Heft 3/2005 - Netzteil
Für Barcelonesa gilt ein ungeschriebenes Gesetz: Keine Konferenz ab Mitte Juli. Feria Agosto ist nah, und die Temperaturen in der Stadt klettern ins Unerträgliche, sodass man die Stadt gerne den TouristInnen überlässt. Aber Barcelona ändert sich und damit auch seine Gewohnheiten. Die Konferenz »Copyfight« fand von 15. bis 17. Juli im Centre de Cultura Contemporània de Barcelona (CBBB) statt – neben dem Macba und dem Caixa Forum der dritte Ort, der für die gewünschte Aufmerksamkeit der kulturpolitischen Szene garantiert. Und Aufmerksamkeit braucht »Elastico« offenbar: Hätte sich die Gruppe, die bislang weder in Spanien noch anderswo bei der Diskussion über die Rechte im digitalen Raum in Erscheinung getreten ist, sonst Oscar Abril Ascaso, den Kurator des Musikfestivals Sónar, als Posterboy ins Boot geholt?
Man war und blieb unter sich. Freunde unter Freunden eben, wie Lawrence Lessig es auf den Punkt brachte. Ob er es zynisch meinte, blieb unklar. Es ging bei »Copyfight« ganz friedlich um die Musikindustrie, um Hollywood und um Gesetze und Lizenzen. Von der Gegenseite kam – wohl mangels Einladung – niemand und damit auch niemand zu Wort. So konnte man betonen, dass man nicht des Mammons wegen KünstlerIn wurde. Cory Doctorow, Sciencefiction-Autor, Weblogger und Electronic Frontier-Mitglied, hatte seinen Vortrag zwar betitelt mit »How I Make a Living Giving Away my Novel«, sprach aber lieber über Datenbanken und die Bedrohung, die von der Open Mobile Alliance, kurz OMA ausgeht: Diese will in Zukunft die Übertragung von Fernsehbildern auf mobile Geräte kontrollieren. Als aus dem Publikum die Frage kam, wie er denn nun sein Leben finanziere, blieb er kurz angebunden und antwortete mit Statistiken. An den darauf folgenden Tagen ward er nicht mehr gesehen. Einige verstanden die Einladung nach Barcelona eben als Auftakt für ihren Urlaub.
Lawrence Lessig, Professor für Recht in Stanford, der am zweiten Tag über »free culture« sprach, verlangte derart viel Altruismus in den Räumlichkeiten eines Museums zumindest Respekt ab. Denn nicht nur Cory Doctorow, sondern auch andere KünstlerInnen hatten das Bedürfnis, das Mikrofon zu ergreifen, um öffentlich zu bekunden: Man sei nicht KünstlerIn geworden, um Geld zu verdienen. Seine Sache sei es nicht, jemanden zu korrigieren, meinte Lessig. Er habe im Jahr 2003 Creative Commons, eine Plattform für alternative Autorenrechte, auch nicht ins Leben gerufen, um KünstlerInnen zu sagen, wie sie ihr Leben gestalten sollen. Er sei angetreten, um die Freiheiten im digitalen Raum zu wahren und sie gegen die Interessen der Unterhaltungsindustrie zu verteidigen.
Lawrence Lessig war der einzige, der auch so etwas wie eine Botschaft für das Publikum in Barcelona hatte: »Meine Botschaft lautet, wenn ich zu Freunden komme, folgendermaßen: Wir müssen versuchen, die Welt davon zu überzeugen, woran sie bereits selbst glaubt; dass nämlich viele der Restriktionen in den Gesetzen für geistiges Eigentum keinen Sinn ergeben und sie nichts mehr mit dem Schutz von Autorenrechte zu tun haben.« Lessig sparte nicht mit Beispielen: Als der Autor des Buches »Darknet«, J.D. Lascia, bei diversen Filmfirmen nachfragte, ob er für ein Heimvideo, das er gemeinsam mit seinen Sohn produzieren wollte, die eine oder andere Sequenz aus Filmen wie »Batman«, »Schneewittchen« oder »Mary Poppins« verwenden dürfe, antwortete ihm Universal Studios: Ja, wenn er für jede 15-Sekundeneinheit neunhundert Dollar Lizenzgebühr zahle. 2.340 Dollar für 39 Sekunden und ein Heimvideo, das nur für die Familie gedacht war. Ein anderes Beispiel bezog sich auf einen Studenten, der für sein College ein Intranet mit Datenbank und Suchmaschine aufgebaut hat. Er wurde von der Recording Industry Association of America auf 15 Millionen Dollar verklagt, weil er angeblich Lizenzrechte verletzt habe. Die Aussichten, dass er den Streit gewinnen würde, waren gut, aber selbst dann hätte er für die Prozesskosten mehr als 20.000 US-Dollar hinblättern müssen. Geld, das der Student nicht hatte. Es kam zum Ausgleich, der dem Studenten seine ganzen Ersparnisse abverlangte – 12.000 Dollar.
Längst hat Lessig den Glauben daran verloren, dass es vor einem Gericht in den USA oder auch anderswo um Wahrheit oder auch nur um Recht gehe. Es geht um Gesetze, die oft genug weder mit dem einen noch mit dem anderen in einer nachvollziehbaren Verbindung stehen. Ein wenig ins Pathos driftend meinte Lessig, dass am Ende nur die Demokratie für Wahrheit sorgen könne. Auf etwas wie Demokratie hofften im Ersten Weltkrieg wahrscheinlich auch revoltierende Soldaten, die keinen Bock darauf hatten, an der Front erschossen zu werden – und schließlich mit einem Sandhaufen im Rücken und einem Erschießungskommando vor der Nase endeten. Nicht immer verlaufen Revolutionen erfolgreich. Aber darüber mussten sich die Veranstalter von »Copyfight« ohnehin keine Sorgen machen. Im CCCB kam man nicht einmal in die Nähe einer Revolution. Trotz freiem Eintritt. Am Ende hieß es wie schon so oft und an anderen Stellen: Die AutorInnen sollten lieber mit Hilfe von Creative Commons oder ähnlichen Lizenzen selbst über die Verwertung ihrer Werke entscheiden, anstatt ihre Kreativität der Unterhaltungsindustrie zu Füßen zu werfen.
http://www.elastico.net/copyfight