Wien. »City of Women« stand mit großen Lettern auf zwei Stellwänden, die die Videoarbeiten, Diaprojektionen und Plakate von Stefanie Seibold in der Kunsthalle Exnergasse rahmten. Weiter hinten im abgedunkelten Raum befand sich eine ähnlich arrangierte, blackboxartige Stellwandinstallation, in der Penelope Georgiou zwei ihrer Filme sowie zwei Plakate präsentierte, wovon das eine auf eine ihrer Ausstellungen hinwies und das andere einen noch zu realisierenden Film ankündigte.
Die strikte räumliche Trennung der beiden künstlerischen Positionen im Ausstellungsraum war irritierend, war doch laut Pressetext eine »produktiv-konfrontative Werkschau zweier Künstlerinnen verschiedener Generationen« geplant, »die sich mit den Themen Performance, Theatralität, Experimentalfilm, Video, Installation, Improvisation etc. auseinandersetzen, und die trotz aller Gegensätzlichkeiten der einzelnen Arbeiten auch ihre verblüffenden Affinitäten aufzeigen« sollte.
Vor Ort vermittelte die Ausstellungsarchitektur jedoch viel weniger die Affinitäten, als dass sie auf einen Blick zu verstehen gab, dass man womöglich auch in einer »City of Woman« auf die unterschiedlichsten feministischen Positionierungen trifft: Denn während Stefanie Seibold in all ihren Arbeiten explizit auf eine feministische Kunst- und Theorietradition zurückgreift, präsentierte Penelope Georgiou ihren »Tierschutzfilm« – ein Werbeclip, der 1997 auch in den Kinos lief – und ihren neuesten Film »Sonate in A Dur«. In beiden Filmen mimt die gelernte Schauspielerin Georgiou mehrere Rollen und mit beiden Filmen lässt die Künstlerin die ZuschauerInnen seltsam ratlos zurück: Ein an David-Lynch-Filme erinnerndes Setting, in dem Georgiou einmal als Mann, dann als Frau und schließlich als Kind auftaucht, musste laut Titel irgendwie mit Tierschutz in Verbindung gebracht werden, und dem Film »Sonate in A Dur« lag mit Platons »Parmenides« ein abstrus wirkender Dialog über die Dialektik »des Einen« und »des Anderen« zugrunde. Georgiou selbst und ihr Lebensgefährte tauchen darin in drei verschiedenen Rollen auf, in denen sie in endlos wirkenden Wiederholungen über Sinn und Unsinn des Textes reflektieren.
Ähnlich wie in ihrem »Tierschutzfilm« sollte aber offenbar auch darin viel weniger der Inhalt als die durch die eigenwillige Performance und Inszenierung ausgelöste ZuschauerInnen-Verwirrung die eindimensionale Lesbarkeit medialer Botschaften und Repräsentationen in Richtung Vieldeutigkeit öffnen. Die Verschiebung fixierter Bedeutungsfelder, die Georgiou auf der Bildebene mit
einem Splitscreen forciert, ist auch eines jener Anliegen, das ihre Arbeiten mit denen Seibolds verbindet. Während Georgiou den Prozess der Bedeutungsproduktion in ihren Arbeiten jedoch keinesfalls abschließen will, stellt Seibold bekannte Zeichen, Gesten und Bilder in einen queer lesbischen Kontext, um sie jenseits der üblichen »heteronormativen« Lesart mit queeren Inhalten aufzuladen. Auf den Postern ihrer dreiteiligen Plakatserie »A Reader – A Visual Archive«, die wie eine Pinwand funktioniert, führt sie die unterschiedlichsten Bild- und Textquellen zusammen: Flyer von Lesbenbars, Titel von feministischen Büchern und Ausstellungen, Konzertkarten oder einfach nur Worte wie »cunt«, »role models« oder »play«. Dazwischen mischen sich Abbildungen von Caravaggio, eine Marmorstatue von Bernini, Ikonen der Schwulen- und Lesbenkultur von Hubert Fichte bis Missy Elliott oder aber auch zwei Gemälde von Holbein und Giorgione, die Seibold auf der rückseitigen Bildlegende als zwei ihrer Lieblingsbilder beschreibt. In der Ausstellung waren die Porträts der beiden selbstbewusst blickenden Frauen auch als großformatige Siebdrucke und im Rahmen der Diashow »Bilder/Vorbilder« präsent, die in Anlehnung an Aby Warburg der Archivierung der wichtigsten Gesten und Verhaltensweisen der »queer culture« galt.
Dass in ironisch gebrochener Form auch eine Zeile aus dem Song »Yesterday« von den Beatles lesbische Erfahrungen zu bestätigen vermag, stellte die Künstlerin mit der Performance »I am not half the man I used to be« unter Beweis. Ausgehend von einem Text von Mary Ann Doane über »The Woman´s Film of the 1940s«, in dem diese die (Un-)Möglichkeit eines »female gaze« diskutiert, schmettert die Performerin Tara Casey den ZuschauerInnen nicht nur ein Zitat aus dem theoretischen Text, sondern auch die geschlechtsspezifisch geprägte Konstitution ihres Blicks rappend entgegen. In Abkehr von monolithischen Zuschauerkonzepten verortet auch Seibold das Publikum in einem gesellschaftlichen Kontext, um dessen Beteiligung an der Bedeutungsproduktion aufzuzeigen: Von hinten zu sehen sind die ZuschauerInnen sowohl in dieser Arbeit als auch in dem Video »What you see is what you get«, das Szenen aus dem legendären Lesbenfilm »The Killing of Sister George« von Robert Aldrich neu montiert.
Penelope Georgiou ist trotz ihrer performativen Mittel und Wege, mit denen sie sich in die feministische Kunst einreihen ließe, von einer solch eindeutig queeren Positionierung weit entfernt; aber dass auch sie die Aufmerksamkeit auf die Lektüre lenkt, um potenziell subversive Bedeutungsproduktionen aufzuzeigen und ihrer Unzufriedenheit mit den herrschenden Regeln der Kunstwelt Ausdruck zu verleihen, wurde in der Werkschau der beiden Künstlerinnen ebenso deutlich wie der humorvolle Umgang mit der Heteronormativität die Arbeiten der beiden Künstlerinnen verband.