In der Bawag Foundation in Wien finden seit etwa sechs Jahren, seitdem das Programm neu ausgerichtet wurde, Ausstellungen der Avantgarden der Nachkriegsdezennien und von zeitgenössischen KünstlerInnen statt, was den Ort zu einem der interessantesten in der Wiener Szene gemacht hat. Die Foundation hat mit Öyvind Fahlström einen jener Künstler ausgewählt, die heute im Zuge des allgemeinen Sechziger-/Siebzigerjahre-Revival (vor allem in Mode und Musik) aus der künstlerischen Geschichte der letzten 50 Jahre »herausgeschält« werden. Er ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie Künstler, die multimedial arbeiten (und die es in der Rezeption deshalb bekanntlich immer schwer haben) und sich formal scheinbar in zeitgenössische Trends einbetten lassen, fragmentarisch rezipiert werden. Fahlströms Name lässt sich in Büchern über künstlerische Bild-Text-Verhältnisse ebenso finden wie in Fluxus-Ausstellungen; häufig wird er unter den Aspekten Concept-Art und vor allem Pop-Art aktualisiert.
Der Gefahr solcher Eindimensionalität entgeht die Ausstellung, indem sie unter anderem aus seinem Frühwerk das »Manifest für Konkrete Poesie« von 1953 präsentiert (als kleines kostenloses Heftchen zum Mitnehmen); indem sie Multiples und Grafiken von den fünfziger bis zu den siebziger Jahren sowie den von Alfons Schilling gedrehten Kurzfilm »Mao-Hope March« (1966) auf einer Ebene zeigt; schließlich - räumlich davon getrennt - zwei Hörstücke (Radiopoesie), Originalmanuskripte und -typoskripte konkreter Gedichte und die Übertragung zweier Multiples in computeranimierter Form zusammenführt.
Andererseits verrät auch in dieser Ausstellung die Öffentlichkeitsarbeit beziehungsweise begleitendes Textmaterial das Bemühen, Fahlström mit Stil-Begriffen festzumachen, und tappt damit in eine Falle: Fahlströms Nähe zur Pop-Art, die heute so gerne postuliert wird, ist eine rein formale, keine inhaltliche. Der Katalogtext Mike Kellys hingegen räumt mit dieser Verkürzung gründlich auf und liefert auf wunderbare und intelligente Weise Einsichten eines Künstlers in das Werk eines anderen. Es sind populäre Zeichen, die Fahlström einsetzt, aber nicht, um schnöde beziehungsweise konsumbesetzte Realität als Low Art in High Art zu integrieren. Kelly sieht vielmehr eine Dekonstruktion am Werk, die Fahlström dazu einsetzt, um eine Spannung zwischen allgemeiner Lesbarkeit der Zeichen (indem er sie der alltäglichen Welt entnimmt) und einer den Werken inhärenten Mehrdeutigkeit zu erzeugen. Diese ergibt sich aus der Manipulation des Materials, das sich in verschiedenen Kontexten wieder findet und so eine semantische Freiheit bekommt, die Fahlström auch in seinen Arbeiten, die der Konkreten Poesie zugerechnet werden, einsetzt.
Die Methode der Kontextverschiebung ist ein methodischer Spielzug, den Fahlström entwickelt - abgesehen davon, dass Spiele wie »Puzzle«, »Domino« oder »Scrabble« (die alle auf der immer wieder neuen Zusammenführung von Einzelelementen funktionieren) in den Werken unmittelbar sichtbar werden: sowohl als formale Gestaltung wie auch in einem inhaltlichen Sinn.
»Sitting ... Dominoes« sind Beispiele von Bildern, die mit magnetischen, auf Metalltafeln verschiebbaren Bild-Steinen die Variabilität der Bedeutung der Bilder, sozusagen ihre Möglichkeitsform, am eindeutigsten zeigen. Fahlström »dekonstruiert« Hierarchien, demokratisiert durch die Zerlegung in Einzelelemente, die jeweils neu zusammengesetzt werden können. Die »World Maps« der letzten Werkphase ab 1971 setzen diese Methode fort. Die Welt erscheint als Puzzlespiel in immer neuen Zusammensetzungen, mit historischen wie aktuellen Fakten aus Politik und Wirtschaft, die den einzelnen Puzzle- beziehungsweise Länderteilen eingeschrieben sind. Die symbolische Welt des Künstlers und die Welt der Wirklichkeit treffen aufeinander - Kippbilder, die politische Haltung und ästhetische Umsetzung im Kunstkontext zur Disposition stellen.