Heft 2/2019 - Netzteil
So ganz passt das nicht ins Bild: Steve Bannon, der berüchtigte Steve Bannon, diabolischer Exstratege Donald Trumps und vehementer Verhinderer aller Klimavereinbarungen, sitzt vor etwas Grünzeug unter einer riesigen Treibhausglaskuppel und erklärt die Gefahren des weltweiten Wetterwandels. Es sind die 1990er-Jahre, und Bannon ist CEO des Forschungsprojekts Biosphere 2 – und auch sonst, als ehemaliger Goldman-Sachs-Banker und zeitweiliger Hollywoodfilmproduzent, durchaus im kulturliberalen Westküstenmilieu zu Hause. Es ist die Zeit, in der Bannon viel Geld verdient und sein strategisches Handwerk lernt. Es ist die Zeit vor seiner Radikalisierung, vor dem auch für ihn großen Wendepunkt 9/11.
Mit diesem eher unbekannten Bannon beginnt die Ausstellung Steve Bannon. A Propaganda Retrospective des niederländischen Künstlers Jonas Staal, die im vergangenen Jahr am Het Nieuwe Instituut in Rotterdam zu sehen war und heuer in veränderter Form auf dem donaufestival in Krems präsentiert wird. Dass Staal sich für Bannon interessiert, liegt nahe: Nicht nur seine gerade abgeschlossene Doktorarbeit, auf der die Ausstellung teils basiert, ist der Propagandakunst des 20. und 21. Jahrhunderts gewidmet. Auch sein künstlerisches Schaffen dreht sich seit Jahren vielfach um politische Symbolik und deren Wirkung. Dabei sieht er seine Rolle – ebenso wie in dieser Ausstellung – nicht als neutraler Beobachter oder außenstehender Kritiker, sondern er will selbst Teil politischer Veränderung sein, wenn er beispielsweise mit der Veranstaltungsreihe New Unions progressive europäische Initiativen unterstützt oder mit dem parlamentartigen New World Summit denen Raum gibt, die in der Regel aus dem demokratischen Spektrum ausgegrenzt werden. Staals Projekte und Initiativen stehen stets mit einem Bein im politischen Aktivismus, schlagen politische Strukturen oft nicht nur vor, sondern versuchen auch, sie dauerhaft zu etablieren. Zugleich aber ist die akribisch genaue künstlerische Rahmung – durch Grafik und Setting wie auch Dramaturgie der Veranstaltungen – immer präsent. Einerseits werden die BesucherInnen Teil des Geschehens, andererseits funktioniert – quasi paradox – der ästhetische Rahmen wie ein installativer V-Effekt, indem er einen distanzierten Blick herausfordert.
In diesem Sinn geben auch bei Steve Bannon Architektur und Design (wie immer in Zusammenarbeit mit Remco van Bladel und Paul Kuipers) eine Dramaturgie vor, in der sich die Wahrnehmung der BesucherInnen bewegt. Fünf lange, labyrinthisch angelegte Räume gliedern die Ausstellung in chronologisch und zugleich thematisch geordnete Kapitel, die sich schlagartig hinter der jeweils nächsten Ecke auftun.
Für Staal ist Steve Bannon sowohl ein Propagandist, der über Jahre hinweg eine tragfähige politische, mediale, aber auch finanzielle Infrastruktur aufgebaut hat, als auch ein Propagandakünstler, der eine brachiale und doch sehr suggestive Sprache entwickelt und damit wirkmächtige Narrative formuliert hat, die selbst im Bewusstsein seiner Gegner Spuren hinterlassen haben.
Natürlich ist es eine Provokation, diesem Mann eine eigene Ausstellung zu widmen, zumindest vordergründig, schließlich mangelt es Bannon nicht gerade an medialen Bühnen. Eine noch größere Provokation ist es, Bannon als Künstler zu bezeichnen. Doch Staals Interesse gilt in beiden Fällen, wie bei all seinen Arbeiten, weit mehr der Aufklärung als der Skandalisierung. Mit visuellen Mitteln kann die Ausstellung die Bilderwelt Bannons besser entschlüsseln als jeder Essay.
Eine zentrale Rolle spielen dabei dessen Propagandafilme, beginnend mit In the Face of Evil (2004), einem dunkel-apokalyptischen Biopic mit Ronald Reagan als Helden, der cowboyhaft im Alleingang die Sowjetunion zu Fall brachte und der Bannon nun, nach 9/11, so schmerzlich fehlt. Auch wenn der Film im Vergleich zu den folgenden noch fast moderat wirkt, sind darin zentrale Motive angelegt: die Welt als schwarz-weißer Kampf des Guten gegen ein Böses, das im Kern immer gleich bleibt, doch stets in anderem Gewand erscheint; Faschismus, Kommunismus, islamischer Terrorismus, sind Reinkarnationen desselben Übels.
Sechs Jahre später hat Bannon seine ästhetische Strategie zu einem „kinetischen Kino“ weiterentwickelt, das, wie er offen sagt, die ZuschauerInnen schlicht überwältigen soll: Generation Zero (2010) führt mit harten Schnitten und aufpeitschender Musik direkt in eine letzte, unmittelbar bevorstehende Schlacht. Basierend auf William Strauss’ und Neil Howes Buch The Fourth Turning („Die vier Generationen“) beschwört der Film eine zyklische Welt, in der Zivilisationen im Lauf von vier Generationen aufsteigen und fallen. Nur so kann aus der Asche des westlichen Hedonismus das Gute (die weiße amerikanische Nation) wieder auferstehen. Es ist kein Zufall, wenn man bei dieser Fantasy-Metaphorik daran erinnert wird, dass Bannon einst für das Onlinespiel World of Warcraft tätig war.
Jonas Staal hat aus den neun Filmen, die Bannon zwischen 2004 und 2016 gedreht hat, zentrale visuelle Metaphern herausgeschnitten und auf zehn Monitoren sortiert: Stürme, die von der finalen Schlacht künden, Dinosaurier als Bild für die demokratische Partei, Adler für den amerikanischen Geist, die Tea Party als Bär, die Mainstreammedien als Schlange. Grafiken mit steilen Kurven als Beleg für den Niedergang unserer verweichlichten Zivilisation, zusammenbrechende Häuser, crashende Autos, fliegende, brennende Dollarnoten, der überall lauernde innere und äußere Feind … Bannon selbst nennt Riefenstahl, Eisenstein, aber auch Michael Moore als Meister und Vorbilder, man könnte auch an Ernst Jünger und seine Naturgewaltmetaphern („Stahlgewitter“) denken. Es ist eine Rhetorik des Erhabenen und des Trashs; das ist bei Bannon kein Widerspruch.
Einer der aufschlussreichsten Räume ist jener, in dem Staal die Ästhetiken der Tea-Party-Bewegung denen der intellektuellen Alt-Right-Identitären gegenüberstellt: Während die einen analog bzw. via Hofsender Fox News auf Spruchbändern und Pappschildern Obamas amerikanische Herkunft bezweifeln oder hinter dem reformierten Gesundheitssystem den Kommunismus lauern sehen, führen die Alt-Right-Aktivisten ihren Kampf vor allem online und mit perfide raffiniertem Humor. Der zum rassistischen und antisemitischen Mem weißen Übermenschentums umfunktionierte Comicfrosch Pepe ist dafür nur das prominenteste Beispiel.
Denn auch das zeigt die Ausstellung deutlich: Dieser Kampf wird nicht nur auf politischer, sondern vielleicht sogar in erster Linie auf kultureller Ebene geführt; das Umcodieren von Zeichen und Ästhetiken spielt dabei bekanntermaßen eine zentrale Rolle. So führt Jonas Staals Ausstellung vor Augen, wie erfolgreich Bannon als Propagandakünstler tatsächlich war und wie, mit seiner Hilfe, auch das gesamte europäische politische Spektrum nach rechts verschoben wurde.
Dagegen will Staal aus der hybriden Position als Künstler und Kurator mit dieser Ausstellung intervenieren. Zum einen geht es ihm darum, genau zu studieren, wie rechte Propaganda funktioniert, welche Infrastrukturen sie aufbaut und welche Narrationen sie erzeugt. Um die Welt zu verändern, muss man sich die Veränderung erst vorstellen können – für ein paläokonservatives Weltbild hat Bannon genau das getan. Deshalb ist Staal zum anderen davon überzeugt, dass es nicht ausreicht, brav Lügen mit Fakten zu kontern, sondern dass es eine Gegenpropaganda braucht. Ähnlich wie Chantal Mouffe (Für einen linken Populismus) fordert er, dass wir „anfangen sollten, selbst faktenbasierte Propagandanarrative zu entwickeln. Neue Narrative darüber, wo wir herkommen, wer wir sind, und vor allem, wer wir noch werden können.“