Heft 2/2003 - Lektüre



Einar Thorsteinn / Olafur Eliasson:

to the habitants of space in general and the spatial inhabitants in particular

Wien (Bawag Foundation Edition) 2003 , S. 74

Text: Susanne Neuburger


1996 begegneten sich in Island Olafur Eliasson und Einar Thorsteinn, isländischer Architekt und Experte für 2D- und 3D-Geometrie, Kristallogie, Kosmologie, Wissenschaftsgeschichte und Engineering, der mit Richard Buckminster Fuller gearbeitet hatte. Von ihrer daraus entstandenen intensiven Zusammenarbeit, die Olafur Eliasson im Nachwort als »Notes on my overlap with Einar Thorsteinn« beschreibt, handelt das zweite Buch der von Brigitte Huck kuratierten Reihe der BAWAG FOUNDATION Edition. An Thorsteinn bewundere er die Fähigkeit, räumlich zu denken – und dies, wie Eliasson schreibt, »without his thoughts being based on the dominant Cartesian or Euclidian space-time conception«. Thorsteinn wiederum erläutert im Vorwort seinen Weg zu den »geodesic domes« Buckminster Fullers sowie seine Herangehensweise an das Phänomen Vieldimensionalität.

Das dicht bebilderte und reich mit Dokumentations- und Zeichenmaterial versehene Buch ist wie ein Waren-Katalog unprätentiös und schwarzweiß, wiewohl äußerst präzise angelegt. Kurze Textpassagen (in englischer Sprache) von Thorsteinn sind als Beschreibungen in die Bildseiten integriert, wodurch das Buch ebenso den Anspruch eines Handbuchs für strukturelle Geometrie hat wie es einem Anliegen Buckminster Fullers begegnet, der im Gegensatz zu Worten bzw. abstrakten Denkformen seine Welt umfassenden und universalen Gedanken in Formen darstellen wollte. Das Buch gliedert sich in einzelne Werkgruppen, die sowohl verschiedene Entwicklungsstadien tatsächlich ausgeführter Arbeiten als auch research projects beschreiben. Hier ist nicht nur ein Einblick in Aufbau und Struktur der Zusammenarbeit von Eliasson und Thorsteinn gegeben, sondern auch die Verbindung zwischen den einzelnen Arbeiten nachvollziehbar, wie etwa vom »doughnut« zum »neon doughnut« und zum »double doughnut« oder Entwicklungen von der »spiral sphere« zum »spiral pavilion« und »spiral tower«. Zudem werden die Arbeiten als große Werkgruppe Eliassons in den letzten Jahren zusammenfassend dargestellt und beleuchten aus dieser Perspektive andere Werkgruppen des Künstlers. Nicht nur relativieren sie einen sowieso konstruierten »nostalgischen« Naturbegriff neuerlich, von dem schon Jonathan Crary (im Katalog der Kunsthalle Basel 1997) meinte, dass jede Dualität von Natur und Kultur innerhalb eines Einheitsfeldes aufgehoben wäre, in dem Apparat und Organismus nicht voneinander zu trennen sind. Zum anderen relativiert sich im Zusammenhang von Abbildungen und Konstruktionszeichnungen, von Skizzen und Referenzen auch jener andere Eindruck einsamer skulpturaler Setzungen, indem Genese und Ausführung einzelner Arbeiten in einen langen Text eingebunden sind. Thorsteinn und Eliasson ist es wichtig, mit diesem Gedankengebäude eine Gegentradition in Gang zu halten, die einer eindimensionalen materialistischen Sichtweise entgegenarbeitet und jene konkreten Auswirkungen erreichen will, an denen schon Buckminster Fuller arbeitete, um Umwelt und Haltung der Menschen zu beeinflussen. »Baue Modelle, lieber Leser, und stelle das Buch aufs Bücherbrett«, hieß es in einer der ersten ins Deutsche übersetzten Werkmonografien von Buckminster Fuller aus den sechziger Jahren, eine Anregung, die hier im besten Sinn sowohl befolgt wie übertreten wurde.