Heft 3/2002


Cosmopolitics

Editorial


Seit längerem schon gehen internationalistische Tendenzen und ein ermächtigend verstandener Regionalismus im Kunstbetrieb neue produktive Verschränkungen miteinander ein. Im Gefolge der viel beschworenen Ortsspezifik von Kunst waren es nicht nur Ethiken des Lokalen oder die Untersuchung konkreter metropolitaner Lebensräume, welche zahlreiche Reflexionen auf die globalisierten Produktions- und Machtgefüge der letzten Jahre charakterisierten. Vielmehr ist im Zuge dieser lokaler verankerten, aber transnational ausgerichteten Ansätze auch der Ruf nach einem emanzipatorischen Verständnis von »Cosmopolitics«, einem neuen Begriff von Weltbürgertum, laut geworden.

Springerin 3/02 nach dem Documenta-Sommer geht diesem Aufruf und seinen Resonanzen in der – weltgeografisch erweiterten – Gegenwartskultur nach. Eine zentrale Opposition spiegelt sich im weiten Begriffsumfang von »Cosmopolitics« selbst wider: Zum einen verknüpfen sich damit Hoffnungen und Projektionen in Richtung einer »grundlegend demokratischen« und multikulturell erweiterten internationalen Kultur-Politik; davon sprechen unter anderem die Diskursansätze des afrikanischen Postkolonialismus (Achille Mbmebe) oder die Paradoxien von Gastfreundschaft und Migration am Beispiel südosteuropäischer Kunst (Suzana Milevska). Zum anderen ist im »Kosmopolitischen« – so es darin stets auch um politisch-kulturelle Vorherrschaft geht – eine Machtbestrebung mit angelegt, vor deren globaler Durchsetzung durch die einzig verbliebene Weltmacht USA aus verschiedensten Perspektiven gewarnt wird (Neil Smith, Klaus Ronneberger, Yates Mckee).

Dass »Cosmopolitics« bzw. dessen strategische Inanspruchnahme häufig auch auf Ausschlüssen gründet, zeigt die Auseinandersetzung mit neuen, sich scheinbar weltoffen gebenden internationalistischen Institutionen (Nebojsa Jovanovic über Sarajewo). Dass es vielmehr die internen Widersprüchlichkeiten und die ungemilderten Renitenzen gegenüber einem vorschnell verordneten »Weltbürgertum« sind, welche die entscheidenden Angelpunkte im gegenwärtigen Kulturverständnis bilden – dies belegen die in der springerin 3/02 zahlreich diskutierten Praktiken und Projekte.