Editorial
Maschinen und Apparate scheinen uns fest im Griff zu haben. Selbst die Freiheiten, die wir zu genießen vermeinen, beruhen zu einem guten Teil auf maschinellen Vorrichtungen – egal, wie viel Kontrolle wir über sie auszuüben glauben. Immer neue Gadgets bis hin zu apparativen Prozessen durchdringen unseren Alltag – vielfach auch ohne unser explizites Bewusstsein davon. Etwas übertrieben lässt sich sogar behaupten, dass Innovation und Fortschritt heute allenfalls auf technologischem Gebiet stattfinden. Sozial, politisch, aber auch künstlerisch hingegen mehren sich die Anzeichen, dass in erster Linie, und das mit schwankendem Erfolg, ein zweifelhafter Ist-Zustand verwaltet wird. Ein Status quo, der hochgradig maschinellen Logiken und Verfahrensweisen unterworfen ist.
Jedenfalls arbeiten die Novitäten- und Entwicklungslabors der Großkonzerne auf Hochtouren, um den Techno-Kapitalismus mit immer neuen Geräten und Apparaturen zu speisen. Vor allem im militärischen und sicherheitspolitischen, aber auch im informationstechnologischen und unterhaltungsindustriellen Bereich wird so eine Art Weltmotor am Laufen gehalten, der auf vielfache Weise kulturelle und soziale Zusammenhänge mitantreibt und -steuert.
Die vorliegende Ausgabe widmet sich den sichtbaren Symptomen dieser Wirklichkeit gewordenen, jedoch oft nur schwer fassbaren Allgegenwart des Maschinellen. Timothy Druckrey, der sich lange Zeit schon mit der Wirkungsweise „medialer Dispositive“ befasst, geht in seinem Beitrag einem spezifischen Aspekt dieser Allgegenwart nach: nämlich der immer undurchdringlicheren Flachheit, die uns der Umgang mit Hightech und medialen Apparaturen geradezu aufzwingt. Ob dies einer Verschwörung gleichkommt oder nur die gerade aktuelle Ausprägung des „maschinischen Unbewussten“ ist, bleibt dabei offen. Anne Querrien und Anne Sauvargnagues beschäftigen sich mit Letzterem und fragen (im Anschluss an Félix Guattari), inwiefern ein bestimmtes Nicht-Funktionieren, ja das Scheitern als wesentlicher Teil des Maschinendenkens zu verstehen ist. Schließlich ist das möglichst reibungslose, ungebrochene Funktionieren bloß das Ideal einer weltbeherrschenden Technologiefantasie, dem sich das störrische Unbewusste der Menschen womöglich nicht so einfach fügt.
Den großteils unbewussten Facetten der aktuell sich ausbreitenden Machtkybernetik geht auch Matteo Pasquinelli in seinem Essay nach. Waren die Maschinen des Industriezeitalters auf gewisse Weise stets auch informationsverarbeitende Maschine, so stehen wir heute laut Pasquinelli tatsächlich an einer historischen Schwelle: nicht mehr Information, sprich Daten werden primär verarbeitet (und damit der Produktionsprozess vorangetrieben), sondern „Daten über Daten“, sogenannte Metadaten – was sich in der gigantischen Sammelpraxis von sozialen Netzwerken bis hin zu den immer monströseren Überwachungsvorrichtungen auf der ganzen Welt zeigt. Wie tragfähig eine darauf aufbauende Wissensökonomie, Schlüsselbegriff des von Silicon Valley ausstrahlenden Infokapitalismus, ist, lässt sich nur schwer antizipieren. Marxistische Querdenker wie der italienische Ingenieur Amadeo Bordiga haben jedoch – punktuell, aber beharrlich – immer schon davor gewarnt, Technologie und Fortschritt vorschnell in eins zu setzen. Felix Klopotek rekapituliert in seinem Beitrag das Denken dieses heute weitgehend vergessenen Renegaten. Wohlgemerkt scheint die Option, sich technologischer Innovation einfach zu verschließen, nicht mehr ohne Weiteres gangbar – unterwirft man sich dadurch doch a priori einem immer lückenloseren Macht- und Technologiegefüge.
Eine der jüngsten (und perfidesten) Auswüchse dieses Gefüges sind die vor allem militärisch genutzten Drohnen. Herwig Höller umreißt das langsam erwachende kritische Interesse an den ferngesteuerten Tötungswerkzeugen, die vor allem vonseiten der USA in den letzten zehn Jahren massenhaft eingesetzt wurden. Auch auf künstlerischer Seite scheint sich eine erhöhte Aufmerksamkeit in diese Richtung zu entwickeln, und Trevor Paglens seit Jahren verfolgtes „Drohnenprojekt“ steht hier als Beispiel einer subtileren Annäherung an ein (militärisches) Phänomen, das sich der Sichtbarkeit und dem Bewusstsein der Öffentlichkeit weitgehend entzieht. So lassen Paglens Fotografien absichtlich in Schwebe, was genau zu sehen ist am Himmel, der jenseits unserer Wahrnehmungsschwelle längst von hochgerüsteter High-End-Technologie okkupiert ist.
Auch der den Kernteil dieser Ausgabe eröffnende Beitrag geht von komplexeren Verhältnissen zwischen Mensch und Apparaten aus. Tanja Widmann reinszeniert hier einen Teil ihres Ausstellungsprojekts eine von euch, worin sie das Feld der Primaten- bzw. Menschenaffenforschung mit technologischen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen verknüpft. Anhand simpel und reduziert wirkender Gerätschaften, die als Zähmungs- wie auch Stimulierungswerkzeuge dienen können, wird ein recht grundlegendes „maschinisches Denken“ exponiert, das von einer reichhaltigen Zitatcollage durchsetzt ist.
Beispielhaft wird daran – so wie in vielen weiteren Beiträgen – ersichtlich, dass das in dieser Ausgabe umrissene Szenario gleichwohl reflexive Verwendungsweisen zulässt. Mögen Apparat(e) und Ideologie auch immer weniger voneinander trennbar sein – jeglicher kritische Spielraum ist damit längst nicht verbaut.