Die Ausstellung Salt Years von Sigalit Landau zeigt Arbeiten aus den frühen 2000er-Jahren bis zur Gegenwart. Diese Periode markiert die Arbeit der Künstlerin mit dem Toten Meer. Bekannte Videoarbeiten sowie die Salzskulpturen werden gezeigt. Die Ausstellung versteht sich als ein vorläufiger Schlussstrich und eine Bilanz unter die Salt Years. Als solche richtet sie den Blick auch auf Probleme der Gegenwart – etwa Klimafragen, die auch das Tote Meer betreffen und auf die politische Situation der Region.
In dieser Ausstellung hebt die Künstlerin Aspekte von Transformation und Heilung in ihren Arbeiten hervor. Im Pressegespräch mutete ihr Satz „Es ist Zeit für Frieden“ wie die Botschaft eines politischen Gesandten an. Der Titel DeadSee, eines ihrer Hauptwerke aus dem Jahr 2005, suggeriert eine rauere, weniger utopische ursprüngliche Intention dieses Werks. In dieser Ausstellung aber scheinen sich durch die Art der Kombination von Arbeiten, Wendungen in ihren Bedeutungen zu ergeben. Transformation wird als die Schaffung neuer Bedeutungszusammenhänge verstanden. Die Frage nach der Möglichkeit von Heilung, etwa von der politischen Geschichte der Region, von über Generationen weitergegebenen Traumata oder in ökologischer Hinsicht (durch die veränderte Idee vom Stellenwert des Menschen in der Natur) wird so auch formal in die Ausstellung übertragen. DeadSee wird hier neben Standing on a Watermelon in the Dead Sea 2005 gezeigt. Kombiniert zu einer Art Diptychon beschwören sie Assoziationen mit Balance, Ruhe, Einklang mit der natürlichen Umgebung herauf.
Das Werk, worin die Salt Years kulminieren, ist die Salt Bridge. Sie ist als eine Skulptur inmitten des Toten Meeres gedacht, an dem Punkt, an dem sich die Grenzen der drei umliegenden Staaten treffen. Die Realisierung dieser Brücke soll durch Fundraising und in Kooperation mit der NGO LICRA ermöglicht werden.
Das Projekt versteht sich als eines, das Ästhetik, Kunst und Politik verbindet. Aber auch als eine utopische Geste für eine Veränderung, von der industriellen und ökologischen Ausbeutung und vom politischen Zwiespalt der Gegend hin zu Kooperation und Zusammenhalt in der Region. Es ist ein Kunstwerk, das symbolisch zu Frieden aufruft und an Apelle von internationalen Organisationen und (gescheiterten) Friedenskonferenzen erinnert. Es wurde 2011 konzipiert und 2018 von der Salt Bridge Conference gefolgt – eine Konferenz zur Planung des Projekts.
Wenn Sigalit Landau Kunst und Aktivismus verbinden möchte, warum in dieser Form? Warum nicht mit einem Projekt, das bestimmte Bereiche des täglichen Lebens der Marktlogik und dem Streit um die Ressourcenverteilung in der Region entreißt oder Gemeinschaften fördert? Man würde die Verbindung von Politik und Ästhetik viel eher auf einem Grassroots-Level erwarten. Oder auch in Form von Auftragsarbeiten vonseiten einer Organisation – die Magnum-FotografInnen wären ein Beispiel.
Warum also ein Projekt, das auf externe Finanzierung und die Politik angewiesen ist und dessen Verwirklichung unsicher bleibt? Dieses Werk scheint sich auf eine „utopische Geste“ zu beschränken, da die Verwirklichung auch seiner Werte von Faktoren wie politischer, ökonomischer und militärischer Macht abhängig bleibt. Faktoren, die oft auch die Arbeit internationaler Organisationen hemmen.
Wo auf dem Spektrum zwischen Politik und Ästhetik befindet sich dieses Projekt? Und wann ist Kunst tatsächlich politisch? Eine der möglichen Antworten darauf wäre, wenn Kunst verlangt, dass ihre Utopien Wirklichkeit werden und sich in der alltäglichen Realität niederschlagen.1
Als dieser Text im Entstehen war, bot sich die Gelegenheit, über Sigalit Landaus Arbeit nachzudenken, während ich vor den Skulpturen der Mutoid Waste Company stand. Sie sind eine Art von Kunst, über die wir nur reden können, wenn wir sie als Teil einer inklusiven Lebensweise und ihrer Verwendung in Happenings betrachten. Sie wurden aus Abfallmaterialien hergestellt und sind im Zusammenhang mit Events und sozialen Aktivitäten zu verstehen, die frei zugänglich für die Menschen der jeweiligen Umgebung den Alltag Marktlogiken entreißen sollten.
Ein weiteres mögliches Verständnis von politischer Kunst wäre jenes als eine Kunst, die aufklärt oder Narrative aufbricht. Ein Begleitheft zum Salt Bridge-Projekt zeichnet die politische Geschichte der Region nach, entwirrt diese aber nicht. Die Balfour-Deklaration bleibt etwa ein Detail unter vielen, obwohl sie koloniale und imperialistische Kämpfe zwischen Großmächten, die am Beginn dieser Geschichte standen, beleuchten könnte.
Da der Salt Bridge aktivistische Aspekte dieser Art fehlen, bietet sich die Interpretation an, dass sie an den Bereich der Kunst rückgekoppelt ist. Dass es darum geht, eine kollektive Ikone, wie etwa der Spiral Jetty, zu errichten, und die „soft power“ der Kunst zu nutzen, um (in der Art internationaler Organisationen) über ideelle Werte politischen Einfluss zu üben.
Es ist dennoch mehr als das. Das Projekt bringt die Akteure der Region an einen Verhandlungstisch und versucht, einen Dialog anzufachen. Und das geschieht über einen Kunstgriff – über eine Art Proxy: einen Dialog über die Verwirklichung eines Kunstwerks herzustellen ist einfacher, als etwa über die Ressourcenverteilung in der Region zu reden. Heilung wird auch als die Möglichkeit zu einem Dialog verstanden. Die losen Referenzen an die Land Art und die Spiral Jetty verleihen dem Projekt dabei poetische Elemente und die politische „soft power“, die es außerhalb des Bereichs der Kunst nicht hätte.
1 T. J. Clark/Donald Nicholson-Smith, Why Art Can‘t Kill the Situationist International, in: OCTOBER 79, Winter 1997, S. 29.