Heft 3/2006 - Lektüre



Fundación Rodríguez, Marina Grzinic, Jose Maria Mariátegui, Marcus Neustetter, Oliver Ressler, Hito Steyerl (Hg.):

Tester Book

Nodes at Work (2004) und Tester DVD (2005)

San Sebastian (Arteleku) 2005 , S. 73

Text: Christa Benzer


Um den im Kunstbetrieb dominierenden Vernetzungsstrukturen ein alternatives Modell entgegenzusetzen, wurde 2002 von dem spanischen Medienzentrum Fundación Rodríguez das Projekt »Tester« initiiert. Nun liegt mit einem Buch und einer DVD eine Materialiensammlung vor, die das prozessual angelegte Vernetzungsexperiment umfangreich dokumentiert. Eingeladen wurden dazu fünf Kulturschaffende, die als so genannte »Nodes« den Kern des Projekts bilden: Marina Grzinic, Jose Maria Mariátegui, Marcus Neustetter, Oliver Ressler und Hito Steyerl, die mit Ljubljana, Donostia-Gasteiz, Lima, Johannesburg, Wien und Berlin auch fünf verschiedene lokale Kontexte repräsentieren.
Die Diskussion der jeweiligen Produktionsbedingungen, künstlerischen Praktiken und theoretischen Interessen, in der auch die hierarchischen Modelle und ausschließenden Methoden des westlichen Kunstsystems analysiert und gegengelesen wurden, basierte auf einem virtuellen, aber auch realen Austausch, im Zuge dessen viele Projekte realisiert wurden.
Eingeteilt in drei Kapiteln führt das dreisprachige Buch (spanisch, baskisch und englisch) nun in die von den fünf Kernpersonen aufgeworfenen Themenstellungen ein, die im zweiten Kapitel einige assoziierte theoretische Beiträge und im dritten Kapitel ausgewählte künstlerische Projekte vertiefen. Mit ihrem Aufsatz »Capitalism, democracy and the genetic paradigm of culture« führt Marina Grzinic gleich zu Beginn die Begriffe »inclusion/exclusion« ein, die auch in den Beiträgen von Marcus Neustetter (Johannesburg) und Jose Maria Mariátegui (Lima) eine zentrale Rolle spielen. Beide greifen in ihren Texten die Entwicklungen in den lokalen Kunstszenen auf, die sich aufgrund infrastruktureller Mängel zunehmend auf die globale Kunstszene konzentrieren. Aber während die KünstlerInnen mittlerweile in internationalen Ausstellungen vertreten sind, käme die lokale Szene zum Erliegen, weil niemand den Re-Import dieser Arbeiten und die Etablierung eigener Strukturen und Öffentlichkeiten forciere. »Unter dem 40. Breitengrad« nannten Neustetter und Mariátegui dann auch ihr im Rahmen von »Tester« entwickeltes Projekt, das die nördliche Hemisphäre insofern hinter sich ließ, als Videoarbeiten von südafrikanischen KünstlerInnen beim 7. Festival Internacional de Video/Arte/Electrónica 2003 in Lima präsentiert wurden und das Video Art Festival »Playtime« in Johannesburg 2004 eine Spezialschiene mit peruanischen VideokünstlerInnen programmierte.
Neben der Etablierung dieser alternativen Netzwerke war es den Initiatoren des Projekts »Tester« ein ebenso wichtiges Anliegen, alternative künstlerische Praktiken zu diskutieren, aufzuspüren, und als Plattform für die Präsentation und Produktion von künstlerischen Beiträgen zu fungieren. Unter dem Titel »Counter globalization manuals« erzählt Oliver Ressler im Gespräch mit Marina Grzinic von seinen künstlerischen Themen und Methoden und auch Hito Steyerl konzentriert sich in ihrem Beitrag »The articulation of protest« auf die Diskussion widerständiger Bilder. In einer spannenden Gegenüberstellung der Filme »Showdown in Seattle«, 1999 im Zuge der Antiglobalisierungsdemonstrationen produziert, und »Ici et Ailleurs« von Godard und Mieville versucht sie zu demonstrieren, dass eine Montage von Bildern sich nicht notwendig oppositionell artikuliert. Mit der Frage, wie die Verknüpfung von Bildern aussehen könnte oder müsste, ohne dass dies zu platten politischen Botschaften führt oder als Reproduktion des Status quo gelesen wird, beendet sie ihre Ausführungen, die einige interessante Überlegungen zur Realisierung alternativer Bilderverknüpfungen zur Verfügung stellen.
Die Struktur von »Tester« wird grafisch durch fünf sich aufspaltende Atome dargestellt, die sich kettenreaktionsartig in die verschiedenen Richtungen verzweigen: Über Marina Grzinic kommt man unter anderem zu kuda.org, einem von Zoran Pantelic und Kristian Lukic organisierten Medienzentrum in Novisad, das die digitalen Technologien ebenfalls mit künstlerischen Praktiken und sozialen Phänomenen zu verbinden versucht; Hito Steyerl hat den vietnamesischen Politikwissenschaftler Kien Nghi Ha eingeladen, der in seinem die Globalisierung der Informationstechnologien analysierenden Beitrag für die laufende Etablierung von immer neuen Medienzentren plädiert. Neben dem allgemeinen Drang zur Umsetzung der »hyperpolitischen« Theorie in die Tat – wie das beispielsweise Inaki Arzoz und Andoni Alonso in ihrem »Collective Creative Project for a Hyperpolitical Avantguard« verlangen – sind diese konkreten infrastrukturellen Forderungen den eher heterogenen Text- und Bildbeiträgen gemeinsam, die das im Internet frei downloadbare »Tester«-Buch versammelt. Die »Tester«-DVD, die die im Rahmen des Projekts diskutierten und produzierten Videobeiträge, Filme und netzbasierten Projekte von den mit den »Nodes« verbundenen lokalen Kunstszenen präsentiert, ist dem Buch nicht unähnlich strukturiert. Auch sie führt über die unterschiedlichsten Formate (unter anderem der Film »Black and White« von Klub Zwei, das Video »Gallery Dogs« von Diego Lama oder die Performance »Car Theft« von Robin Rhode) in einige entdeckenswerte virtuelle und reale Kunstlandschaften ein.

http://www.e-tester.net