Innsbruck. Die Ausstellung des Künstlers Johannes Porsch fügte sich in die Räume des Kunstpavillons der Tiroler KünstlerInnenschaft in beängstigender wie beunruhigender Präzision. Dieses spärliche Setting, welches nur wenige Raumelemente umfasste, ließ einen anfangs verzweifelt nach einem präsentierten Werk Ausschau halten, als wäre hier ein Spiel mit Erwartungshaltungen überhaupt gar nicht erst für begonnen erklärt worden, als hätte man nach Eintritt in die Ausstellung ebendiese schon versäumt. Nach kurzem Vertrautwerden mit den Folgen des Schocks des beinahen Fehlens der Grundlage zur Kritik, dem BesucherInnenanrecht auf visuelle Darbietung beraubt worden zu sein, konzentrierte sich nach weiteren Interpretationsanläufen der Blick in Folge und dann doch verstärkt auf jene wenigen Elemente, die im Raum als solche identifizierbar waren: drei schwarze Würfelmonitore, vier weiße PVC-Hartschaumplatten, ein Stapel von SW-Ausstellungsplakaten zur freien Entnahme, die auch an vier ausgewählten Stellen im Raum affichiert waren. Auf diesen waren wiederum gerahmte, den Plakaten entnommene Grafiken zu sehen, und dann war da noch eine, aus der Sammlung des angrenzenden Palmenhauses entliehene, zur Familie der Hundsgiftgewächse zählende und zur Zeit meines Besuches sich im Trieb befindliche Plumeria Alba.
Auf den am Boden platzierten und in ihrer ganzen anachronistischen Schwere präsentierten Würfelmonitorboxen blitzte unregelmäßig die Comicfigur Sonic des Computerspielklassikers Sonic the Hedgehog der 1990er-Jahre auf – allerdings in der SW-Fontadaption Sonic Mega Font des Schauspielers, Regisseurs, Präsentators und eben auch Fontdesigners David Puchansky. Die freundlich-freche Silhouette von Sonic befand sich gemeinsam mit grafischen, durch Elektrophorese1 erzeugten, pixeligen Spuren und Strichen auch auf den schon erwähnten Plakaten und wirkte dort wie eine beiläufige populärkulturelle Mikroreferenz und wie so viele Details der Ausstellung gänzlich von ihrer jeweiligen Präsentationsform absorbiert. Das hatte zur Folge, dass räumliche Einzelheiten des Kunstpavillons in der Wahrnehmung hervortraten, ob bewusst, wie die Eingangstreppen des Pavillons durch ihre rhythmische Verlängerung in die am Boden gesetzten Hartschaumplatten, die gleichfärbigen Büroelemente des Vereinssitzes der Tiroler KünstlerInnenschaft, oder unbewusst, wie etwa Steckdosen, Lüftungsgitter, Fußabstreifer, die Lagertür etc.
Die bereits mit der Einladungskartengestaltung begonnene Vorführung des Spiegelns, Drehens, Wendens und Enterns der CI der Tiroler KünstlerInnenschaft setzt Porsch effizient in wirklich alle diese die Ausstellung konstituierenden Teile von Raumgestaltung bis hin zur begleitenden Künstleredition in einem Extrem fort, dass sowohl die Analogie zu Michel Foucaults Begriff des Dispositivs – wonach „das Dispositiv selbst das Netz ist, welches zwischen diesen Elementen geknüpft werden kann“ – als auch die von Kunsthistoriker Georg Stemmrich einst daran geäußerte Kritik, „dass es die Voraussetzungen der eigenen Wirksamkeit strukturell verborgen hält“, in Porschs Arrangement deutlich werden.
Im Gegensatz zu künstlerischen Praxen und Positionen, welche Fragen des Displays und seiner Erfahrbarkeit zu untrennbaren Kerncharakteristika ihres Œuvres machten, wie Liam Gillick, Heimo Zobernig, Martin Beck oder Julie Ault, trat Porsch mit verschleierter, multipler AutorInnenschaft in den Hintergrund, um überhaupt wieder an den Grundbedingungen und Möglichkeiten ästhetischer Operationen selbst ansetzen zu können.
Der der Ausstellung übergestellte Begriff der Trope bzw. Tropologie, welche den Gebrauch von Worten im übertragenen, bildlichen Sinn meint, und mit der tropischen Herkunft der ausgestellten Plumeria Alba zudem eine schöne Begriffsverwirrung bereithielt, stand hier weniger einem Ausstellungsrundgang mit Wendungen vor, sondern lauerten besagte Wendungen in den Ausstellungsobjekten, ihren Produktionsbedingungen, medialen Wirkungen und Eigenschaften selbst. Die Schau stellte eine Zuspitzung ihrer Präsentationsform dar, in der das Hauptaugenmerk weniger auf den Transfers der mannigfaltigen Inhalte zu liegen schien, sondern auf der außergewöhnlichen Intensität, mit der die Vereinbarungen rund um eine Ausstellung, des wechselseitigen Konsenses und der jeweiligen Rollen von ProduzentInnen, RezipientInnen und der Institution wirken.
1 Elektrophorese bezeichnet die Wanderung gelöster Moleküle durch ein elektrisches Feld und begründet das dem SDS Page-Verfahren (Natriumdodecylsulfat-Polyacrylamidgelelektrophorese) zugrunde liegende physikalische Prinzip. Dabei verteilen sich durch die denaturierende Wirkung eines Gels aufgetrennte Proteine in einem unter elektrischer Spannung befindlichen Feld gemäß ihrer elektrischen Ladung. Ihre Position wird in einem Färbeverfahren als Fleck oder Linie nachgewiesen, das Protein dadurch bestimmbar und als Information „lesbar“. (Quelle: BesucherInnentext)