Heft 1/2009


Art on Demand

Editorial


Der Kunstmarktboom der letzten Jahre hat, bevor noch erste Anzeichen der weltweiten Finanzkrise auf diesen Bereich überzugreifen drohten, zu einer Reihe von virulenten Fragen geführt. Nicht nur, was den Kult- und Fetischcharakter von künstlerischer Ware betrifft, sondern auch hinsichtlich der immer umfassenderen Funktionalität von Kunst scheinen diese Fragen über rein ökonomische Erwägungen hinauszuführen. Wie kommt es etwa, dass Kunst- und Kulturproduktion heute in vielerlei Lebens- und Sozialbereichen geradezu wie ein Allheilmittel betrachtet wird? Wie, dass der Kunst nicht nur die Rolle eines vermeintlich interesselosen Behübschungsinstruments, öffentlich wie privat, zukommt, sondern dass auch ihr kritisches Potenzial zunehmend Verwertungsinteressen ausgesetzt ist? Wie schließlich unterscheiden sich klassische Auftraggeber der Moderne – Museen, Ausstellungshäuser, Biennalen, Kunstvereine – von den oligarchischen Gefügen, die gegenwärtig verstärkt Einzug in den Kunstbetrieb halten?
»Art on Demand« fragt nach den vielfältigen Interessenstrukturen hinter der allseitigen Kunstvalidierung, wie sie heute beobachtbar ist. Der Idee der Freiheit, sowohl was den Schaffens-, Verteilungs- als auch Rezeptionsprozess betrifft, kommt dabei immer noch eine zentrale Rolle zu. Beti Zerovc unterzieht in ihrem Beitrag das Konzept der im Ästhetischen manifesten (oder darin vermuteten) Freiheit einer kritischen Analyse, nicht zuletzt im Hinblick darauf, wie dieses Ideologem, das selbst in »kritischsten« Arbeiten am Werk zu sein scheint, gegenwärtigen globalkapitalistischen Verhältnissen in die Hände spielt. Ähnlich gelagert ist der Ausgangpunkt von Alessandro Ludovicos Überlegungen zu Markt-, Wert- und Preisaspekten, wobei die Idee eines uneingeschränkten Handelsplatzes heute immer noch ein entscheidendes Kriterium für die freie Kunstentfaltung bildet, während eine Produktion »jenseits des Marktes« schwer vorstellbar ist.
Zwei besondere geografische Schlaglichter sind in diesem Zusammenhang auf Asien und Afrika gerichtet. Anna Schneider geht in ihrer vergleichenden Studie über die Biennalen von Gwangju und Shanghai den unterschiedlichen Kontextualisierungsformen und politischen Einbettungen der beiden letztjährigen Großveranstaltungen im Zuge des asiatischen Biennalebooms nach. Den notorischen Problemen, Kunst aus afrikanischen Ländern auf eine globale Bühne zu hieven, ohne dabei allzu »verwestlichenden« Tendenzen zu erliegen, widmen sich Khwezi Gule und Sharlene Khan aus ergänzenden Blickwinkeln. Die Fallen, die sich rund um sogenannte »Supermarktkuratorenschaft« und eine (gewollte oder ungewollte) »Gatekeeping-Mentalität« auftun, weisen die Validierung der davon betroffenen Kunst in den Schranken fortgesetzter Fremdrepräsentation. Eine Reportage vor Ort, in der immer lebendiger werdenden Szene der libyschen Hauptstadt Tripolis, lässt erkennen, welchen lokalen Anforderungen und situationsspezifischen Bedingungen eine aufkeimende Produktion unterworfen ist, was den westlichen Blick häufig ins Leere schweifen lässt oder auf seine eigenen blinden Flecken zurückverweist.
»Art on Demand« geht darüber hinaus aber auch den Möglichkeiten nicht-instrumenteller Vertriebs- und Rezeptionsstrukturen nach. Wie es um »nicht-sammelbare« Kunst, in diesem Fall ein kunstmarktkritisches australisches Projekt, bestellt ist, kommt ebenso zur Sprache wie das wiederentdeckte Werk des – gleichfalls schwer sammelbaren – polnischen Künstlers Pawel Freisler. Dass dessen zentrale Arbeiten sich um nicht-wiederholbare Aktionen, fabrizierte Legendenbildungen und undokumentierte Galeristentätigkeiten drehten, belegt mit Nachdruck, welch kontingenten Umständen eine Kunst, die partout nicht einem »Demand« nachkommen will, meist ausgesetzt ist.