Linz. Bei dieser Ausstellung handelt es sich um einen ersten Versuch des retrospektiven Erfassens und Präsentierens des verzweigten Werks der im Mai 2019 unerwartet früh verstorbenen, 1963 als Linda Czapka geborenen Künstlerin. Bei Betreten der Ausstellungsräume findet sich der/die BetrachterIn sogleich inmitten des bildnerisch skulpturalen Arms und in der raumgreifenden Ausgangszene ihres multimedialen und als Gesamtkunstwerk konzipierten Langzeitprojekts Die goldene Welt, in der sieben FreundInnen das Erbe des ebenfalls fiktiven, Rick Subisha antreten. Dessen hinterlassene Milliarde soll diejenige erhalten, die innerhalb eines Jahres das meiste Kapital aus einem Startkapital von 100.000 Dollar schlägt.
Eine Lichtquelle am Boden beleuchtet den mit bunten transparenten Plexiglasintarsien versehenen Tisch sowie sieben Stühle und füllt so als ungleich größere, eindrucksvolle Projektion die Decke mit der Szene der Testamentseröffnung und die Museumsseitenwände mit den jeweils einem Stuhl zugeordneten Comic-Porträts der um das Erbe buhlenden Start-up-KonkurrentInnen.
Zusätzlichen Einblick verspricht die weiterhin aktive Seite www.thegoldenworld.com und eine, der Veröffentlichung im französischen Verlag Editions Rockham noch harrende gleichnamige Graphic Novel. Die der Arbeit zugrunde liegende Frage nach dem Einfluss der Ökonomie auf die Realität war zum Zeitpunkt ihrer Erstinstallation im Salzburger Kunstverein 2009 bitter aktuell, und sie ist es, nicht nur angesichts des jüngsten Beispiels des verrückten Kursverlaufs der Gamestop-Aktie und seiner finalen ProfiteurInnen, auch heute noch.
Im zweiten Raum findet sich zur Linken eine von Ariane Müller, ebenfalls Künstlerin und langjährige Kollegin von Linda Bilda, kuratierte Wand: Diese beginnt chronologisch mit der Fotodokumentation der frühen findigen Aktion Erster Flug einer Frau ohne mechanische Hilfe (1983) vor der Secession und endet mit der Videodokumentation der Performance Zu zweit nach vorn, die 1996 das Ende ihrer Zusammenarbeit sehr bedeutungsvoll und pointiert markiert. Dazwischen illustrieren Magazincover, Plakate, Korrespondenzen, Memorabilia etc., auf welcher Bestimmtheit, welchem Grundverständnis und Einfallsreichtum die Gründung und die anfangs noch anonyme Herausgabe der Kunstzeitschrift Artfan (1990–96) aufbaute. Man staunt darüber, welche zahlreichen Begleitunternehmungen angegangen wurden, um nicht nur für sich selbst ein finanziell unabhängiges Sprachrohr zur Verfügung zu haben, welches auf diskursiver Höhe der Zeit, ihrer Anliegen und Analysen agieren und erscheinen konnte.
Diese fundierten Auseinandersetzungen und Einsprüche machten auch vor eigenem Handeln und eigenen Reihen nicht halt: KomplizInnen im aktivistisch-künstlerischen Geiste fanden sich damit einfacher im Köln und New York dieser Jahre, welche in Folge in dem ab 1994 in Räumlichkeiten der ehemaligen Pathologie des Alten AKH in Wien eingemieteten Art-Club (1994–95) eine programmatische Rolle spielten. Der Art-Club war zur Zeit seines Bestehens ein beliebter Ort der Aufhebung der Trennung Ausstellende/Publikum oder Mitglied/Nicht-Mitglied und galt so als ein unberechenbarer und niederschwelliger Treffpunkt für Alt und Jung. Weiters hält dieses Drittel der Ausstellung neben einer Originalcollage, die die Resultate der österreichischen Nationalratswahl 1999 auseinandernimmt und in Texte zur Kunst, Heft 36, erschienenen ist, Leinwand-, Comic- und Plakatformate aus unterschiedlichen Schaffensphasen parat: darunter How to Become a Famous Artist oder Le Petit Verre (2016) und Caro Diario (2000), zwei weitere, gerade in ihrer präzisierten Kritik beachtliche Werke.
In Ersterem skizziert die Künstlerin in einem von ihr patentierten und in der Ausstellung in unterschiedlichen Anwendungen gezeigten, von LED beleuchteten schwarz-weißen LightGlass die Totalität aktueller Netzwerkregeln für KünstlerInnen und tobenden Aufmerksamkeitsökonomien innerhalb einer Kathedrale der Gegenwartskunst; in Caro Diario, einem siebenteiligen Leinwandbuch, wiederum kombiniert sie Themen rund um die feministische Lage mit Perspektiven und Theoriefunken, Privatem und Historischem zu einer losen analytischen Tagebuchsequenz, in der die Wechselwirkung der gewählten Medien Malerei/Politcomic mit einem umfassend agitativ-kämpferischen Versprechen abgestimmt ist.
Der für Präsentationen bis dato kaum genützte Stiegenhausbereich des Lentos ist wiederum einem Überblick von Auftragsarbeiten im öffentlichen Raum gewidmet. Teile ihrer, sich sanft ins Ortsbild integrierenden skulpturalen Interventionen in Marienthal/Gramatneusiedl wurden von ebendort für die Ausstellung nach Linz transferiert und veredeln als subversive Splitter der Reihe Arbeite Nie (2013/15) den Museumsebenendurchgang. Auch die Dokumentation ihrer 2015 auf fünf Stockwerken realisierten Wandmalerei und eines montierten LightGlass-Leitsystems in der WIPARK Garage an der Freyung in Wien erfahren Überprüfung vor einem dem Originalstandort fast entsprechenden Stimmungshintergrund.
Amor vincit omnia gelingt es, Entwicklung, Werkstränge, den Aktionsradius und die Arbeits- und Agitationsfelder einer ausnehmend konsequenten Malerin, Aktivistin und Künstlerin aufzuzeigen. Sie erschließt Kernanliegen ihrer politisch-poetischen und emanzipatorischen Bildpolitik und ermöglicht diese als Startpunkt ihrer Fortwirkung auszumachen, an deren Formulierung und Updates Linda Bilda bis zuletzt in Form ihres POPPOPOE-Manifests gearbeitet hat.