Heft 4/2013 - Artscribe
St. Pölten. Mit 4D sind Wert und Währung der Briefmarke angegeben, auf der die Künstlerinnen Ona B., Evelyne Egerer, Birgit Jürgenssen (1949–2003) und Ingeborg Strobl sich im Jahr 1989 ein (durchaus wörtlich zu nehmendes) „postmodernes Profil“ zulegten, eine semiotisch gewitzte Kombination zwischen Jugendstilwelle und Wella-Logo, eines nicht weniger kapitalträchtig als das andere. Am Stempel, mit dem die Marke postalisch versehen wurde, erschien erstmals der Name DIE DAMEN für die Vierergruppe, die für ihre Aktion der ironisch-bürokratischen Selbstvermarktung unter dem Titel „postmodern“ die seit 1986 zu neuem Glanz erstrahlte Secession für einen Abend in ein Postamt umfunktionierte, um dort als „Postfräuleins“ mit weißem Hemd, Krawatte und Brille unter dem Ansturm des enthusiasmierten Publikums ihre Schalterarbeit, den Verkauf der Marke, zu verrichten.
In der von den Künstlerinnen selbst gestalteten Ausstellung DIE DAMEN in der ZEIT KUNST NIEDERÖSTERREICH lässt sich die vielschichtige, von Ideen sprühende, zugleich äußerst präzise Arbeit der Gruppe spannend und unterhaltsam nachvollziehen. Mit Fotos ihrer Inszenierungen, mit Texten, Objekten, Gewändern und einer Reihe von Videos gelingt eine umfassende Rückschau in die diversen Aktionen und Produktionen der DAMEN; ein ausführlicher Katalog gibt zusätzliche wertvolle Information.
DIE DAMEN trieben ihr subversives Spiel nicht allein mit den sozialen Konnotationen der künstlerischen Formen, sondern ganz allgemein mit jenen des kulturellen und ökonomischen Felds der Konsum- und Mediengesellschaft, in das sie sich als gleichsam nomadische Figuren einschleusten, um dieses Feld mit ästhetischer Intelligenz und konzeptueller Erfindungsgabe künstlerisch-performativ zu bearbeiten. In den 1980er-Jahren hatten der ökonomische Aufschwung und die kulturpolitische Liberalisierung (die sich vielfach den emanzipatorischen Initiativen verschiedener Gruppen aus dem Jahrzehnt vorher verdankte) die Gesellschaft offener und durchlässiger gemacht, was umgehend auch von der kommerziellen Verwertungslogik vereinnahmt wurde. An den männlich dominierten Machtstrukturen hatte sich wenig geändert; der „Zeitgeist“, damals ein Modewort, stand unter männlichem Vorzeichen; auch wenn die Künstlerinnen so aktiv und zahlreich waren wie nie zuvor, die „Kreativen“ waren die Männer, in der Kunst gleichermaßen wie in dem nun boomenden Genre der Werbung. DIE DAMEN positionierten sich scheinbar affirmativ an dem ihnen zugewiesenen Ort, um von dort aus ihre Aktionen zu starten. Durchaus selbstreflexiv machten sie sich zu den Protagonistinnen unterschiedlicher kunst- und kulturspezifischer Rituale und Szenarien, was jeweils auch mit sich brachte, dass die ganz alltäglichen, oft genug verdeckten Konventionen der Geschlechterordnung ins Licht gerückt wurden. DIE DAMEN arbeiteten mit einem stringenten Konzept, das sie mit viel künstlerischem Eros, Humor und unterhaltenden Elementen umsetzten, und – was hervorzuheben ist – niemals in der Pose, einen vermeintlich korrekten Standpunkt für sich beanspruchen zu können. Mit „tongue-in-cheek“ und sicherlich auch dank eines „Attraktive-Frauen“-Bonus kooperierten DIE DAMEN mit der Werbewirtschaft, die, selbst nicht unwitzig, bei dem Deal, dessen Ergebnis dann nicht unbedingt ihren stilistischen Normen entsprach, mitmachte; die politischen Statements der Künstlerinnen waren scheinbar unernst und unterliefen dennoch bestimmte Übereinkünfte der öffentlichen Debatte. So posierten sie mit komisch-resignativen Katzenmasken für ein bezahltes Wahlinserat in der politisch-kritischen, ziemlich männerlastigen Stadtzeitung mit dem doppelzüngigen Slogan „Wählen Sie die Mehrheit“ (1991). Die Kunstministerin, die zu einem, wie sich dann herausstellen sollte, Scheinempfang anlässlich der Verleihung eines fiktiven türkischen Preises an DIE DAMEN in den VIP-Raum des Flughafens gekommen war (1990), bewies ebenfalls Humor, spielte ihre Rolle und bereicherte den performativen Status ihres Amts um eine neue Facette.
Mit ihren Strategien der Appropriation und Usurpation, des Paradoxen und des Fakes, die ihre performativen Inszenierungen von Alltagsituationen und -riten kennzeichnen und für deren fotografische Umsetzung Leo Kandl und vornehmlich Wolfgang Woessner kongenial mit ihnen zusammenarbeiteten, haben DIE DAMEN viele Ideen und Konzepte der nachfolgenden Dekaden vorweggenommen. Ihre erweiterte Institutionskritik nahm den Kunstmarkt wie die Kunstmagazine nicht weniger ins Visier wie das Kuratorentum, indem sie sich z.B. bei einer Ausstellung in Moskau von einer Wahrsagerin vertreten ließen (1994) oder polemisch den Namen des Staatskurators für ihre Fleck-Aktion (1992) nützten. Sie entdeckten das Exotische in Wien für sich wie den türkischen Teppichladen oder den Japanischen Garten und sie eigneten sich das männlich besetzte Genre des Reisens als Kunstform an. Und schließlich bewirkte der Eintritt von Lawrence Weiner, der als hybride vierte DAME an die Stelle von Ingeborg Strobl trat, die sich 1992 aus der Gruppe zurückgezogen hatte, eine gewisse Irritation bei der Frage der Genderzugehörigkeit. Was am Projekt der DAMEN besonders beeindruckt, sind die unakademische, scheinbare Leichtigkeit und das Unprätentiöse, nicht Spekulative ihrer Aktionen, in denen die vier Künstlerinnen ihr vielschichtiges und sensibles Wissen um die Dinge ihrem Publikum nahebrachten.