Wien. Mit der Ausstellung and Materials and Money and Crisis bekundete das mumok sein Bestreben einer vermehrten Anbindung an Diskurse der Gegenwartskunst. Das Wiener Museum setzte dabei auf einen Gastkurator, den am New Yorker Artists Space tätigen Richard Birkett. Dieser hatte das Ausstellungskonzept im Dialog mit dem Künstler Sam Lewitt entwickelt, der bereits 2012 für ein demselben Thema gewidmetes Symposium am Artists Space maßgebliche Stichworte gesetzt hatte. Das Projekt sollte der Frage nachgehen, welche Position Kunstwerke in ihrem „Doppelstatus als materielle Dinge und epistemische Strukturen“ (Birkett) und in ihrem Umgang mit der Akkumulation von „Medien, Techniken und Konzepten“ (Lewitt) in der Gegenwartskunst gegenüber einer entmaterialisierten Finanzwirtschaft einnehmen können, an der sie zugleich teilhaben. Die Ziele schienen damit hoch gesteckt, wurden aber im Hinblick auf die Ausstellung wieder zurückgeschraubt, denn Birkett ließ im Reader Begriffe wie „Experiment“ und „Lücken“ fallen. Dies klang auch im Titel mit seinen drei „und“ an. Um eine klare kuratorische Setzung schien es in and Materials and Money and Crisis nicht zu gehen. Vielmehr zeichnete sich in der Wahl der elf Künstler und Künstlerinnen die organische Entwicklung des Projekts ab. Vor allem Gareth James, R. H. Quaytman und Cheyney Thompson hatten bereits in der Vergangenheit im künstlerischen Dialog mit Lewitt gestanden, wie Birkett betonte. Sowohl Melanie Gilligan als auch Lucy Raven waren am Symposium in New York beteiligt gewesen. Ausgehend von den gezeigten Arbeiten dieser Kerngruppe ließen sich punktuell Schwerpunktsetzungen der Ausstellung ausmachen.
Technologie als Verknüpfung von abstrakten Systemen und materiellen Anordnungen diente vielen der Arbeiten zur Vermittlung zwischen formal-ästhetischen Lösungen und gesellschaftlichen Diskursen. In Broken Volume (1OL) (2013) nutzte Thompson mathematische Algorithmen, die auch die Grundlage für Programmierungen im Finanzwesen darstellen, zur Formfindung für Betonplastiken aus Miniaturkuben. Lucy Ravens 35-mm-Film RP31 (2012), für den die Künstlerin filmische Testbilder zu einem Flickerfilm montiert hatte, verwiesen auf global wirksame Standardisierungverfahren in Film- und Fernsehindustrie. Für Lewitts Wandinstallation Weak Local Lineaments (E2, E3, E4) (2013) aus mit schwarzen Punktraster bedruckten, kupferbeschichteten Kunststoffplatten dienten Leiterplatten elektronischer Geräte als formale Referenz. In anderen Arbeiten der Ausstellung konnte die Verschränkung flexibler Werkbegriffe und komplexer Referenzsysteme als Verweis auf den Warenstatus von Kunstwerken und deren Zirkulation verstanden werden. So etwa in Quaytmans Voyelle, Chapter 26 (2013). Dort setzte die Künstlerin die ihr übliche, konzeptuelle Praxis fort, malerische Arbeiten in seriellen Anordnungen zu konzipieren, die über einzelne Ausstellungen hinausgehen und zugleich historische sowie kontextbezogene Referenzen integrieren. James’ Installation Deodands (2013) aus zu Tischen arrangierten Normtürblättern und Fahrrädern war mittels der Umarbeitung und De-facto-Zerstörung einer früheren Arbeit entstanden, während sie sich zugleich auf die Arbeiten eines anderen Künstlers bezogen. Henrik Olesens Produce 1–5 (2013), eine Reihe von Acrylglasplatten, die mit chronologisch archivierten, ausrangierten Gebrauchsgegenständen und Verpackungsmaterialen beklebt worden waren, wirkten als Argument gegen auratische Kunstobjekte dagegen eher einfach gestrickt. Dieser Eindruck entstand aber vielleicht auch, da Olesens Arbeit nicht Resultat komplexer Prozesse zur Formfindung gewesen war, die Lewitts, James’ und Quaytmans Arbeiten miteinander verband, jedoch auch in Gilligans vierteiliger Videoarbeit 4 x exchange/abstraction (2013) wiederkehrte, die verschiedene digitale Bewegtbildtechniken einsetzte. Da die Ausstellung bestimmte Ansätze künstlerischer Praxis quantitativ favorisierte, wurden einzelne Arbeiten auch inhaltlich in den Hintergrund gedrängt. Trotz einer Auswahl allesamt exzellenter Arbeiten, erschienen die drei Leitbegriffe nur als opake Referenz, als dass sie sich innerhalb der Ausstellung manifestiert hätten.
Zu viel Bedeutung wurde dem textuellen Begleitmaterial beigemessen, das Birkett explizit als diskursiven Teil der Ausstellung markierte. Der Kurator war sich der Herausforderung allerdings durchaus bewusst, die die Übersetzung einer Frage aus der künstlerischen Praxis in eine Ausstellung darstellte. So waren für and Materials and Money and Crisis großteils neue Arbeiten entstanden oder existierende adaptiert worden. Den Dialog mit Lewitt expliziter zum Leitfaden der Ausstellung zu machen, hätte nicht nur ermöglicht, den gezeigten Arbeiten einen Kontext zu geben, der so nicht ersichtlich wurde, sondern auch das Format der musealen Ausstellung als Teil des Diskurses zu aktivieren und den interdisziplinären Ansatz, den Symposium und Reader kennzeichneten, zu integrieren. Damit hätte and Materials and Money and Crisis ich im Kontext themenverwandter Ausstellungen wie etwa Liquid Assets beim steirischen herbst 2013 konkreter positionieren und die eigentliche Triebfeder dieses Projekts mit hohem Aktualitätsanspruch artikulieren können, die in Lewitts Text des Ausstellungsreaders als Frage aufblitzte: „Was kann mobilisiert werden, um neue Strömungen und Gegenbewegungen zu schaffen?“ Trotz konzeptueller Unschärfe der Ausstellung legte das mumok mit and Materials and Money and Crisis eine Experimentierfreudigkeit an den Tag, die hoffentlich auch in Zukunft beibehalten werden wird.