Die israelische Soziologin Eva Illouz widmete sich in ihrer viel beachteten Studie »Der Konsum der Romantik« der Entzauberung der romantischen Liebe. Das Ideal der Überwindung der ökonomisierten Umgangsformen wünscht ein Utopia des »reinen« Gefühls, das sich aber als Praxis – so Illouz’ ironische Pointe – nur über die Produktpalette der von einem hellhörigen Konsumkapitalismus bereit gestellten Eskapismus-Offerte manifestieren kann. Aus dem Wunsch nach romantischer Liebe wird ein Ensemble ritualisierter Konsumakte, das jedoch auch Klassenüberschreitungen und bestimmte Freiräume weiblicher Selbstermächtigung auf Zeit ermöglicht – etwa beim modernen Rendezvous, das nicht mehr im bürgerlichen Haus der Eltern, sondern im intimen Schutzraum des Autos oder im Kino stattfindet. Gleichzeitig produziert und reproduziert der Konsum der Romantik aber die für den Markt konstitutiven Ungleichheiten.
Diese Ambivalenz der Marktgängigkeit der Emotionen verfolgt Illouz in ihrem neuen, aus ihren Adorno-Vorlesungen am Frankfurter Institut für Sozialforschung entstandenen Buch in heutigen Liebesanbahnungsmodellen wie den Internet-Partnerbörsen weiter. »Gefühle in Zeiten des Kapitalismus«, so der Titel, liest die zwangsoriginellen Ego-Verkaufsshows auf den Liebesmärkten und ihren Kontrast zu den normierten Anforderungsprofilen an die jeweiligen Körper, die Fließbandproduktion der Kandidaten beim Speed-Dating und das routinierte Durchforsten von in Frage kommenden Dateien als exemplarische Fälle eines fortgeschrittenen »emotionalen Kapitalismus«, der seit dem Siegeszug der Psychoanalyse in den USA unser Gefühls- und Arbeitsleben kolonisiert. Die Soziologin begreift diesen als eine Verzahnung von psychotherapeutischen und ökonomischen Diskursen und ihren populärkulturellen Echos etwa in Frauenzeitschriften, Ratgebern und Managementfibeln. Der emotionale Kapitalismus transformiert die Affekte zu Produktivkräften einer postfordistischen, auf Motivation und Individuation setzenden Unternehmenskultur; er unterwirft das emotionale Empfinden einer ökonomischen Logik des Gefühls-Haushaltens. So erscheint der kulturelle Zugriff auf intime Emotionen letztlich als widersprüchlicher Prozess, der Momente von Selbstbefreiung mit Aspekten von Selbstpathologisierung vermittelt und der vormaligen Privatsphäre ihre Unvergleichbarkeit nimmt – und sie eben dadurch besser kommunizierbar macht. Illouz zeigt, dass die Alphabetisierung des Gefühlslebens einhergeht mit der modernen Idee von Selbstverwirklichung, die selbst wieder auf einer Objektivierung der subjektiven Erfahrung aufbaut. Sie demonstriert anhand ihrer Interpretation heutiger Dating-Praktiken, wie der emotionale Kapitalismus soziale Distinktionen sowohl verändert als auch weiterschreibt. Und sie betont, dass die permanente, rationalisierende Verbalisierung unserer Gefühle nicht nur als Resultat eines Geständniszwangs zu verstehen ist, sondern auch dabei hilft, eine gemeinsame Sprache für unsere Erwartungen und Sehnsüchte zu entwickeln.
Das moderne Subjekt, so Illouz, hat mittlerweile gelernt, von seinen emotionalen Verstrickungen zu abstrahieren und dadurch diese erst zu thematisieren: Wir können über unsere Gefühle so sprechen, als ob wir keine hätten, als ob sie uns nicht beherrschten. Illouz enthält sich weit gehend einer Bewertung dieser Entwicklung. Erst am Ende ihrer Studie wird deutlich, dass die Balance zwischen emotionalem Ausdruck und strategischem Handeln, zwischen dem Vertrauen auf ein direktes Empfinden und dem Kalkül der Liebesobjekt-Wahl in ihren Augen verloren gegangen ist. Und so heißt es dann plötzlich: »Ich frage mich, ob nicht der Prozess, den ich beschrieben habe, in der Lage ist, hyperrationale Idioten aus uns zu machen.«