Fragen der ästhetischen und transdisziplinären Bildung durchziehen das Kunstfeld auf vielfältige Weise: Welche Wissensformen sind für die Gegenwartskunst maßgeblich? Wie bilden aktuelle Produktionen ihr Publikum? Welche pädagogischen Modelle werden dafür herangezogen? Welche Lernprozesse lassen sich, auch in globaler Hinsicht, von lokal situierten Praktiken anstoßen?
Das Sommerheft widmet sich dem dritten Leitmotiv der documenta 12 – »Was tun?« – und bringt damit eine Auseinandersetzung zum (vorläufigen) Abschluss, die schwerpunktmäßig vor drei Heften begonnen wurde. Waren es zunächst Fragen nach den spezifischen Topografien und ästhetischen Taktiken, die sich im Zuge der heute allgegenwärtigen Rückgriffe auf die Geschichte der Moderne abzeichnen, so gilt das aktuelle Interesse den besonderen Bildungsprozessen, die davon mit angeregt werden. »Lernen von …« meint in dieser Hinsicht mehr als eine beliebig aktualisierbare Rückbezüglichkeit, ja verwehrt sich gegen eine vorschnelle Festschreibung des nachzuholenden oder neu zu verabreichenden Bildungsgutes. Das genaue Objekt dieser Wissensvermittlung bleibt insofern unbestimmt als es stets auch von der Art des Zugriffs mitgeneriert und revaluiert wird.
In demokratiepolitischer Hinsicht lässt sich diese Form der Objektverschiebung bzw. Neugenerierung an vielerlei Symptomen ablesen. Jacques Rancière hat sie als grassierende Demokratieskepsis diagnostiziert, und im Interview legt er dar, welche unerwarteten Wendungen ein Lernen von den »demokratischen Exzessen« der Vergangenheit aktuell nehmen kann. Nicht nur gerät im Zuge dieser Revision jedes emanzipatorische Ansinnen zunehmend in Verruf, sondern es wird auf diese Weise auch jedes ernstzunehmende Politikverständnis sukzessive verabschiedet.
Irit Rogoff überlegt demgegenüber, welche Verschiebung im Begriff der Bildung selbst die gegenwärtigen Verhältnisse nahe legen. Weg von Marktgängigkeit, Verwertbarkeit und Effizienz, hin zu Aspekten wie Zugang, Dringlichkeit und Potenzialität – so nimmt sich Rogoffs Propädeutik einer neuen Wissenslehre in Zeiten instrumentellen Kreativdenkens aus. Indirekte Unterstützung findet sie im Beitrag von Beti Žerovc, die sich mit Ausbildungsprogrammen für KuratorInnen und deren verstärkter neoliberaler Verfasstheit beschäftigt.
Schließlich gehen zahlreiche Beiträge den konkreten Versprechungen eines »Lernens von …« nach. Ob am Beispiel der Debatte um Mahnmale für vergangene und gegenwärtige Kriege (Tony Chakar), des künstlerischen Umgangs mit Nationalsozialismus und Vernichtung (Susanne Neuburger, Hedwig Saxenhuber) oder anhand der Nachwirkungen ehemaliger kulturrevolutionärer Anliegen (Nicolas Siepen, Benjamin Paul, Christa Benzer) – stets schiebt sich die Frage in den Mittelpunkt, welche Form von Aktualisierung und welche spezifische Widerständigkeit der Rückgriff auf die Vergangenheit nach sich zieht.
Damit schließt sich ein thematischer Kreis, ohne dass die Offenheit dieses Lernens zu einem Abschluss gebracht oder seine Fluchtpunkte ein für allemal determiniert wären.