Heft 4/2021 - Lektüre
„This book as a finished product will have a material permanence that contradicts the actual impermanence of the art-work, yet paradoxically functions as a testimony to that impermanence of my production.“ So beschreibt Michael Asher (1943–2012) den Status seiner Publikation Writings 1973–1983 on Works 1969–1979 im Verhältnis zu seiner Kunst. Diese für seine Rezeption so prominente und maßgebliche Text- und Materialsammlung erschien 1983 in zwei Versionen: zunächst in der Reihe The Nova Scotia Series: Source Materials of the Contemporary Arts, herausgegeben von The Press of the Nova Scotia College of Art and Design; schließlich im gleichen Jahr auch vom Museum of Contemporary Art, Los Angeles herausgegeben in geringerer Auflage von 500 im Vergleich zu davor 1.500 Exemplaren. Die in Brooklyn ansässige NPO Primary Information gibt seit 2006 vergriffene Publikationen von Künstler*innen neu heraus, um diese einer breiteren Öffentlichkeit wieder besser zugänglich zu machen. Bei Ashers Schriften fiel die Wahl auf die zweite Version, die sich wesentlich durch den Buchumschlag unterscheidet: Anlässlich der Programmreihe In Context (1983–85) am MOCA finden sich darauf Grundriss und Text zu einer Arbeit von Asher, die in diesem Zusammenhang entstand: The Michael Asher Lobby. Auf der Innenseite heißt es dazu: „I have proposed to the Museum of Contemporary Art in Los Angeles that we enter into an agreement which will give me license for the aesthetic control of the lobby area of the Museum.“ Es folgen einige lakonisch formulierte Sätze, in denen Asher diese Vereinbarung näher umreißt: Das Museum solle den Eingangsbereich auf monatlicher Basis bei ihm unterlizensieren; als Teil der Installation werde sein Name neben der Werkbeschreibung im Foyer genannt. Das Museum werde Asher auch auf allen Einladungskarten anführen, auf denen die Lobby als Ort für öffentliche Versammlungen oder die Präsentation von Kunstwerken ausgewiesen ist. Darüber hinaus spricht Asher auch die Kosten für Instandhaltung, Versicherung und Versteuerung an, die das Museum zu übernehmen habe – und beruft sich auf die generelle Zuständigkeit der Institution im Hinblick auf die dort ausgestellten Werke. Er verzichtet allerdings explizit darauf, in die tagtäglichen Abläufe eingebunden zu werden. Zuletzt weist Asher darauf hin, dass am Ende der Installation die Möglichkeit bestehe, dass das Museum die Lizenz für diese Arbeit erneuert.
Ergänzend zu dieser Offenlegung nicht nur seines künstlerischen Konzepts, sondern auch der institutionellen Logiken und Gepflogenheiten wie etwa budgetären und vertraglichen Bedingungen, Drucksorten, Namensplatzierungen oder Raumvermietungen befindet sich neben dem Text eine Abbildung des Raumplans, der vom Architekturbüro Frank O. Gehrys stammt: Zu sehen ist ein markierter Bereich im Inneren des Museums, wodurch sich die räumlichen Relationen und Größenverhältnisse leicht erkennen lassen. Sozusagen als Klappentext, also prominenter gesetzt, findet sich ein Text der zuständigen Kuratorin Julia Brown, in dem es zu der Arbeit heißt: „In this work Asher is concerned with outlining an area of public assembly and the aesthetic control of that space. He accomplishes this by naming the space with his name.“ Es folgt eine kurze Danksagung, die von Brown sowie vom langjährigen Museumsdirektor Richard Koshalek (1983–99) gezeichnet ist und in der verschiedene Beteiligte erwähnt werden, so auch einige Personen aus dem Museumsteam, einige Board-Mitglieder oder auch ein Sponsor. Diese Ausführungen lassen sich als ein Addendum zur eigentlichen Publikation verstehen, zumal die Arbeit in der Kompilation selbst gar nicht berücksichtigt ist, sondern vielmehr einen aktuellen Kontext liefert – eine scharfsinnige und adäquate Einführung in Ashers künstlerische Praxis.
In den eigentlichen Vorbemerkungen von Asher, der sich hier als „Author“ bezeichnet, und Benjamin H. D. Buchloh, der als Herausgeber fungiert, nachdem Kasper König die Publikation ursprünglich initiiert hatte, kommen die beiden auf die gemeinsame Autorschaft zu sprechen: Während Asher die Wichtigkeit der Zusammenarbeit im Hinblick auf die Analyse der einzelnen Arbeiten sowie des historischen Kontexts herausstreicht und der Hoffnung Ausdruck verleiht, dass daraus kein allzu homogener Text entstanden sein möge, tritt bei ihm auch eine gewisse Grundskepsis zutage – etwa wenn er von der Parallelität von Kunstproduktion und Kritik spricht und anmerkt, dass diese Bereiche üblicherweise als separat, wenn nicht sogar als gegensätzlich gesehen werden. Für Buchloh hingegen zeichnet sich in Ashers Haltung eine unterschwellige Distanzierung ab, nämlich „the author’s concern to maintain the material element of his practice even within its transformation into discourse (and it might indicate his relative disregard for the latter)“. Durch dieses gemeinsame Schreiben erschließt sich jedenfalls eine persönliche Herangehensweise wie auch ein dichtes Gefüge aus deskriptiven, historisierenden, mitunter auch erläuternden Ausführungen und Kontextualisierungen.
Was mit der nun gegebenen zeitlichen Distanz umso deutlicher wird, sind jene Fehlstellen, die diese ungemein reichhaltige Publikation indirekt erahnen lässt: Das Vorher und Nachher sind vergleichsweise nur punktuell erschlossen – und so bleibt dies ein Auftrag für Ashers Nachwelt, dessen künstlerischen Anfängen sowie späteren Arbeiten ebenso systematisch und fundiert nachzugehen.