Wiederkehr des Realen – so lautete vor Jahren das programmatische Versprechen einer neuen, wirklichkeitsbezogenen Kunst. Politische Umbrüche und gesellschaftliche Veränderungen hatten auch im Kunstfeld, so kontext- und institutionskritisch sich dieses bis dato geben mochte, einen noch massiveren Drang nach »außen«, in Richtung realer, handgreiflicher Verhältnisse entstehen lassen. Inzwischen hatte sich im Fernsehen und in den neuen Medien ein ganz anderer, reichlich unverdrossener Umgang mit der Verheissung »Reality« durchzusetzen begonnen und künstlerische Ansätze kamen nicht umhin, sich gleichfalls auf ihre realistischen und dokumentarischen Qualitäten zu besinnen.
»Reality Art« also? Analog zum massenmedialen Bereich lässt sich auch in der aktuellen Kunst ein rundum erneuertes Interesse an der Ware »Wirklichkeit« entdecken. Insbesondere zeigt sich dies am Wiedererwachen unterschiedlichster ethnografischer und geradezu journalistischer Ansätze. Diese ziehen sich – unabhängig von ihrem kulturellen Ort – durch diverse Ausstellungs- und Display-Formen, ohne dabei in Wettstreit mit anderen medialen Systemen zu treten. Ob klassischer Dokumentarfilm, Informationsservices oder Broadcast-Formate – die Interessen des neueren dokumentarischen Arbeitens in der Kunst bleiben reflexiv an die Eigengesetzlichkeiten all dieser Kanäle angelehnt, behaupten darüber hinaus aber durchaus ihre eigenen Logiken und Spezifika.
springerin 3/2003 geht dem Versprechen dieser Neo-Realismen und Dokumentarismen nach. Die Beiträge befassen sich mit den darauf projizierten Erwartungen ebenso wie mit dem wiederkehrenden Versprechen, soziale Realitäten endlich einholen zu können, Kontinuitäten mit der »Welt draußen« herstellen zu können. Dass dies oftmals von Missverständnissen und geografisch-kulturell bedingten Bedeutungsdifferenzen geprägt bleibt, ja von uneinholbaren Polyvalenzen in Bezug auf das Reale selbst, bringen die Essays und Interviews in dieser Ausgabe aufs deutlichste zur Sprache. Darüber hinaus widmen sie sich auch den zahlreichen blinden Flecken, die beim beliebten »Referenzieren« von Wirklichkeit häufig genug bestehen bleiben.