Freund*innen der Künstlerin erzählen von dem Verbotsschild, das der in Horn geborenen und in Neupölla aufgewachsenen Romana Scheffknecht erste Impulse sowohl in Richtung Widerständigkeit gegeben als es auch jene Medien heraufbeschworen hätte, die später für sie wichtig waren. Die Aufforderung, die sich in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses befand, lautete nämlich, nicht zu fotografieren, zu filmen und nicht zu zeichnen, und war wohl dem Sperrgebiet um den Truppenübungsplatz Allentsteig im niederösterreichischen Waldviertel geschuldet, zu dessen Gemeinden Neupölla zählt.
Scheffknecht besuchte die Schule der Englischen Fräulein in St. Pölten und war in den 1970er-Jahren in Wien, wo Ausstattung, Requisite und Bühnenassistenz für Theater und Film ihre Wirkungsbereiche waren, vor allem für die Komödianten im Künstlerhaus, einer freien Wiener Gruppe um Conny Hannes Meyer. Später trat sie in Filmen von Manfred Kaufmann wie Gefischte Gefühle (1980) oder Weht die Angst, so weht der Wind (1982) auch als Schauspielerin auf.
1979 begann sie an der Wiener Angewandten das Studium Freie Graphik bei Oswald Oberhuber. Es gab damals noch keine Klasse für Neue Medien, und es war Oberhuber, der diesen Part übernommen hatte und quasi die erste Medienkunstgeneration ausbildete. Ihr Studium setzte Scheffknecht in Düsseldorf bei Nam June Paik fort, wo sie es 1984 auch abschloss. Nach ihrer Rückkehr nach Wien blieb ihr Ort – bis auf zwei Jahre Professur in Hamburg 1993/94 – die Angewandte, wo sie seit 1985 selbst unterrichtete und sich 2005 habilitierte. Von 2005 bis 2017 hatte sie dort eine Professur inne. Dabei war es ihr ein Anliegen, jene Offenheit und diskursive Ausrichtung weiterzuführen, die sie selbst als Studentin bei Oberhuber und Paik erfahren hatte.
Eine ihrer ersten Videoinstallationen war Bundesverfassung von 1981, die wie viele spätere Arbeiten politisch motiviert war. Ihre letzte Arbeit war ein großes Virus für das jährliche Straßenfest im achten Wiener Gemeindebezirk, das 2020 in der Wiener Josefstadt auf verschiedenen Plätzen stattfand und von KÖR und den Kuratorinnen Katharina Blaas und Cornelia Offergeld veranstaltet wurde. Das Motto „Is this the real life? Is this just fantasy?“ war ein Zitat der Rockband Queen und bezog sich auf die aktuelle Situation mit dem Coronavirus. Scheffknecht reagierte mit ihrem Werk auf die mediale Darstellung der Corona-Epidemie. Das überdimensionale Virus war ein aufblasbares Objekt aus Fallschirmseide, das im Hof des Instituts für Höhere Studien (IHS) auf der Josefstädter Straße platziert war und in seiner Vergrößerung und Verfremdung sowohl an die Wissenschaft (im Inneren des Gebäudes) als auch an die Passant*innen auf der Straße adressiert war.
Die 1980er- und 1990er-Jahre waren eine produktive Zeit für die Künstlerin und die Neuen Medien, die sie rückblickend im Interview mit Patricia Grzonka wie folgt beschrieb: „Die 1980er Jahre waren die Zeit, in der die Medienkunst sich mit den Medien selbst beschäftigt hat, mit dem Fernsehen, mit Video und anderem, aber die große, experimentelle Phase war abgeschlossen. Anfang der 1990er Jahre hat eine Diversifizierung der Mittel stattgefunden und das Feld sowohl durch neue technische Möglichkeiten wie den zum ersten Mal in Maßen verwendeten Videobeamer erweitert, aber auch durch eine Art Retro-Bewegung, bei der viele Leute wieder mit Super 8-Filmen oder im 16mm-Format gearbeitet haben. Die Videokunst hat sich bereits früher in Richtung Skulptur bewegt, ein Paradox an sich, aber möglicherweise konnte sie dadurch erst ausstellungs- und museumskompatibel werden.“1
Als Pionierin der Videokunst war Scheffknechts erster internationaler Erfolg 1989 die Teilnahme an der von Wulf Herzogenrath und Edith Decker kuratierten Video-Skulptur retrospektiv und aktuell: 1963–1984, eine Art erste Bestandsaufnahme internationaler Positionen von Videokunst. Scheffknecht zeigte dort die Arbeiten Über natürliches Licht von 1986, die gemeinsam mit Ecke Bonk entstand, sowie Der Leuchtturm/Über natürliches Licht von 1985. Im Katalog wird ihre strukturelle Konzeption betont.2 Anhand der Abbildungen wird auch klar, dass ihren komplexen Installationen, die sich mit Licht, Farbe, dem Verhältnis von Ton und Bild beschäftigen und Monitore, Videoprojektoren, Spiegel und Objekten beinhalteten, kaum eine Abbildung gerecht werden kann. In den folgenden Jahren bleibt ihr konzeptuell-minimalistischer Ansatz bestimmend genauso wie das stete Interesse, dem neuen Medium Neues abzugewinnen und es weiter zu beforschen. Auch mehr als 20 Jahre später vermittelt ihre große Retrospektive im Innsbrucker Taxispalais 2013 eher den Eindruck eines Labors oder einer Forschungsstation als den einer klassischen Kunstausstellung. Wichtig blieben die politische Dimension sowie die Verbindung von Politik, Literatur und Philosophie mit den Medien, wie Arbeiten über den Krieg oder Philosophische Untersuchungen zeigen, die als Serien angelegt sind. Seit 1995 spielt auch die Collage eine große Rolle, die sie der Auseinandersetzung mit Aby Warburg verdankte und die mit dem Titel Warburgzimmer zu einer weiteren großen Werkgruppe wurde. Und schlussendlich ist der wissenschaftlich-künstlerische Ansatz in das Medien Kunst Archiv eingegangen, das eine umfassende Dokumentation der Entwicklung der elektronischen Kunst von 1970 bis heute leistet. Scheffknecht leitete das Archiv seit 2001 und hat uns zusätzlich zu ihrem beachtlichen Œuvre (www.romana-scheffknecht.at) damit etwas hinterlassen, das ihre Konsequenz und Hingabe einmal mehr deutlich macht. Alle, die sie gekannt haben, wissen aber ebenso um ihre Offenheit und ihren Humor und wie sehr sie das Savoir-vivre schätzte.
[1] Patricia Grzonka, Ohne Titel, Interview mit Romana Scheffknecht in: Romana Scheffknecht 1982–2013. Innsbruck 2013, S. 61, zit. nach www.romana-scheffknecht.at, Zugriff 1.5.2021.
[2] Wulf Herzogenrath/Edith Decker (Hg.), Video-Skulptur retrospektiv und aktuell: 1963–1984. Köln 1989, S. 260f.