»Diadochenkultur? – Vom Kunstbetrieb, der von Messe zu Biennale zu Messe hechelt, weitgehend unbeachtet hat sich in den unabhängigen Teilen der ehemaligen Machtblöcke ein neues kulturelles Selbstbewusstsein formiert. In erster Linie betrifft dies die Szenen im ehemaligen Einflussbereich der Sowjetunion. Hier ist eine Befindlichkeit entstanden, die sich mit den Kategorien des Postkolonialen nicht mehr ausreichend beschreiben lässt. Das erste Heft des Jahres 2004 versammelt Bilder und Stimmen aus einer postkommunistischen, neodiadochen Welt.«
So hatten wir letzten Herbst die Frühjahrsausgabe 2004 zu skizzieren versucht. Ein besonderes Augenmerk sollte der Vielfalt und Heterogenität der Kunstszenen in postkommunistischen Ländern gelten, ohne dabei zur Gänze der eigenen Projektionsleistung zu erliegen. Denn ebensowenig wie von »einer« Befindlichkeit ließ sich davon ausgehen, dass die Erfahrung des Postkommunismus in den fraglichen Szenen ähnlich oder gleich strukturiert sei. Vielmehr ging es um ein Streuungsmoment, das auf seine Verknüpf- bzw. Übersetzbarkeit, nicht zuletzt in und mit dem mitteleuropäischen Kontext, untersucht werden sollte.
Die Beiträge und Repliken der AutorInnen dieses Heftes sind vielfältig ausgefallen: von Suzana Milevskas theoretisch versierter Warnung vor einer vorschnellen Ineinssetzung von Postkommunismus und Postkolonialismus bis zu Nebojsa Jovanovics Polemik gegen eine fortgesetzte, höherrangige Fetischisierung des Ostens; von Boyan Manchevs Analyse der Gewalt- und Körperdiskurse, wie sie gerne für »osteuropäische« Verhältnisse geltend gemacht werden, bis hin zu konkreten Lokalreportagen, in denen der Versuch einer institutionellen Aufbereitung des Kommunismus (Boris Buden) oder der unbekümmerte Umgang mit Geschichte in der Moskauer Alltagskultur (Konstantin Akinsha) einer kritischen Betrachtung unterzogen werden.
Darüber hinaus sind es detailgenaue Analysen von künstlerischen Projekten innerhalb der für sie maßgeblichen Körper- und Politregime (Haroutioun Simonian, Karen Andreassian), welche die konkrete Aussagekraft »neodiadocher Verhältnisse« erschließen helfen. Schließlich finden auch Filmemacher wie Hamlet Hovsepian und Artavazd Peleschjan, die bislang vom westlichen Kanon übersehen wurden, ihren verdienten Platz in diesem Diskurs. Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Kunstgeografie immer wieder aufs Neue der Verschiebung bedarf.