Heft 1/2014 - Artscribe
Wien. Es gibt das Moment der Verunsicherung – schließlich lässt schon der Titel erahnen, dass die in der Ausstellung versammelten Positionen nicht nur das Konzept der AutorInnenschaft unterlaufen, sondern dass auch die Trennung zwischen Realität und Fiktion außer Kraft gesetzt wird.
Dieser Annahme beinahe zum Trotz sitzt man im ersten Raum allerdings vor einer komplett fiktionsfreien, sehr nüchternen Videoarbeit: Zu sehen sind vier junge „Kreative“, die in einer sehr stilisierten, aber nur allzu bekannten Sprache die Bedingungen ihrer Zusammenarbeit besprechen. Es geht um Wünsche und Ideale, ist insgesamt aber viel weniger auf etwas Gemeinsames als auf die eigene Positionierung innerhalb der Gruppe bedacht.
In dem zehnminütigen Video Der vereinbarte Tag (2011) von Barbara Kapusta lösen sich damit Fragen der AutorInnenschaft zwar keinesfalls auf, aber dafür kommt die Thematik in der Gegenwart an, in der der individuelle Leistungsdruck der kollektiven AutorInnenschaft scharf gegenübersteht.
Davon ausgehend, dass die mit dem „Tod des Autors“ zusammenhängenden Themen nichts an Aktualität eingebüßt haben, haben Georgia Holz und Claudia Slanar mehr als 20 von KünstlerInnen erfundene Pseudonyme, Alter Egos und Biografien versammelt, mit denen zum Teil zwar noch immer an ähnlichen Fragen, zum Teil aber auch an gänzlich neuen Problemen gearbeitet wird: Zu Letzteren gehört etwa auch der in den ehemals sozialistischen Ländern erstarkende Nationalismus, der von der Künstlergruppe Janez Janša torpediert wird. Völlig legal haben im Jahr 2007 gleich drei Künstler den Namen des damaligen konservativen slowenischen Ministerpräsidenten angenommen und damit nicht nur eine geniale symbolische Persönlichkeitsspaltung bewirkt. Teil des Projekts waren vielmehr von Anfang an auch gültige Ausweise und Kreditkarten, mit denen mithilfe von Slogans wie „I love Germany“ oder „I love Ausverkauf“ die EU-Finanzpolitik kritisiert werden.
Trotz ihrer Bemühungen um Legalität gibt es bei Janez Janša ein anarchistisches Motiv, das ganz offensichtlich auch den israelischen Künstler Roee Rosen antreibt: The Buried Alive Group heißt ein von ihm erfundenes Kollektiv, das der Fiktion nach ein nach Tel Aviv emigrierter, russischer Dichter gegründet hat. In der Ausstellung wird ein Video präsentiert, das im Stil der Befreiungsarmeen der 1970er-Jahre drei Leute mit Masken und einen Gefangenen zeigt. Während sich Rosen mit dem Video einen dem Titel der Arbeit entsprechenden, eher kruden Historical Joke erlaubt, wirft die von ihm ebenfalls erfundene Figur Justine Frank in der Ausstellung das konzentrierteste Thema auf: Zu sehen sind zum Teil im Stil von Rorschachtests gemalte, surreale Porträts der „jüdisch belgischen Künstlerin“, die Rosen mit ihrem spannenden Werk in die Kunstgeschichte hineinreklamiert.
Carola Dertnig hatte im österreichischen Kontext mit Lora Sana eine ganz ähnliche „Rekanonisierung“ im Sinn: Ihre halbfiktionale Figur basiert auf Interviews mit den beiden „Aktionistinnen“ Anni Brus und Hanel Koeck sowie auf collagierten Fotografien, aus denen die Künstlerin ein potenziell durchaus mögliches Aktionistinnenleben herausdestilliert. In der Ausstellung werden ihre Arbeiten in jenem Teil präsentiert, den man dem „Parafiktionalen“ gewidmet hat. Die Kunsthistorikerin Carrie Lambert-Beatty versteht darunter Fiktionen, in denen man reale Personen und Fakten mit fiktionalen verquickt, um historische Leerstellen zu besetzen: Im Falle von Ronda Zheng war es jedoch kein blinder Fleck der Geschichte. Vielmehr haben die beiden Künstlerinnen Ricarda Denzer und Isa Rosenberger mit der von ihnen erfundenen Kunstfigur in den 1990er-Jahren ganz konkret auf die Benachteiligung zeitgenössischer Künstlerinnen aufmerksam gemacht: Man lanciert Gerüchte über Ausstellungsbeteiligungen von Ronda Zheng und ließ sich die Zukunft aus der Hand lesen, tauchte selbst im Kunstbetrieb aber ebenso wenig auf wie die junge Kollegin Super Véro, die im xhibit mit zwei potenten Ausstellungsplakaten vertreten, selbst aber auch nie anwesend ist.
Während die im Hauptraum eigentlich sehr schön verdichtete, feministische Aufladung der (Kunst-)Geschichte durch die Beiträge von Mathilde ter Hejne oder Mario Garcia Torres etwas aus dem Fokus gerät, sieht man im letzten Raum noch einmal, wie stark das Bedürfnis nach diesen Frauenfiguren ist: Präsentiert werden dort Leben und Werk von Ursula Bogner, einer elektronischen Musikerin. In Wahrheit hat Jan Jelinek die CD Sonne = Black Box (Recordings 1969–1988) produziert und so stellt sich dann doch auch die Frage, ob man hier eigentlich darüber, dass eine Frau die Musik gemacht haben könnte, staunen muss.
Jenseits der die Ausstellung durchziehenden Kategorien wahr oder falsch führen wiederum Matthias Klos und Judith Fischer Reflexionsebenen ein: In einer sehr poetischen Textarbeit lässt Matthias Klos die (gegengeschlechtlichen) Pseudonyme von Duchamp und Mary Ann Evans über ihre Rollen philosophieren und Judith Fischer hat im Namen ihrer „Entlastungsfigur“ Hina Berau ein „magisches Quadrat“ aufgebaut: Es handelt sich dabei um einen sehr experimentell angelegten Einblick in ihre Recherchen zum Thema Gespenster, mit denen sie an gewohnten Denkmustern rüttelt und eine spannende Tür zu anderen, nicht unbedingt rational begründbaren Welten aufmacht.