Zagreb. Bereits 1993 skizzierte der slowenische Theateravantgardist Dragan Zivadinov die Grundzüge seines überlebensgroß ausgelegten Projekts: Nach der Premiere eines Theaterstücks 1995 werde dieses bis 2045 identisch alle zehn Jahre mit der selben Besetzung aufgeführt, sollten SchauspielerInnen zwischenzeitlich das Zeitliche segnen, seien sie auf der Bühne durch roboterartige Figuren zu ersetzen. Am 1. Mai 2045 werde Îivadinov selbst – als letzter Überlebender – für 16 verstorbene DarstellerInnen ebenso viele Satelliten in der Erdumlaufbahn positionieren und anschließend ebendort in der Schwerelosigkeit sterben.
Im April 2004, während des Symposiums zur Ausstellung, die das Zagreber Museum zeitgenössischer Kunst (MSU) anlässlich seines 50-Jahres-Jubiläums dem 50-Jahres-Projekt widmete, sekundierte Marina Grzinic: Im Jahr von Zivadinovs Tod 2045 werde sie noch am Leben sein, um ihre wissenschaftliche Arbeit über das Projekt zu vollenden.
Wissenschaftlich-theoretisch bleibt für Grzinic; genug zu tun, das Projekt, welches sich allenfalls durch einen für das späte zwanzigste Jahrhundert äußerst raren klassisch-modernistischen Pathos auszeichnet, biete zahlreiche zu analysierende Facetten: Verweise auf den slowenischen Futurismus, insbesondere auf den Poeten Srecko Kosovel (1904-26), oder auch auf den slowenischen Raumstheoretiker Herman Potocnik Noordung (1892-1929), dem eine zentrale Position in Zivadinov künstlerischer Kosmologie zugewiesen ist. Weitere Bezugspunkte, Mejerchol’dsche Theatertheorie erweitert mit der Fragestellung zur theatralischen Bedeutung von Schwerkraft und Schwerelosigkeit, aber auch russischer Kosmismus, eine philosophische Strömung des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, die von der Unausweichlichkeit der Erforschung/Besiedlung des Kosmos durch die Menschheit ausgeht.
Was die Ausstellung »Mehatron Noordung« betrifft, welche im April für kurze Zeit im architektonisch beeindruckenden Pavillon 19 der Zagreber Messe zu sehen war, fiel zunächst vor allem das Fehlen technologischer Bezugspunkten auf. Abgesehen
von Footage, das Kosmonauten bei Schwerkraftübungen zeigt, und Aufnahmen jener Schwerelosigkeitsperformances, die Zivadinov mit einigen SchauspielerInnen 1999 während eines so genannten Parabelflugs mit einem russischen Trainingsflugzeug durchführte, muten die Arbeiten von Dunja Zupancic wie eine große und visuell ansprechende Ausstellung von Logos an, mit denen die zahlreichen Entwicklungsphasen von »Biomehanika Noordung« zwischen dem irdischen Start 1995 und dem schwerelosen Finale 2045 illustriert werden sollen.
Die Schwerelosigkeit als die »letzte (aus physikalischer Sicht) problematische Kraft« stand schließlich auch im Zentrum des mit KünstlerInnen, Physikern und Metaphysikern besetzten Symposiums: Ewen Chardronnet referierte die alternative Raumfahrtsgeschichte der Assoziation autonomer Astronauten, Marko Peljhan berichtete über konkrete Fortschritte bei der Realisierung künstlerischer Satelliten, Marina Grzinic; präsentierte
theoretische Reflexionen zur künstlerischen Bedeutung der Schwerkraft. Neben Vertretern der Metaphysik, dem orthodoxen Priester Otac Metodij Zlatanov aus Makedonien und dem katholischen Geistlichen Don Branko Sbutega aus Montenegro standen vor allem die Kosmonauten Jurij Loncakov und Jurij Baturin im Zentrum des kroatischen Publikumsinteresses. Aber auch in den Ausführungen der wissenschaftlich-sowjetisch-atheistisch geprägten Vertreter des Gagarin-Kosmonautentrainingszentrums wurden religiöse Momente manifest, insbesondere in Bezug auf den Säulenheiligen der sowjetischen Kosmonautik. Eine Anekdote über Jurij Gagarin wurde schroff, nahezu religiös beleidigt quittiert: Der erste Kosmonaut und (heitere) Anekdoten seien zueinander inkompatible Kategorien.