Heft 2/2003 - Lektüre
Die Rede ist von einem Reader, der aus dem »Damaskus-Projekt« der Universität für Angewandte Kunst in Wien hervorgegangen ist. Die Idee für dieses universitäre Projekt, die Studentinnen und Studenten nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch mit der Frage einer transkulturellen Kommunikation zu konfrontieren, führte zu Ergebnissen, die auf das Verhältnis von Theorie und Praxis, von Wissen und Unwissen, von Bekanntem und Unbekanntem, Eigenem und Fremden und auf die Kommunikation zwischen diesen Koordinaten und deren Vermittelbarkeit zurückwirken. Auf dem Tisch liegt nun ein Buch, das neben den Texten in deutscher und arabischer Sprache die Dokumentationen der studentischen Projekte versammelt. Die Tatsache, dass die arabische Sprache im Unterschied zur deutschen von rechts nach links gelesen und geschrieben wird, führt zu dem Ergebnis, dass der Reader spiegelbildlich funktioniert: Was für die eine Sprache den Beginn des Buches darstellt, bildet für die andere dessen Ende. Der grafischen Gestaltung und den Beiträgen ist es zu verdanken, dass dieses entgegen gesetzte spiegelbildliche Verhältnis nicht eine Lesbarkeit präfiguriert, die ein kulturelles Gegenüber des je Eigenen und Anderen vorausschicken würde, wo ein Territorium für ein gemeinsames Verstehen und Missverstehen ausgelotet wird. Diese Haltung charakterisiert die künstlerischen Beiträge genauso wie die mehrheitlich auf Interviews basierenden Texte, die sich vor dem Hintergrund der heterogenen kulturellen Bewegungen in Damaskus, Syrien und der europäischen wie angloamerikanischen Welt langsam von Differenzen auf Differenzierungen, von den Differenzierungen auf wieder gefundene und noch vorstellbare Ähnlichkeiten zu bewegen. Das Spektrum reicht dabei von »der Stellung der Frau im Islam« über »die Wassersituation im Mittleren Osten« und eine Übersetzungsfrage von Proust ins Arabische bis zur Fusion von Motorradjacke und Kaftan. Frei nach Zizek: »Das Objekt entsteht, indem man nach ihm sucht«.