Etwa seit Anfang der 90er Jahre tauchen seine Diaprojektionen regelmäßig, wenn auch nur am Rand des Kunstbetriebs auf und irritieren und faszinieren mit ihren Inszenierungen melancholischer Figuren. Die Tonspur, die mit dem Ablauf der Bildsequenzen exakt abgestimmt ist, trägt ebenso weniger zur Klärung der Situationen bei als sie vielmehr zusätzliche Rätsel aufgibt. Zu hören ist durchweg nur eine Stimme, die jedoch keinen eindeutigen Ort einnimmt. Manchmal scheint sie die Gedanken oder sogar Aussagen einer Figur zu artikulieren, manchmal wirkt sie wie eine äußere Instanz und könnte als solche sogar den Standpunkt der BetrachterInnen repräsentieren.
Damit ist vielleicht nur die auffälligste Diskrepanz angesprochen, an die sich viele weitere anschließen ließen. Coleman geht es nicht darum, eine konventionelle »Story« zu erzählen, sondern er konstruiert ein Gefüge heterogener Formen und Zeichen, das der verwickelten Struktur unseres Begehrens nachspürt und es nicht der Tyrannei etablierter Normalität unterwirft.
Spätestens mit Lacan beginnen wir zu verstehen, dass Begehren kein ausschließlich dem Körper und seinen bewussten und unbewussten Regungen zugrunde liegendes Prinzip ist, sondern eine kommunikativen Prozessen und ihren Medien eingeschriebene Struktur, die bestimmte Formen von Subjektivität generiert. Die Fotografie als Medium der Abbildung, ebenso wie die Sprache als tradiertes Symbolsystem, gewinnen hier ihre fundamentale Bedeutung im sozialen Prozess, insofern sie daran beteiligt sind, bestimmte Positionen zu fixieren und Bewegungsspielräume einzuengen.
Coleman projiziert mit seinen Dias Objekte, in denen sich unsere Wünsche wieder finden können. Weil aber imaginäre Identifikation regelmäßig in die Fixierung auf einzelne Bilder mündet, die einer abgeschlossenen Vergangenheit angehören - ein Problem, an dem auch Fotografie teilhat -, setzt er auf einen methodischen Ablauf, in dem sich eine Reihe von Bildern überlagern und ablösen. In der Diashow mit Überblendtechnik findet er nicht nur das geeignete Mittel, die Logik der Fixierung zu unterlaufen, sondern sie, im Gegensatz zur filmischen Animation, auch als Problem zu vergegenwärtigen.
In »Photograph« (1998-99) verdichten sich beispielsweise die Fotografien von Schülerinnen und Schülern, die für eine Tanzaufführung proben, zur dunklen Ahnung, dass es hier um das Drama der Auflösung kindlicher Verbundenheit und die drohende Einsamkeit in der Welt der Erwachsenen geht. Das berührt die Problematik des Übergangs von der selbstverständlich genossenen Wunscherfüllung zum Zwang, sich den Gesetzen sprachlicher Kommunikation zu unterwerfen. »Photograph« scheint diesen Bruch zunächst nachzubilden, indem der gesprochene Text mit seinen vielen Seufzern und abgebrochenen Sätzen ein Leiden artikuliert, das in den Mienen der schweigend auftauchenden Figuren ebenso unmöglich auflösbar scheint.
Ein treibendes Moment bewirkt jedoch immer neue Anläufe, die durch Pausen, in denen diffus-graue Nebelschwaden alles wieder zu verhüllen scheinen, in Abschnitte gegliedert sind. Nach und nach verdichtet sich das Geschehen. Die Worte werden vieldeutiger, die Bezüge zwischen Text und Bildern vermehren sich - nicht zuletzt deshalb, weil auch in den Bildern Schultafeln auftauchen, die Spuren von wieder gelöschten Texten aufweisen und so die Mehrdeutigkeit mit der Vielschichtigkeit der erfahrenen Wirklichkeit verbinden.
Wie Kaja Silverman in einem ausführlichen Katalogessay überzeugend argumentiert, steht im Zentrum des gezeigten Dramas der psychische Konflikt heranwachsender Mädchen, deren Begehren normalerweise in eine Situation gerät, die entweder Leugnung des eigenen Werts oder Leugnung des eigenen Begehrens bedeutet. Für Freud schließt denn auch eine gesunde weibliche Entwicklung mit dem Gebären eines männlichen Nachkommen ab. Colemans Anstrengung wäre dagegen darauf gerichtet, eine andere Lösung in Betracht zu ziehen, in der eine frühkindliche Phase, die vor dem Kastrationskomplex und der damit einhergehenden Abwertung der Mutter liegt, ihre Form der Objektbeziehung am Ende durchsetzen kann.
Das bedeutet nicht allein die Favorisierung von Mädchenfreundschaften, sondern darüber hinaus die Kunst unvereinbare Erfahrungsebenen kommunizieren zu lassen, ohne sie dem Prinzip der Homogenität zu unterwerfen. Vielleicht ist das nur ein Wunschtraum, der das Dunkel eines musealen Vorführraumes braucht, um Gestalt anzunehmen, aber vor allem die feministischen Diskurse zeigen auch, dass der ihm zugrunde liegende Konfliktstoff politische Brisanz enthält.