Medien- und spartenübergreifende Ansätze sind seit den 1960er-Jahren nicht mehr aus der Kunst wegzudenken. Skulptur, Klang, Film, Theater, Performance und vieles mehr sind seither mit Ansätzen aus der bildenden Kunst unterschiedlichste Fusionen eingegangen. In letzter Zeit haben derlei Formen von »Intermedialität« auf der Grundlage neuer Kreativitäts- und Vermittlungsideen zusätzlichen Auftrieb erhalten. Ein erweitertes, entlegenste Bereiche miteinander kurzschließendes Produzieren ist, überspitzt formuliert, an die Stelle medienspezifischen Arbeitens getreten. »Interkreativität«, ein zwischen den Einzeldisziplinen angesiedeltes Werk- und Arbeitsparadigma, hat traditionelle fachspezifische Kreativitätsmodelle abzulösen begonnen.
Das Heft »Intermedia 2.0«, das in Kooperation mit der Wiener Förderinitiative departure entstand, fragt nach den Potenzialen solcher erweiterter Medien- und Kreativitätskonzepte. Ausgangspunkt sind ausgewählte Beiträge zu der Mitte März 2010 abgehaltenen Veranstaltung »Quer – Symposium und Labor für Interkreativität«, bei der eine Reihe von internationalen TheoretikerInnen, aber auch PraktikerInnen aus unterschiedlichsten Sparten den aktuellen Mischungstendenzen in den Künsten nachgingen. Diedrich Diederichsen etwa wirft in seinem Essay einen kritischen Blick auf die periodisch aufflammenden Auseinandersetzungen rund um das Regietheater und bringt diese in Zusammenhang mit dem Tendieren vieler GegenwartskünstlerInnen zur großen Form der Oper und den dahinter sich manifestierenden Bürgerlichkeitsvorstellungen. Christian von Borries, selbst Praktiker im Bereich neuerer klassischer Musik und der damit einhergehenden Mischformen, lässt eine Reihe von Projekten Revue passieren und bietet eine politische Lesart der darin stets aufs Neue auszutarierenden Ton- und Bildanteile an.
Den Sperrigkeiten und Widerständen, die sich beim Kurzschließen unterschiedlicher Disziplinen häufig auftun, widmen sich zahlreiche weitere Beiträge. Der Künstler Markus Schinwald erläutert, was ihn einerseits an so kunstaffinen Bereichen wie Mode, Tanz und Schauspiel fasziniert, andererseits aber immer auch die Eigengesetzlichkeit der Kunst auf den Plan treten lässt. Jasper Sharp unternimmt ein großflächiges Mapping der weiterhin virulenten, nicht zur Ruhe kommenden Kollaborationen zwischen KünstlerInnen und PratikerInnen anderer Disziplinen (beispielsweise ArchitektInnen), wobei er vor allem die Fragilität und Vergänglichkeit von derlei Zusammenarbeit in den Blick nimmt. Anne Hilde Neset schließlich befasst sich mit der Frage, warum sich auf bildende Kunst spezialisierte Institutionen nach wie vor mit musikbezogenen Kunstformen so schwertun.
Umgekehrt erbringt Barbara Lesák anhand von Friedrich Kiesler den historischen Nachweis, dass die Barrieren zwischen Kunst, Design, Architektur und Bühne längst erodiert sind – vor allem dort, wo das Transgressionsansinnen immer schon ebenso kühn wie selbstredend auf der Hand lag. Aktuelle Überschreitungs- oder besser Erweiterungsbestrebungen verfolgen zwei Projekte, die ebenfalls auf den folgenden Seiten zur (obgleich eingeschränkten) Darstellung kommen: Beim »lied lab 2010: hugo wolf festival« versuchten sich mehrere der digitalen Kultur entstammende VisualistInnen an der bildlichen Umsetzung von live dargebotenen klassischen Kunstliedern; beim »literatur lab – Vom Hörbuch zum Sehbuch« geschah Vergleichbares im Zuge von SchriftstellerInnenlesungen. Wie zwingend damit zeitgemäßes interkreatives Arbeiten unter Beweis gestellt wird, ist auf den Seiten eines Magazins nur bedingt reproduzierbar, wird dafür aber von vielerlei analytischen, einander ergänzenden Blickwinkeln beleuchtet. Dass damit neue, vorwiegend elektronische Pforten aufgestoßen werden, die in noch wenig erforschte Begegnungsräume führen, daran lassen die vorgeführten medialen Überlagerungen kaum Zweifel aufkommen.