Wien. Ins Wien der 1950er Jahre führt die Gegenwartskunst eher selten zurück, und wenn, dann meist auf eine, die »heile Welt« des Nachkriegsjahrzehnts entlarvende Weise. Der aktuelle »Dialog« ist ambivalenter, hat aber auch einen besonderen Anlass: 1959 wurde das von Oswald Haerdtl geplante Historische Museum der Stadt Wien eröffnet, das bis in die 1990er Jahre der einzige österreichische Museumsneubau blieb. Für Wolfgang Kos, Direktor des nunmehrigen Wien Museums, spiegelt der Bau insofern ein Spezifikum des Jahrzehnts, als dass seine nüchterne Architektur beispielhaft für jene »moderate Moderne« steht, die in den »Zeiten des Wiederaufbaus Verlässlichkeit und Anpassung über das Risiko und den Mut zur Radikalität« stellte. Obwohl die Innenausstattung den Anforderungen eines modernen Museums kaum noch entspricht, wird die ins Detail gehende Qualität der Einrichtung jedoch immer wieder betont.
Dass sich nur drei der insgesamt 22 ausgewählten künstlerischen Projekte im Außenraum befinden, hat mit dieser Bewertung der Museumsarchitektur allerdings wenig zu tun – es sei denn, man versteht die überdimensionale Nachbildung eines Stiegengeländers aus dem zweiten Stock des Museums von Werner Feiersinger als einen architektonischen Marker, der dem ansonsten eher unscheinbaren Museumsvorplatz mehr Aufmerksamkeit verleiht.
Der programmatischen Ausweitung des Museums, das Wolfgang Kos 2003 in Wien Museum umbenannt hat, setzt Roman Ondák auf dem Dach des Hauses noch eines drauf: In der für den Künstler typisch subtilen Manier hat er das drei Meter hohe Logo »Wien Museum« auf »Ein Museum« verknappt und mit dessen Unbestimmtheit noch mehr Platz für eine Neuausrichtung geschaffen.
Von außen betrachtet bleibt die Fassade ansonsten intakt, auch wenn die Arbeit von Andreas Fogarasi genau dort, wo den BesucherInnen ansonsten nichts mehr in den Weg gelegt wird, ein wenig stachelt: Direkt vor dem Eingang ins Museum platziert steht sein Rhombus aus Adneter Tropf, einem Marmorstein, den Haerdtl auch für das Museumsfoyer verwendet hat. Formal ist das Objekt an das Renault-Logo angelehnt, das wiederum auf einen Entwurf von Victor Vasarely zurückgeht; im Rückgriff auf diese Formensprache, die den Anspruch auf universelle Gültigkeit hatte, hebt Fogarasi die Qualität des Details vor dem Ganzen hervor. Mit der Architektur des Gebäudes korrespondiert dieser Ansatz sehr schön, werden doch auch die von Oswald Haerdtl entworfenen Details wie das Stiegenhaus, der Boden, das Kassahäuschen (Heimo Zobernig hat ihm einen weißen Sockel verpasst) oder die Einrichtung des Direktorenzimmers gelobt.
In Letzteres führt eine Arbeit von Jakob Kolding, der mit seinen kleinteiligen Collagen die Repräsentationslogik des Raumes gelungen herunterbricht: Unter dem Titel »Looking back at the hopes of the future« montiert er Archivbilder von der Erbauung des Museums mit anderen Raum- und Zeitebenen zusammen, die auf Brüche und Leerstellen der modernistischen Historie verweisen, aber auch sehr deutlich zeigen, dass man den »Wiederaufbau« ausschließlich unter Männern verhandelt hat.
Monica Bonvicini setzt dieser Tatsache die vielleicht radikalste, aber auch brachialste Geste entgegen, wenn sie mit ihrem Video einfach für ein Abreißen der von Männern geplanten Grundfesten plädiert, während Sofie Thorsen mit Hermine Aichenegg auf eine der wenigen Architektinnen jener Zeit referiert: An einer Wand im Atrium des Museums führt nun ein mit Buntstiften sehr zart gemaltes Sgraffito, mit dem Hermine Aichenegg in den 1950er Jahren die Fassade eines Wiener Gemeindebaus gestaltet hat, bis hinauf zu der massiven Glaskonstruktion, mit der man im Jahr 2000 den vorher offenen Hof überdachte.
Vorsichtiger als dieser eher unglückliche, späte architektonische Eingriff intervenieren die versammelten künstlerischen Projekte in die bestehende Substanz: Gerwald Rockenschaub lässt im Foyer rote Punkte auf einem seit den 1990er Jahren ohnehin zur Ausstattung gehörenden Informationsscreen tanzen, Adrien Tirtiaux entlarvt mit einer sorgsam geknickten Museumsstellwand die prinzipielle Ausstellungsuntauglichkeit der Architektur und Igor Eškinja kontrastiert den soliden Bau mit einer ornamentalen, feinen Bodenarbeit aus Staub.
Letzterer bleibt in der Ausstellung aber nicht der Einzige, der die Moderne mit ihrer verbrannten Erde konfrontiert: Im oberen Stockwerk befindet sich ein Modell von Szymon Kobylarz, der die Nachahmung von Le Corbusiers Unités d’Habitation in Polen als ein heruntergekommenes Objekt präsentiert, während Dorit Margreiter über den fallenden Marktwert eines Victor-Gruen-Hauses das Desinteresse am modernistischen Wohnen in Los Angeles thematisiert. Wie viele andere Objekte der Schau machen ihre Zeitungsannoncen aber noch weitere Erzählstränge auf, stand Haerdtl doch noch lange in Kontakt mit seinem ehemaligen Kollegen Victor Gruen, der nach der Vertreibung durch die Nazis seine Ideen in Los Angeles realisierte.
Was sich zwischenzeitlich in Österreich abspielte, stellt sich angesichts der »Sondermodelle« von Oliver Croy und Oliver Elser nicht unbedingt glorreich dar: Es handelt sich dabei um 387 Modellhäuser aus dem Nachlass eines Versicherungsbeamten, der die für die Jahre typische, österreichische Bauweise akribisch nachgebaut hat. »Ganz Österreich wurde zur permanenten Peripherie«, lautet das Fazit von Croy und Elser, die mit ihrer Entdeckung inzwischen die kulturhistorische Sammlung des Museums bereichern.
Ob zukünftige Generationen die Sicht auf die Modelle ebenfalls zurechtrücken müssen, bleibt zu erwarten; im Raum »Wien 1500 bis 1815« hat Christian Philipp Müller die aristokratischen Ausstellungsstücke jedenfalls durch ein bodenständigeres Fremdbild ergänzt: 1955 für eine Ausstellung vom »United States Information Service« entstanden zeigen seine kopierten Fotografien bäuerliche Landszenen, die damals Österreich repräsentierten.
Ingesamt wird mit den durch die Beiträge sehr gelungen verschobenen Repräsentations- und Rezeptionsebenen ein spannender Begriff von Geschichte vermittelt, die Pia Lanzinger gleich in die Form einer Fernsehsendung verpackte: In ihrem Video »New German Washout« werden die Charakteristika der Wiederaufbaujahre zwar entlang der Erzählungen von BewohnerInnen der Volkswagenstadt Wolfsburg skizziert – die Konzentration auf Auto, Waschmaschine und Fernseher fügt der feierlichen Nabelschau auf die österreichische Design-, Kunst- und Architekturgeschichte aber dennoch ein nicht ganz unwesentliches Stück Alltag hinzu.