Der Nahe Osten ist nicht erst seit den Ereignissen der letzten Monate zu einem Brennpunkt lokal- wie weltpolitischer Zusammenhänge geworden. Als Testfall für internationale Beziehungen und ein global-strategisches Zusammenleben auf engstem Raum bildet die Region seit Jahrzehnten einen geografischen Fokus, der auch die Relationen und Überschneidungen unterschiedlichster Kulturen nachhaltig bestimmt.
Das springerin-Heft zum Thema »Nahost« widmet sich dieser kulturellen Ebene, oder besser: den vielfältigen kulturellen Resonanzen und Facetten eines immer aussichtsloser erscheinenden Konflikts. Einen Schwerpunkt bilden dabei Medienanalysen, wie sie etwa Ariella Azoulay anhand der Berichterstattung in israelischen Zeitungen praktiziert, sowie persönliche Berichte, wie ihn etwa Ainatte Inbal über ihren Alltag und ihre aktivistische Tätigkeit in Tel Aviv verfasst hat. Daneben kommen KünstlerInnen und KulturproduzentInnen aus der Region zu Wort, etwa die beiden palästinensischen Regisseure Rashid Masharawi und Elia Suleiman, die sich auch in ihren jüngsten Arbeiten einmal mehr mit der politischen Situation in Palästina befassen. Das Künstlerpaar Paola Yacoub & Michel Lasserre dokumentiert seit längerem schon den Grenzstreifen zwischen dem Libanon und Israel, der im Gefolge der diversen Kriege zunehmend verarmt, und auch die Atlas Group beschäftigt sich in ihrem Archiv, das hier auszugsweise präsentiert wird, mit den kulturellen Nachwehen des Libanonkrieges. Ein Roundtable libanesischer Intellektueller zur verqueren Geschichte bzw. politischen Positionierung der PalästinenserInnen in der Region ergänzt dies durch »involvierte Sichtweisen« aus einem unmittelbaren Nachbarland des Konflikts. Die Komplexität und (mehrfache) Gespaltenheit israelisch-arabischer Identität zeigt schließlich Ella Shohat in ihrem Beitrag über ganz spezifische migratorische Erfahrungen auf, und Noah Chasin konterkariert dies in seinem Essay durch die Beobachtung, wie unverständig etwa die US-amerikanische Intelligenzija dem Nahost-Konflikt immer noch gegenüber steht.
Das Heft »Nahost« enthält zudem Beiträge von den und über die diesjährigen documenta-TeilnehmerInnen Fareed Armaly, Rashid Masharawi, Walid Ra'ad, Andreas Siekmann und James Coleman.