Debatten über den Status »nicht-einheimischer« Personen und Bevölkerungsgruppen haben jüngst wieder an Brisanz gewonnen. Nicht nur in Forderungen nach einer juridischen Sonderbehandlung einzelner von der gegenwärtigen Abschiebepraxis Betroffener kommt dies zum Ausdruck, sondern auch in allgemeinen Diskussionen über den Zuschnitt des so genannten »Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes«, kurz Fremdenrecht genannt. Darüber hinaus wirken aber auch größere politische Ansinnen, etwa was die Installation eines über-nationalen, europaweiten Grenzmanagements betrifft, maßgeblich in diese Debatte mit hinein. Gleichzeitig – und dies ist die zivilgesellschaftliche Kehrseite der Auseinandersetzung – erscheinen Fragen von kultureller Zugehörigkeit, nationaler Identität oder eine zeitgemäße Konzeption von (Staats-)Bürgerschaft ungeklärter denn je.
Die Ausgabe »Fremdenrecht« geht einzelnen Themensträngen dieser Debatten nach und fragt nach ihren theoretischen und kulturellen Implikationen. Sehen wir uns wirklich, wie Etienne Balibar dies diagnostiziert, mit einer Rückkehr des Konzepts »Rasse« konfrontiert – einer Rückkehr, die nicht mehr an biologischen Kategorien, dafür aber an einer ganzen Reihe kultureller Symptomatiken festmachbar ist? Balibars Analyse ist insofern aufschlussreich, als sie die Figur des »rassisch« markierten Fremden nicht als Gegenstand eines neu entfachten, losgelösten oder für sich stehenden Rassismus begreift, sondern sie an die Kategorien Klasse, Geschlecht und Religion rückgebunden sieht. Die Berücksichtigung dieser Aspekte scheint auch zentral auf dem Spiel zu stehen, wenn es um Fragen der Darstellbarkeit von Gemeinschaft und der davon Ausgeschlossenen geht. Krystian Woznicki geht dieser Problematik anhand zweier Fotografien nach, die im Zusammenhang mit Aktivitäten der Sans-papiers-Bewegung in Frankreich entstanden. Nicht die Realität des Ausgeschlossenseins steht dabei zur Disposition, sondern vielmehr – gleichsam als blinder Fleck aller Gemeinschaftlichkeit – der Blick auf das von allen Geteilte, so ungewiss und prekär es im Einzelfall auch erscheinen mag.
Gemeinschaftlichkeit als Universalität im Sinne des »globalisierten« Kunstsystems nehmen Alice Creischer und Andreas Siekmann in ihrem Beitrag in Augenschein. Im Hinblick auf den aktuellen Kunstboom in den Vereinigten Arabischen Emiraten differenzieren sie zwischen einer legitimen Geltendmachung des Menschenrechts-Universalismus und einer in der globalisierten Kunst immer häufiger anzutreffenden Schein-Universalität. Wie gebrochen und facettenreich dagegen der künstlerische Umgang mit minoritären Bevölkerungsgruppen innerhalb eines bestimmten nationalen Rahmens ausfallen kann, legt Süreyyya Evren in seinem Essay über die gegenwärtige türkische Szene dar. Nicht nur kommt hier eine Kritik an allzu orthodoxen Repräsentationsmustern zum Tragen, sondern auch eine inventive Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Kontrollmechanismen.
Dieser und andere Heftbeiträge mehr legen ihr Augenmerk auf eine Problematik, die noch auf unabsehbare Zeit virulent bleiben wird: ob und wie die aktuelle Kunst, entlang und entgegen gängiger politischer Ideen, mit der Figur des/der Fremden umzugehen imstande ist.