Manche/r wäre wohl ziemlich überrascht, wenn sie/er um sieben Uhr morgens durch ein Klopfen an ihr/sein Fenster im fünften Stock geweckt würde. Auch ist es Sache des Gewissens, an jemandem achtlos vorüberzugehen, dessen Kopf zwischen einem Brückengeländer zu stecken scheint. Eine Frau mit Kinderwagen in einem örtlichen Park in Lodz scheint es ein wenig seltsam zu finden, dort auf einen gut gekleideten Herren zu treffen, der einen leeren Einkaufswagen vor sich hin schiebt. Man ist versucht, mehr von der anwachsenden Liste an Aktionen und Interventionen Cezary Bodzianowskis anzuführen. Seine humorvollen und oft recht bizarren Kommunikationsformen, welche die Öffentlichkeit verwundern oder irritieren, sind dabei inspiriert von gewöhnlichen Situationen, die er tagtäglich besteht oder beobachtet.
Der in Lodz lebende Bodzianowski, laut der Top-Ten-Liste des Wochenmagazins »Raster« Polens berühmtester Künstler, hat bereits an mehreren Gruppenausstellungen teilgenommen, etwa an »Ausgeträumt« in der Secession Wien (2001), »Geschichte(n)« im Salzburger Kunstverein (2002) oder an der ersten Tirana Biennale (2001), während er weiterhin an seiner engen Zusammenarbeit mit der Foksal Gallery Foundation in Warschau festhält. Zudem wurde er zu »September Horse« eingeladen, einer Gruppenschau im Berliner Künstlerhaus Bethanien, die letzten Herbst stattfand und von Gregor Podnar und Barnabás Bencsik kuratiert wurde. Vom Ausstellungstitel angeregt, schuf er ein (letztlich nicht gezeigtes) Plakat, das, basierend auf einem der Dokumentarfotos seiner Aktion »September Fishing«, den Künstler mit einer Angelrute in einem »Blättermeer« fischend zeigt. Den tatsächlichen Beitrag bildete dann schließlich ein Video, das den kontemplativen Spaziergang in lose wallendem Gewand rund um das Ausstellungsgebäude, ein ehemaliges Militärspital, zeigte.
Die unmittelbare Umgebung als seinen performativen Kontext nutzend, arbeitet Bodzianowski mit vorgefundenen Situationen. Seine subtilen Veränderungen oder Interventionen, die triviale Phänomene und Ereignisse miteinander verknüpfen – gleichgültig, ob es sich dabei um Straßenverkehr, Jogging, Pferderennen oder die Entstehung von Familienfotos handelt –, lassen die Dinge allmählich aus der Bahn geraten und einem anderen Gesetz folgen. Diese greifbaren Beziehungen verleihen der Vorstellungskraft eine neue Bedeutung, während die Grenze zwischen Realem und Fiktionalem fortdauernd verschwimmt. Bodzianowski besitzt die bemerkenswerte Fähigkeit, den Schleier des Alltäglichen zu zerreißen und uns Bezirke zu erschließen, die uns ansonsten verborgen blieben.
Neben seinen ständigen MitarbeiterInnen, darunter seine Frau, die Fotografin Monika Chojnicka, die die meisten seiner ephemeren Aktionen dokumentiert, besteht Bodzianowskis Publikum aus FreundInnen und PassantInnen, die zufällig in seine direkten und spontanen One-man-Shows geraten. Anlässlich einer Einzelausstellung in der Skuc Galerija »inszenierte« Bodzianowski den DVD-Kurzfilm »Application 1024«, der den performativen Akt festhält, einen Knopf anzunähen und gleichzeitig das Alpenpanorama zu genießen, wie es sich dem Blick aus einem Zimmerfenster des Parkhotels in Ljubljana darbietet. Den BetrachterInnen ist es aufgegeben, die improvisierte Pantomime zu interpretieren und dem roten Faden seiner Nadel zu folgen, der symbolisch den Fensterblick mit einem von mehreren gerahmten Wandbildern verbindet, das dasselbe Sujet zeigt.
Bodzianowski spielt bei Präsentationen in der Galerie gerne mit dem Zufall – und den Erwartungen des Publikums. Fasziniert von den Bodenfliesen in der Skuc Galerija, begann er sein schelmisches Treiben, indem er das Muster abzuschreiten begann, während die BesucherInnen zusehends schwankten, ob sie die Aufführung als Kunstgeschehen würdigen oder doch lieber mit ihrem Schnattern und Trinken fortfahren sollten. Eine an der Decke montierte Videokamera nahm sowohl Bodzianowskis Bewegungen auf als auch den zweiten Akt der Performance, der darin bestand, in Gespräche mit den verschiedensten Personen und Gruppen einzutreten. Auf dem TV-Monitor – die Dokumentation verbleibt als einziges Ausstellungsstück, das die Ungreifbarkeit und Flüchtigkeit der Aktionen bezeugt – kann man seine Wanderungen verfolgen, genauer: die Wanderungen seines Baretts mit dem vergrößerten Logo in Form eines weißen Sterns, das von einer Plastiktüte eines Supermarktes in der Nähe des Bahnhofs von Ljubljana übernommen wurde. Zu guter Letzt offeriert der Künstler ein Sammlerstück: ein Poster, das sein kunstvolles Porträt »als Victoria« zeigt – ein subtil-ironischer Kommentar zu Selbst(re)präsentation und kulturindustriellen Absatzmärkten, der auch eine Verbindung zu seinen transitorischen und offenen Erzählungen als generelle Erinnerung oder als Logo darstellt.
Übersetzt von Peter Kunitzky