdes Bild zu Tage fördern.

Wohl nicht ganz unabhängig von diesem im Augenblick größtenteils noch schlummernden, teils sich auch schon entladenden Repräsentations-Potential materialisiert sich im Umkehrschluss eine bereits im vollen Gange begriffene Imageproduktion. Das erste Stichwort ist vertraut. Es lautet Personifizierung. Denn weltweiter Terrorismus ist mittlerweile quasi synonym mit Osama Bin Laden. Peter Bergens Buch »Heiliger Krieg Inc.« ist dafür symptomatisch. Die von Bergen über sechs Jahre lang recherchierte Geschichte der Privatisierung des Dschihads wird vor dem Hintergrund einer durchaus vielschichtigen Bin Laden-Biografie erzählt. Dabei entsteht das Porträt eines Gläubigen, der nach dem Heiligen Krieg gegen Russland begonnen haben soll, seine Ambitionen zu professionalisieren, indem er die Al Qaida als ein Dienstleistungsbüro in Peshawar gründete. Als der angeblich allseits als »Direktor« titulierte Führer wenige Jahre später in den Sudan zog, um dort die Infrastruktur des Landes aufzubauen, soll er Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Ländern beschäftigt und mit seiner - Bergens Meinung nach am besten als »multinationale Holdinggesellschaft« zu beschreibenden - Al Qaida transnational operiert haben. Nach Zeiten, in denen Staaten einen heiligen Krieg ausriefen und führten, haben jetzt, so eine der zentralen Thesen von »Heiliger Krieg Inc.«, privatwirtschaftliche Unternehmen diese Mission übernommen.

So sehr sich Bergen bei der Darstellung dieser Zusammenhänge um Transparenz bemüht, der Globalisierungsstatus des Terrornetzwerks wird letzten Endes über verschleiernde, gleichermaßen aber auch verkaufträchtig wirkende Bilder vermittelt. Sein Vermarktungskonzept besteht offenbar nicht nur darin, ein prä-modernes, für westliche Augen vermeintlich kaum ergründbares Universum der Gotteskrieger zu zeichnen, sondern dieses mystifizierte Bild (Afghanistan als dem »Herr der Ringe« ähnelnd) mit einem Arsenal hoch entwickelter Zivilisationscodes zu paaren: Die Zufluchtsstätte für die in frommer Askese lebenden Gotteskrieger sind High-Tech-Hotels im unzugänglichen Bergland. Ihre spirituelle Alltags-Routine wird von Fingerübungen im Interfacedesign begleitet: Medienkompetent habe die Al Qaida bislang CD-ROMs und Rekrutierungsvideos im MTV-Stil in der islamischen Welt verbreitet. Nicht zuletzt wurde »die von verschiedenen Sendestationen aufgenommene und auf der ganzen Welt ausgestrahlte Ausrufung eines Heiligen Krieges gegen die Amerikaner [...] auf einem Apple Macintosh geschrieben,« wie Bergen berichtet. Und während sich die Organisationsform des Terrornetzwerks via Images in den Diskurs der Globalisierung einschreibt, findet eine Schwerpunktverlagerung von ökonomischen Strukturen auf die Rezeptionsmuster der kulturindustriellen Globalisierung statt. Damit wird einem Bedürfnis stattgegeben, das man Exotikkonsum deluxe nennen könnte. Bergens Buch liefert somit alle nötigen Zutaten für den nächsten James-Bond-Film und führt vermutlich, ohne es zu wollen, vor, was Roths Transparenzgebot einlöst, wenn es zu Markte getragen wird.