Heft 1/2021 - Artscribe


Nora Turato – Eto ti na

11. September 2020 bis 8. November 2020
MGLC – International Center for Graphic Arts / Ljubljana

Text: Cathrin Mayer


Ljubljana. Ljubljana im Herbst 2020, das MGLC – International Center for Graphic Arts zeigt die erste große museale Einzelausstellung der kroatischen Künstlerin Nora Turato (*1991, in Zagreb, lebt und arbeitet in Amsterdam) im südosteuropäischen Raum. Die Präsentation, die sich über den kompletten ersten Stock des barocken Gebäudes erstreckt, zeigt eine Art „Environment“ aus Wörtern und Farben, wie es typisch für die Praxis der Künstlerin geworden ist. Turato, die an der Gerrit Rietveld Academie für Grafik und bildende Kunst studiert und das Postgraduierten-Programm der Rijksakademie in Amsterdam absolviert hatte, wurde in den letzten Jahren durch ihre Performances und schnell auch für ihre visuellen Arbeiten bekannt. In beiden Praktiken verschreibt sich die Künstlerin der Sprache, die entweder in großen Gesten durch ihren Körper nach außen und vor ein Publikum dringt oder im Zusammenspiel mit unterschiedlichen grafischen Elementen an Wänden von Kunstinstitutionen ihren Platz findet. Die manchmal absurd ironisch klingenden Ausdrücke entwickelt Turato durch die Aneignung von Werbeslogans, dem „Slang“ aus den sozialen Medien oder auch einem Jargon, der aus der Welt der Politik stammt.
So findet man in Eto ti na, so der Titel der Ausstellung, der auf Kroatisch so viel wie „Da haben wir es schon wieder, so ein Mist“ bedeutet, typische erdachte Phrasen, die zugleich bekannt und seltsam verfremdet klingen. „Dog days are good boys – it was a great day, we were about to recover financially“ oder „When they go low, i get high“ sind nur zwei von einer Vielzahl an Ausdrücken, die die Künstlerin aus dem alltäglichen Schwall an Sprache, der auf uns alle eindringt, eklektizistisch zusammengesetzt hat. Die visuelle Logik der Ausstellung folgt unterschiedlichen stilistischen Entscheidungen, wie Sprache als Zeichen mit grafischen Mitteln in Verbindung tritt: So gibt es Räume, in denen horizontale Verläufe einer Farbe in unterschiedlichen Intensitätsstufen über alle vier Wände als Einheit hinweg den Hintergrund der Texte bilden. In anderen Räumen wird diese ästhetische Strenge aufgebrochen, indem über alle Wände hinweg Sätze im Font ihrer krakeligen Handschrift erscheinen. Stellenweise hängen auf diesen Hintergründen noch Poster, gerahmte Arbeiten oder großformatige Emailtafeln, in denen sich wiederum Wörter aneinanderdrängen. thanks I hate it (2020) ist die einzige dreidimensionale Arbeit, die aus drei Monitoren befestigt auf Metallstangen besteht. Aus den Lautsprechern ertönt und auf den Oberflächen der Screens erscheint ein Text ihrer neuesten Publikation pool 4 (2020), herausgegeben vom MOMA, der wiederum als Skript für eine ihrer Performances diente. Möchte man dem Gesagten folgen, erschöpft man komplett an seiner eigenen Überforderung. Als ich mich in Eto ti na als Besucherin entlang der Sätze durch die Räume bewege, habe ich das Gefühl, in einem Kosmos gelandet zu sein, in dem ich kaum einen Unterschied zwischen Ausstellungsgestaltung und den einzelnen Arbeiten ausmachen kann. Die Entgrenzung und Enthierarchisierung von Vorder- und Hintergrund, relevanter und irrelevanter Information spiegelt in gewisser Weise unsere digitale Rezeption der Welt auf Displays wider, in der Kommentarspalten den gleichen oder mehr Platz bedürfen wie die Inhalte, die es zu kommentieren gilt. Obwohl Turato in ihrer Praxis fortwährend damit beschäftigt ist, die Gleichzeitigkeiten der im Internet kursierenden Dinge festzuhalten und Sprache als ein arbiträres Zeichensystem darzustellen, das der Logik der Werbung untergeben ist, sind ihre Ausstellungen keineswegs nur eine systematische Wiedergabe von digitalen Bubbles und Clouds, sondern sehr wohl an den physischen Ort der Präsentation und an ihre Person gebunden. Für ihre Brüsseler Ausstellung im vergangenen Sommer im kommerziellen Ausstellungsraum La Maison de Rendevouz verwendete sie beispielsweise fast ausschließlich Emailarbeiten, die sich auf Werbeschilder beziehen, wie sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts, also zeitgleich zum Bau des heutigen Aufstellungsorts, verwendet wurden. Auch die Ausstellung in Slowenien ist ortsspezifisch und stellt durch den Titel einen Bezug zum Kultur- und Sprachraum des Orts her, in dem sie auch aufgewachsen ist. So ließ sich Turato für die Ausstellung von dem 2005 erschienenen Musikvideo der kroatischen Electro-Indie-Band Leut Magnetik inspirieren, die sie als „goofy croatian version of Kraftwerk“ bezeichnet. Hier tauchen unter anderem in Form von computeranimierten Grafiken sowohl horizontale Streifen als auch der Schriftzug „Eto ti na“ auf, vor dem die ProtagonistInnen der Band spielen. Dieses anekdotische Element, die Präsenz der eigenen Stimme, die Verwendung ihrer Handschrift, bricht die vermeintliche Glätte der Werbeästhetik auf und die Persona der Künstlerin ist auf einmal fassbar. Mit ihrer überdimensional großen Handschrift ist sogar die romantische Idee von Autorschaft gegenwärtig. Obwohl Turato durch den gezielten Einsatz von solchen anekdotischen Passagen einer anonymen Glätte entgegenarbeitet, setzt sie persönliche Information in kleinen Dosen ein, um eine narrative Spannung in ihren Ausstellungen herzustellen, ohne tatsächlich persönliche Bekenntnisse preiszugeben. Eto ti na reiht sich damit als ein besonderes Kapitel in ihrem Werk ein, in dem die Künstlerin in einer vermeintlich anonymen Flut an Zeichen Ortsspezifität durch das widerspenstige Einschleusen von Wörtern in ihrer Erstsprache und subjektiver Erinnerung herstellt.