Heft 2/2021 - Artscribe
Linz. Bedenken, die eine Ausstellung über Faschismus und rechte Ästhetik ausräumen muss, sind, ob ungeschulte Betrachter*innen diese unkritisch annehmen könnten oder etwa Vereinnahmung durch rechte Gruppen möglich sei. Die Ausstellung in Linz sperrt sich durch die Auswahl starker Kunstwerke dagegen. Auch eröffnet sie bei näherer Beschäftigung Einsichten. Es fehlt ein Leitfaden, der das Ausstellungskonzept klar skizziert, kontextualisiert und der die Besucher*in durch die Ausstellung führt. Das mag auch daran liegen, dass ein Künstler-Kurator mitverantwortlich für die Schau zeichnet und Themenstränge und Referenzen collagenartig aufmacht, die nicht immer konkretisiert, geschichtlich verortet oder herausgearbeitet werden. Die Herangehensweise ist eine künstlerische und eine, die sich vor allem eignen würde, um ein phänomenologisches Thema zu erfassen. Ausgangspunkt ist eine psychoanalytische Deutung des Faschismus, der in der Überhöhung des männlichen Körpers kulminiert. Die Symbolik und das Auftreten aktueller rechter Gruppierungen wird vor diesen Hintergrund gesetzt. Ein weiterer zentraler Ansatz ist, dass unser Verständnis von Faschismus über die Verarbeitung in Kunst, Popkultur und Fiktion gebrochen und auch davon geprägt ist.
Aufgrund der Charakteristik des Themas müsste eine solche Ausstellung Definitionen, historische Begrifflichkeiten von Faschismus und genaue Kontextualisierung bieten. Ein Rahmenprogramm versucht, das hier ergänzend zu leisten. Eine klassische Annäherung an das Thema, die einer antifaschistischen, marxistischen Deutung von Faschismus verpflichtet ist, sieht darin sozioökonomische und kulturelle Ursachen. In einem wertvollen Podcast-Beitrag aus dem Rahmenprogramm wird detailliert auf diese Lesart von Faschismus eingegangen. Der Zugang zum Thema, der in der Ausstellung gewählt wird, fußt in der Psychoanalyse. Er fügt sich immer noch in die erwähnte Tradition ein, verortet nach Wilhelm Reich die Ursprünge des Faschismus in einem durch sexuelle Repression und patriarchale Institutionen in uns allen hervorgebrachten faschistoiden Charakter, den es gilt, in einer Art Exorzismus als Individuum an sich selbst und an Gesellschaftsstrukturen zu reflektieren und zu dekonstruieren.
Roee Rosen inszeniert wörtlich einen Exorzismus in seinem für diese Thematik sehr erhellenden und für diese Ausstellung zentralen Film Out (2010). Zwei Frauen, eine aus einem linken Milieu und eine aus einem rechtsextremen, werden in der ersten Szene einander gegenübergestellt. In der zweiten Szene wird an der Frau mit rechtem Background ein Exorzismus vollzogen. Besessen ist sie von einem radikal rechten israelischen Politiker. In der letzten Szene erholt sie sich im Kreis von linken Kameraden, die Sergej Jessenins „Brief an die Mutter“ singen, ein Gedicht von 1924, in dem die Mutter für das kollektive Feminine, Akzeptanz, Vergebung, im weitesten Sinne auch das Schöne in der Welt steht. Was diese Arbeit vor allem leistet, ist, einen psychoanalytischen Faschismusbegriff, der das Individuum im Fokus hat, rückzukoppeln an das politische und kollektive Feld.
Im Kontrast dazu drehen sich weitere Arbeiten in der Ausstellung um männlichen Körperkult, Macht, Ästhetisierung und Sexualisierung von Macht. Die Figur des faschistoiden Mannes ist die Bezugsfigur, die als roter Faden durch die Ausstellung führt, sie wird als zentraler Aspekt faschistischer Ideologie herausgearbeitet. Es wird dabei nicht explizit auf Klaus Theweleits Männerphantasien von 1977/78 Bezug genommen, der den idealisierten, faschistoiden männlichen Körper, das Faschistoide, das sich über den Körper ausdrückt, in seinem umfassenden Werk analysierte, was stark von der damaligen Linken und darüber hinaus rezipiert wurde und auch heute unser Verständnis von Faschismus prägt.
Annika Larssons Video Dog von 2001 zeigt zwei Männer im Anzug mit einem Hund an einer Kette, Ketten, die sich auch in der Kleidung wiederholen. Durch die nahen Kameraaufnahmen sind nur Ausschnitte der Figuren zu sehen. Eindrücke von Dominanz und Erhöhung wirken nach, wir fühlen aber, dass das nicht das gesamte Bild ist. Das Gewaltmoment als Schatten faschistoider Selbstinszenierung und idealisierter Männlichkeit, als die unsichtbare Kehrseite werden deutlich gemacht. Das Verdrängte oder Perversion, die als Gewalt zum Vorschein kommt, werden thematisiert. Diese Kehrseite dringt auf verstörende Art in Karen Cytters Film Moden von 2019 an die Oberfläche. Ihre Protagonist*innen: die Idealfigur eines faschistoiden Mannes und eine Familie von drei Generationen von Frauen, deren Atmosphäre von allen Beteiligten durch Gewalt geprägt wird.
Das Werk Soldier Studies von Martin Dammann von 2007 führt eine Art von „Othering“ vor Augen, nämlich wie Schwarze, Homosexuelle oder das Weibliche im Kontext von Verkleidungsspielen von Wehrmachtssoldaten als ein „Anderes“ gesetzt oder auch herabgesetzt wurden. Durch die Ideen von kultureller Reinheit und starker Männlichkeit fügen sich auch aktuelle rechte Gruppierungen in Theweleits Beschreibung vom faschistoiden Körper und seiner dunklen, gewaltbereiten Seite ein. Franz Kapfers Arbeit Idealistenheim (2021) bringt diese Seite sehr direkt zum Vorschein, indem er eine Holzhütte mit Waffen und Gegenständen mit dem Zeichen der Grauen Wölfe füllt. Der Künstler brachte sie von einer Türkeireise mit. Kennt man diese Zeichen einmal, erkennt man sie häufig wieder, kommentierte er seine Arbeit. Christina Werners Something is always left behind ... beschäftigt sich mit Selbstinszenierung rechter Politiker zum einen und den NSU-Morden in Deutschland zum anderen und wiederholt mit dieser Arbeit ebenso die Überhöhung wie auch ihre abgründige Schattenseite.
Indem das Lentos sich dieser komplexen Thematik annimmt, leistet es einen notwendigen Beitrag, Diskussionen um Begriffe von Faschismus und Rechtsextremismus heute wieder aufzunehmen, und reagiert so auf die Dringlichkeit nach Antworten auf eine Normalisierung rechter Strömungen und Gruppen.