Heft 1/2019 - Post-Jugoslawien
Fani Zguros Aus der Serie o. T. (2014–17) besteht aus neun verschieden großen Mixed-Media-Fotoarbeiten, auf denen die Gesichter von ein, zwei, drei, vier Menschen nicht wirklich ausgelöscht,
aber zerkratzt, zerschnitten, abgeschürft oder abgescheuert wurden. Es handelt sich dabei um keine Manipulation der neun Schwarz-Weiß-Fotos, sondern um eine Verstümmelung ihrer Oberflächen. Die Methode hat etwas äußerst Brutales an sich, so als hätte Zguros Drang, den faktischen Lauf der Dinge
zu verändern, jede Zurückhaltung vergessen lassen. Denn die abgebildeten Menschen wurden regelrecht geköpft. Da stehen sie nun gesichtslos, aber doch kenntlich. Das Auslöschen ihrer Gesichter, so als wären sie nie am Ort der jeweiligen Aufnahme gewesen, zerstört die Intaktheit der Fotos. Es bleiben drastisch durchlöcherte und zerschnittene Objekte übrig. Der Künstler meint dazu: „Dieser Mensch war zwar dort, aber ich habe ihm den Kopf abgeschnitten! Dadurch drang ich in die inneren Mechanismen der fotografischen Darstellung vor. Ein Foto ist nicht mehr als ein dickes Papier mit lichtempfindlicher Beschichtung, das ist alles. Es ist weder deine Familie, noch sind es deine
Freunde, die man darauf sieht – nur Papier mit Fotoemulsion drauf, mit einem Kolloid aus Silberhalogenidkristallen in Gelatindispersion.“
Aus der Serie o. T. ist ein im Affekt begangenes Verbrechen an der Fotografie. Ja, ein Verbrechen! Das Auslöschen politischer RivalInnen und DissidentInnen – sie einzusperren ist nicht genug, sie zu töten auch nicht, nein, es muss so sein, als hätten sie niemals existiert – verweist auf Diktatur und den totalitären Staat. Aber auch auf gescheiterte Liebesaffären, zerbrochene Ehen, Freundschaftsverrat und Enterbung. Das Leben als zerschlissenes Foto. Der Mensch verschwindet, indem sein Gesicht bis zur Unkenntlichkeit zerkratzt wird. Keine Erinnerung mehr. Unwiderruflich.
Fani Zguro wurde 1977 in Tirana geboren. Er lebt und arbeitet in Tirana, Mailand und Berlin.