Heft 1/2019 - Artscribe


Donna Huanca – Piedra Quemada

28. September 2018 bis 6. Januar 2019
Unteres Belvedere / Wien

Text: Milena Dimitrova


Wien. Fragestellungen der Performance- und Installationskunst, wie zum Beispiel Körperbezug oder die ortsspezifische Konzeption des Kunstwerks, und ihre Referenzen zum Kanon der Performancekunst stehen im Vordergrund der Rezeption von Donna Huancas Ausstellung Piedra Quemada im Unteren Belvedere. Die Verweise der Künstlerin auf indigene Kultur, den lateinamerikanischen Kunstkontext oder Gesamtkunstwerke als wichtige Einflüsse, wie etwa das Werk von Hermann Nitsch oder das pagane Urkupiña-Festival in Bolivien, treten dabei in den Hintergrund.
Im Ausstellungskatalog bezieht sich nur der Beitrag von Elysia Chuquimia Crampton, einer Künstlerin und eines der Modelle und MitarbeiterInnen, wie Donna Huanca ihre PerformerInnen bezeichnet, auf indigene Kultur. Die anderen Katalogbeiträge betrachten Piedra Quemada in Bezug auf die Ikonografie des barocken Ausstellungsraums und in den größeren Zusammenhängen der Performancekunst oder des Wiener Aktionismus. Diese Referenzen sind auch relevant. Der Verweis und der Antagonismus zu Yves Klein etwa ist offensichtlich, wenn ein blau bemaltes Model mit ihrem Körper Abdrücke und Spuren an der Wand des Ausstellungsraums hinterlässt. Diesen blauen Abdrücken werden verschiedenfarbige, übereinandergelagerte, von mehreren Modellen stammende Abdrücke im restlichen Raum gegenübergestellt. Anders als bei Yves Klein, der seine Modelle als „lebende Pinsel“ einsetzt, ist die Bewegung und Präsenz der Modelle, die sich in diesen Ort einschreiben sollen, in diesen Spuren sicht- und spürbar.
Donna Huanca lässt in ihren Installationen eine Art meditative oder spirituelle Praxis und veränderte Bewusstseinszustände sich ereignen. In der zeitgenössischen Kunst, vor allem in den Amerikas scheint es eine wachsende Zahl von KünstlerInnen zu geben, deren Werk von indigener Kultur, der DMT-Kultur Lateinamerikas oder auch von moderner psychedelischer und meditativer Praxis geprägt ist. Als Beispiel kann hier Ernesto Neto angeführt werden, in dessen Installationen Rituale der Huni Kuin einfließen. Auch politische oder ökologische Themen gehen mit der Thematisierung indigener Kultur Hand in Hand. Titel früherer Ausstellungen Donna Huancas tragen die Namen von psychotropen Pflanzeninhaltsstoffen und Pflanzen. Einer davon ist Psychotria elata. Der Großteil der Psychotria-Gattung ist DMT-haltig, und ebenfalls ein großer Teil davon befindet sich auf der IUCN roten Liste der gefährdeten Arten. Lengua de Bartolina Sisa (Die Sprache der Bartolina Sisa), gezeigt 2017 in Madrid, war ein politischer Ausstellungstitel, der auf eine Aymara-Kämpferin verweist, die 1781 in Bolivien einen indigenen Aufstand gegen die Spanier anführte. Der Titel der Ausstellung im Unteren Belvedere, Piedra Quemada, wird von der Künstlerin als metaphysisch, scheinbar gegensätzliche Begriffe vereinend beschrieben. Er kann übersetzt auch für Lava stehen und die Titel der großformatigen Gemälde im letzten der Ausstellungsräume lauten Magma. Neben der Bedeutung transformierender vulkanischer Katastrophen lässt der Titel „Brennender Stein“ auch spekulativere Interpretationen zu. In einem Interview äußert sich Donna Huanca auf die Frage, in welcher Form ihre Installation ortsbezogen ist, dass sie für diese Ausstellung beschloss, das Vermächtnis und die Geschichte eines eurozentrischen Gebäudes wie jenes des Belvedere zu ignorieren.1 Darin lässt sich auch eine in gewisser Weise ikonoklastische Haltung lesen. So würde dieser Titel von einem im übertragenen Sinn brennenden eurozentrischen Belvedere, von brennenden eurozentrischen Vermächtnissen sprechen. An anderer Stelle wiederum äußert die Künstlerin, dass ihre Arbeiten immer auf die Umgebung reagieren und dass dies möglicherweise ein Versuch ist, sich die Orte und Räume anzueignen.2 Bei einem Gebäude mit imperialistischem, eurozentrischem Hintergrund ist es naheliegend, diese Aneignung als Einnahme und Transformation des Raums zu verstehen. Die Spuren der Modelle, die überall hinterlassen wurden, sind auch in diesem Zusammenhang zu lesen. Die transformierende, Einheit schaffende Kraft meditativer oder veränderter Bewusstseinszustände ist eine weitere Komponente davon.
Beim Betreten des letzten Ausstellungsraums dringen die BesucherInnen in einen Ort ein, der von Modellen bewohnt ist und mit Vogelgeräuschen, seiner Dunkelheit und dem Weihrauchgeruch an einen Urwald denken lässt; er ist bevölkert und vereinnahmt. Den AusstellungsbesucherInnen wird die Rolle von voyeuristischen oder imperialistischen Eindringlingen zugewiesen. Der Raum wirkt aber auch sehr harmonisch. Dieser Eindruck wird erzeugt durch die Einheit und das Einssein der Modelle mit ihrer Umgebung. Diese Einheit wird repräsentiert durch die Farben, Materialien und Texturen, die die einzelnen Komponenten des Werks verschränken. Dasselbe Material ist auf den Körpern aufgetragen wie auf den Gemälden, die wiederum als Untergrund Fotografien bemalter Körper haben. Die Skulpturen, nahe denen die Modelle stehen, haben dieselben Farben wie die Körperbemalungen. Alles ist demselben vereinenden Muster eingeschrieben. Es ist ein Gesamtkunstwerk, das auf die Transformation sozialer Realität auch durch die Einheit oder Auflösung von Grenzen zwischen innerer, mentaler und äußerer Wirklichkeit abzielt. Transformierende meditative Bewusstseinszustände sind ebenso Teil dieses Gesamtkunstwerks wie Textilien, taktile Materialien oder Musik.

 

 

1 Almuth Spiegler, Donna Huanca: Ich bevorzuge das Wort feminin; https://diepresse.com/home/kultur/kunst/5506526/Donna-Huanca_Ich-bevorzuge-das-Wort-feminin (Zugriff: 20.11.2018).
2 New Establishment: Donna Huanca; https://elephant.art/new-establishment-donna-huanca-2/, (Zugriff: 20.11.2018).