Wie ein ganzes Leben zusammenfassen? Pati Hill, geboren 1921 in Kentucky, hinterließ, als sie 2014 starb, ein künstlerisches Werk, das sich über 60 Jahre erstreckt und verschiedene Disziplinen umfasst. Ohne Kunstausbildung begann sie Anfang der 1970er-Jahre, einen Fotokopierer als künstlerisches Medium zu nutzen, wobei sie ein umfassendes Werk schuf, das das Verhältnis zwischen Bild und Text untersucht. Neben diesem umfangreichen xerografischen Werk veröffentlichte sie vier Romane, ihre Memoiren, mehrere Kurzgeschichten, Künstlerbücher und schrieb Gedichte. Auch Zeichnen wurde zu einem integralen Bestandteil ihrer Praxis.
Indem sie den Kopierer – ein Instrument, das klischeehaft mit Sekretariats- und damit weiblicher Arbeit verbunden war – benutzte, um alltägliche Gegenstände wie einen Kamm, eine sorgfältig gefaltete Männerhose oder ein Kinderspielzeug zu dokumentieren, entwickelte Hill eine künstlerische Praxis, mit der sie eine programmatische Übersetzung von unsichtbarer Hausarbeit in eine visuelle, öffentliche Sprache vornahm. Unter Verwendung dieser automatisierten Maschine entstand eine Produktion, die der Konvention des individuellen Ausdrucks, aber auch der oft behaupteten Neutralität von technologisch produzierten Bildern kritisch gegenübersteht.
Ersichtlich wird dies in einer Serie von Arbeiten, die Hill 1962 unter dem Titel Informational Art begann und deren Bildgegenstand Diagramme und Gebrauchsanweisungen waren. Von detaillierten Grafiken für Hausfrauen bis hin zur Zerlegung von Fleisch oder Anleitungen dazu, wie eine Puppe zum Tanzen gebracht werden kann, ist es die Abfolge von quasi-narrativen Sequenzen, das Nebeneinander bzw. Zusammenfallen von Text und Bild, das Hill interessierte.
Zusammen mit 29 Gedichten, deren Thema der stellenweise fiktionalisierte Alltag als Hausfrau war und denen 31 Xerografien gegenübergestellt wurden, veröffentlichte Hill 1975 mit Unterstützung des Dichters James Merill das Buch Slave Days. Dieses führt erstmalig ihre Xerografien mit eigenen Texten zusammen und thematisiert in düsteren und humorvollen Beschreibungen den Produktionsort ihrer Arbeit: „Der Himmel steht uns offen wie ein großer Staubsauger“ [„Heaven’s door is open to us like a big vacuum cleaner“], stellt sie in einem ihrer Gedichte fest und lotet damit resigniert die eigenen Handlungsräume aus. Hill verwendete die Xerografien nicht, um Collagen anzufertigen oder als Ausgangsmaterial für die weitere Produktion, sondern stellte diese als eigenständige Arbeiten ihren Texten gegenüber. Dabei empfand sie die Produktion und Rezeption als gleichermaßen wichtige Teile ihrer Praxis, und obwohl sie hauptsächlich außerhalb jedes institutionellen Rahmens arbeitete und sehr wenig ausstellte, schrieb sie über das „Öffentlich-Machen, dass „ich immer dachte, dass das Publizieren so sein sollte, als würde man seine Kleidung in den Waschsalon bringen“ [„I have always thought publishing should be like taking your clothes to the laundromat“].
In Women, Race and Class erläutert die US-amerikanische Bürgerrechtlerin und Autorin Angela Davis, wie die Arbeitskraft von Frauen durch den hochentwickelten Kapitalismus entwertet wird. Die Abspaltung der Hausarbeit vom unmittelbaren Profit bedeutet, dass Frauen „selten konkrete Beweise für ihre Arbeit erbringen können“. Darauf bezogen lassen sich auch Pati Hills Arbeiten betrachten: In der Werkserie Garments dokumentiert sie beispielsweise verschiedene Kleidungsstücke wie Korsette oder Anzughosen, deren Abbild sich durch die kontrastreiche Beleuchtung sowie das Eingreifen in spezifische Eigenschaften des Kopierers auszeichnet. Fast scheint es, als würde die Glasoberfläche sowohl beim tatsächlichen Falten des Kleidungsstücks helfen als auch Zeugnis über diese sonst unsichtbare Haushaltsarbeit ablegen. Hill machte sich demnach die Eigenschaft des Kopierers zunutze, Objekte in einem unerwartet dramatischen Effekt zu glätten und somit die Bildwerdung selbst zum Gegenstand ihrer Arbeit zu machen. Nicht das Unsichtbare wird dadurch sichtbar gemacht, sondern das scheinbar Vertraute in seiner Unheimlichkeit entlarvt und dabei in seiner Alltäglichkeit hinterfragt.
Den privaten Raum begriff Hill bereits in den 1960er-Jahren als Ort politischen Widerstands. So schrieb sie Jahre, bevor sie begann, mit dem Kopierer zu arbeiten, unter der Überschrift An Angry French Housewife an einem Text, der später gemeinsam mit einigen Xerografien unter dem Titel Impossible Dreams veröffentlich wurde und kontinuierliche Grenzüberschreitungen aus heteronormativen Beziehungsmodellen zum Gegenstand hat.
Zeitgleich arbeitete sie an der Werkserie Dreams Objects Moments. Zunehmend frustriert darüber, dass sie zu qualitativ guten, aber auch teuren Kopiergeräten keinen Zugang hatte, entstanden dafür kurze Beschreibungen von Gegenständen: „Ich beschloss, eine Ausstellung zu machen, die meinen Zugang zum Kopierer offenlegte, ohne dass ich einen Kopierer dafür benutzen musste“ [„I decided to make an exhibition that conveyed my feelings about copier work without requiring the use of a copier“]. Auf durchgefärbtem Papier – Grün für Dreams, Rosa für Objects und Gelb für Moments – entwarf Hill Elemente einer, wie sie es bezeichnet, „stereotypischen“ Narration und hinterfragte die Filter, anhand derer wir Informationen rezipieren und einordnen, indem sie die jeweiligen Kategorien stellenweise vertauschte. Allgemein lässt sich sagen, dass die Mehrdimensionalität von Hills Motiven und die harte Beleuchtung, die aus dem dunklen Raum des Fotokopierers hervorzutreten scheint, einen Unterschied zu den ikonografischen Arbeiten der Pop Art markieren und im historischen Kontext betrachtet eine andere, bis heute übersehene Lesart dieser Zeit bieten.
Im Jahr 1977 lernte Pati Hill auf einem Transatlantikflug den Designer und Architekten Charles Eames kennen, der ihr durch seine Beratungstätigkeit für das IT-Unternehmen International Business Machines Corporation (IBM) Zugang zu einem der damals fortschrittlichsten Kopierer, dem IBM II, verschaffte. Daraufhin entstanden bis 1979 zwei zentrale Werkreihen, die sich formal unterscheiden, jedoch beide die Destabilisierung von Narration vorantreiben. Zum einen arbeitete Hill unter dem Titel Proposal for a Universal Language of Symbols an Entwürfen für eine universellen Zeichensprache. Kurze Zeit später schrieb sie an Charles Eames, dass sie sich wünschte, die Symbole würden ihre ursprüngliche Position „unter uns einnehmen, wo Dinge wieder sind, was sie vorgeben zu sein“ [„Symbols returned to their orginial position amongst us … where things were what they seemed“]. Zum anderen entstand damals die 45-teilige Serie Alphabet of Common Objects, die eine von Hills bedeutendsten Arbeiten darstellt. Aus den im Raster angelegten Bildern spricht das große Potenzial, das Hill der visuellen Kommunikation zuschrieb – die Fähigkeit, dass Bilder ein Narrativ entwerfen oder umgekehrt: dass Geschichte sich in Bilder übersetzen lässt. Auch die Klassifizierung dieser Objekte als Alphabet schlägt eine „Sprachlichkeit“ der Bilder vor. Schließlich zeichnet sich ihre Praxis dadurch aus, dass ihr Schreiben, Publizieren und Editieren das visuelle Werk nicht nur begleitet, sondern zugleich auch hinterfragt. Das Schreiben korrumpiert dabei oftmals Setzungen, die im xerografischen Werk vorgenommen werden und durch Texte in ihrer Ernsthaftigkeit oder Stringenz infrage gestellt werden. Es ist eine Arbeitsweise zwischen Text- und Bildproduktion, die jeweils über das andere Feld Auskunft gibt und dabei ihren eigenen Platz und bzw. ihre eigene Wirklichkeit beansprucht.