Im April 1995 erschien die erste Ausgabe dieser Zeitschrift, damals noch unter dem Namen springer – Hefte für Gegenwartskunst. Im Bild des Chamäleons, welches das Cover des ersten Heftes zierte, war eine Wandlungsfähigkeit mit angedeutet, die sich über vierzig Ausgaben hinweg unter Beweis stellen sollte. Ein langer, abwechslungsreicher und ständig auf neue thematische wie geografische Öffnungen bedachter Weg breitet sich vor dem retrospektiven Blick aus.
Zum zehnjährigen Jubiläum möchten wir nicht so sehr Rückschau halten als vielmehr versuchen, gemäß dieser Maxime weitere Ausblicke zu eröffnen. Auf aktuelle Entwicklungsmomente ebenso wie bislang unbegangene Wege sowie den stets aufs Neue zu verhandelnden Status kritischer Kunst und ihrer Diskurse.
Ein Augenmerk gilt dabei den Versprechen und Prophezeiungen der vor zehn Jahren noch jungen digitalen Kultur. So lässt der Netzteil dieser Ausgabe eine Reihe von damals das »Neue« signalisierenden Prophetien Revue passieren und fragt nach ihren realen Umsetzungen. Anschlüsse aus der Vergangenheit an die Gegenwart bieten aber nicht nur vormalige Netz- und Künstlichkeitsutopien, sondern auch lokale Multimediaszenen, die nach mehreren Dekaden für das Hier und Heute plötzlich wieder von Interesse sind.
Darüber hinaus ist die aktuelle Nummer einer Reihe von KünstlerInnen gewidmet, die, bislang wenig beachtet oder weit gehend vergessen, ein Moment des »Past Forward« verkörpern. Damit sind zum einen langjährige Laufbahnen wie jene von Ion Grigorescu gemeint, die sich seit den frühen siebziger Jahren konsequent an den Starrheiten bzw. politischen und kulturellen Umbrüchen ihrer lokalen Umgebung abgearbeitet hat. Zum anderen geht es um Arbeitsweisen wie jene von Eustache Kossakowski, der sich früh in die Geschichte der konzeptuellen Fotografie eingeschrieben hat, ohne dass dies Aufnahme in den herkömmlichen Kanon gefunden hätte; oder um das malerische Werk des Filmtheoretikers Manny Farber, dessen vom Film beeinflusste Stillleben ebenfalls einer Wiederentdeckung harren.
Ein weiterer Fokus gilt dem aktuellen Stand des Cultural-Studies-Diskurses. So ist etwa Raymond Williams’ bahnbrechendes Glossar »Keywords« vor kurzem für die Gegenwart aufbereitet worden, woraus Sie im Folgenden exklusive Auszüge lesen können. Und Lawrence Grossberg analysiert die momentanen Umwälzungen der US-amerikanischen Politik aus kulturtheoretischer Sicht.
In all dem geht es nicht nur um ein »Past Forward« in kritisch zugespitztem Sinne, sondern um weitere Öffnungen: Arbeit am Verdrängten, Arbeit am noch zu Kommenden.