Heft 1/2022 - Free Speech


Cancel Putin!

Interview mit der Künstlerin Darja Apachontschitsch über die aktuelle russische Zensurpolitik

Herwig G. Höller


Seit Wladimir Putin im Mai 2012 zurück ins Präsidentenamt kam, hat sich die kulturpolitische Atmosphäre in Russland drastisch verändert. Im Zuge dessen haben sich die Grenzen des öffentlich Sag- und Zeigbaren auch in der zeitgenössischen Kunst verschoben. Was zunächst mit allgemeinen gesetzlichen Verschärfungen in Bezug auf Meinungsfreiheit und wachsendem Druck auf Kunstinstitutionen begann, führte 2016 zur symbolträchtigen, von Aktivitäten des Geheimdiensts FSB begleiteten Zerschlagung des 1992 gegründeten Staatlichen Zentrums für zeitgenössische Kunst (GZSI) in Moskau. Zwar kann auch Anfang 2022 keine Rede von einer allgemeinen ideologischen Zensur wie in Sowjetzeiten sein, dazu fehlt ein koordinierendes Zentrum, und auch die tatsächlichen „roten Linien“ bleiben schwammig. Ohne Zweifel hat jedoch die Selbstzensur in staatlichen Institutionen merklich zugenommen.
Die überraschende Ablöse der erfolgreichen Kulturmanagerin Teresa Iaroccci Mavica als Direktorin der größten privaten Kunstinstitution Russlands, der Stiftung V-A-C, wurde Ende 2021 aber als Indiz dafür interpretiert, dass sich die Spielregeln auch jenseits der staatlichen Kunstzentren verändert haben. In Ermangelung plausibler offizieller Erklärungen war diese Personalentscheidung mit einem Besuch von Präsident Putin in Verbindung gebracht worden, der sich im neu eröffneten Kulturhaus der Stiftung, dem GES-2, nicht begeistert gezeigt hatte.
Aktions- und Performancekünstler*innen, die unangemeldet im öffentlichen Raum und zumeist ohne institutionellen Rahmen tätig wurden, hatten diese Tendenzen lange Zeit ignoriert. Neben den Künstler*innen des feministischen Punkkollektivs Pussy Riot, das mit einer Protestaktion gegen Putins Rückkehr in der Moskauer Erlöserkathedrale Anfang 2012 auch russische Gerichtsgeschichte geschrieben hatte, traten seither insbesondere Künstler*innen und Kollektive aus St. Petersburg in Erscheinung, darunter Pjotr Pawlenski, später Pawel Krissewitsch sowie die zwischen 2013 und 2018 existierende Gruppe Heimat rund um Darija Apachontschitsch, Maksim Stropow und Leonid Zoj.
Mit Ausnahme von Stropows Nachfolgeprojekt Partei der Toten sind diese Aktivitäten in Russland zwischenzeitlich weitgehend zum Erliegen gekommen. Pawlenski floh 2017 im Zusammenhang mit Vorwürfen, die mit Gewalt in einem privaten Zusammenhang zu tun hatten, nach Frankreich, Krissewitsch befand sich nach einer Aktion in Moskau ab dem Sommer 2021 in Untersuchungshaft, Mitglieder von Pussy Riot sind entweder ins Ausland geflohen oder befinden sich seit Anfang 2022 nahezu permanent unter Hausarrest bzw. in Polizeigewahrsam.
Darja Apachontschitsch, vormals Partnerin von Maksim Stropow, war bereits im Dezember 2020 als erste Künstlerin vom Justizministerium zu einem „als ausländischem Massenmedium fungierenden ausländischen Agenten“ (so das offizielle Wording) erklärt worden. Um nicht zu riskieren, auch strafrechtlich belangt zu werden, muss sie nach russischem Recht bei jeder öffentlichen Äußerung folgende Erklärung abgeben: „Diese Mitteilung oder dieses Material wurde von einem ausländischen Massenmedium geschaffen und/oder verbreitet, das die Funktion eines ausländischen Agenten oder einer als ausländischer Agent fungierenden russischen Gesellschaft erfüllt.“ Apachontschitsch, die selbst nie als Journalistin gearbeitet hat, flüchtete nach einer Hausdurchsuchung 2021 nach Georgien. Sie befürchtete, dass auch sie verhaftet werden könnte.

Herwig G. Höller: Wo sehen Sie die Grenzen der Freiheit im russischen Kulturbetrieb?

Darja Apachontschitsch: Zunächst muss man sagen, dass in Russland diesbezüglich bei Weitem nicht alles einheitlich läuft. Manchmal gehen äußere Zensur und Selbstzensur nicht im Gleichschritt, es gibt aber Fälle, wo Dinge eigentlich möglich wären, aber trotzdem die Angst und die Selbstzensur zu wirken beginnen. In Bezug auf äußere Zensur muss auch gesagt werden, dass der russische Staat träge und faul ist. Das ist keine Diktatur wie in Nordkorea. Und deshalb war und ist etwa im Literaturbetrieb vieles nach wie vor möglich. Warum hier? Weil die Mächtigen in Russland keine Bücher lesen. Gewisse Zensurmaßnahmen waren freilich auch in diesem Bereich zu beobachten, etwa dass es offizielle Kanäle, Preise und Plattformen gibt, in denen gewisse Autor*innen und Verlage einfach nicht vorkommen. Auch kann man sich an Aktionen (einer Kreml nahen „Jugendbewegung“, Anm.) gegen den Schriftsteller Wladimir Sorokin im Jahr 2002 erinnern.

Höller: Wobei Sorokin dadurch international deutlich bekannter wurde und als Autor Mehreinnahmen verbuchen konnte.

Apachontschitsch: Ja, das war ein wunderbarer Moment. Sorokin ist sichtbarer geworden, musste aber nicht ins Gefängnis. Das waren damals noch keine Menschenfresserzeiten.
Meine persönliche Geschichte mit dem Status als „Auslandsagenten“ hat in erster Linie mit der paranoiden Ansicht zu tun, dass Honorare aus dem Ausland bzw. von Ausländer*innen angeblich auf ein Agieren im ausländischen Auftrag hinweisen würden. Bei mir waren das Einkünfte, die ich für Russischunterricht erhielt, sowie ein Honorar im Zusammenhang mit einer Ausstellung zu politischer Fotografie in Helsinki in der Höhe von 500 Euro. Und da waren noch 200 Euro für ein Foto, das in Le Monde abgedruckt wurde.

Höller: Bei anderen „Auslandsagenten“ waren oft geringere Summen im Spiel.

Apachontschitsch: Ja, es gab schon Fälle, wo 200 Rubel (Ende Februar 2022 umgerechnet ca. 2,20 Euro, Anm.) reichten. Das zeigt die Logik des Staats. Wessen Gelder sollen das sein, wer bezahlt das, von wem kommt der Auftrag und welche Mächtigen stehen dahinter? Das beunruhigt sie sehr. Denn bei staatlichen Subventionen können sie sagen: Wir geben euch Geld, und ihr entsprecht unseren Vorgaben.

Höller: Und was haben Sie wirklich angestellt?

Apachontschitsch: Meine Geschichte hat damit zu tun, dass ich auf die Straße ging und beispielsweise an Solidaritätsaktionen zur Causa „Netz“ (vom Geheimdienst FSB forciertes Strafverfahren gegen ein angeblich terroristisches Netzwerk von russischen Anarchist*innen 2017–20, Anm.) teilnahm. Hinzu kamen anonyme Aktionen, und ich habe in der Tat auch mit Ausländer*innen zusammengearbeitet. Zudem organisierte ich in Finnland mit Freund*innen ein antimilitaristisches Camp. Wobei meine finnischen Kolleg*innen Stipendien bekamen, ich aber gratis arbeitete, weil mir die Thematik wichtig war. Ich hatte Glück, dass man mir nicht gleich Landesverrat vorwarf.

Höller: Sie sprachen zuvor von Zensur und Selbstzensur. Wie haben sich diese beiden Faktoren in Ihrer „aktiven“ Zeit in St. Petersburg auf die Praxis ausgewirkt?

Apachontschitsch: Es fällt mir ein wenig schwer, allgemein auf diese Frage zu antworten, da ich selbst nur an aktivistischen Ausstellungen mit einem Menschenrechtshintergrund teilgenommen habe, jedoch nie von Galerien vertreten wurde. Wir haben mit der Gruppe Heimat, die zwischen 2013 bis 2018 existierte, fünf Jahre lang Performances durchgeführt. Abgesehen von Menschen an der Basis kannten uns nur wenige im Betrieb, und das hat uns auch gefallen. Du machst etwas auf der Straße, und das war auch in Ordnung so. Andere Ambitionen hatten wir nicht.
Für mich war wichtig, dass ich eine „normale“ Arbeit hatte – ich war Lehrerin und erwartete von der Kunst keine Stipendien oder andere Unterstützung. Das bot mir maximale Freiheit: Ich gehe auf die Straße und mache dort meine Kunst. Ich nehme einen Zaun und mache Street Art, das ist meine Kunst. Es bestand für mich keine Notwendigkeit, für ein Stipendium einen Bericht zu schreiben. Das war mir sehr wichtig.
Die Selbstzensur war bei mir vielleicht stärker ausgeprägt als bei anderen Mitgliedern der Gruppe. Wobei sich meine Zurückhaltung weniger auf die Mächtigen bezog als auf die Gesellschaft. Ich stellte mir oft die Frage, ob eine Aktion nicht zu sehr auf wunde Punkte abzielt.
Weshalb beendeten wir schließlich die Aktivitäten von Heimat? Unser Hauptansatz bestand in der grotesken Re-Inszenierung der Staatsmacht, und dieses Agieren im Namen der Staatsmacht hat auch ein vergiftendes Element. Mir wurde bewusst, dass ich nicht mehr die Stimme des Staats sein will, ich hatte genug von dieser satirischen Methode. Im Zuge meiner Wende zum Feminismus wollte ich mich empathischeren Dingen widmen, Menschlicherem, Projekten über Solidarität, Unterstützung und nicht darüber, wie schlecht doch diese Staatsmacht ist.

Höller: Wie haben Sie in der Zeit von Heimat die Veränderungen in Russland wahrgenommen?

Apachontschitsch: Als wir 2013 begannen, hat man eine Aktion gemacht, räumte zusammen, und nichts passiert. So gab es etwa eine Aktion mit dem Titel In Uniform/Form sein, bei der ich Menschen mit Müll (russisches Wortspiel mit einem abwertenden Begriff für Polizisten, Anm.) beklebt habe, das war dann die Uniform/Form. Das Ganze fand in einer Bar statt, was sehr schön und auch lustig war. Das war so ein Moment der Freiheit – niemand (keine Behördenvertreter, Anm.) kam zu dir, überprüft dich oder beschäftigte sich damit.
Leonid hat auf der Straße mit Blut gemalt oder 2014, als die Geschichte mit der Krim begann, Freiluftmalerei zum Thema „Krieg“ organisiert. Niemanden störte das, und selbst wenn Polizisten kamen, konnte man ihnen das erklären und nach Haus gehen. Es herrschte der Eindruck vor, dass sehr viel möglich sei. Als mir gesagt wurde, dass ich (wegen dieser künstlerischen Aktivitäten, Anm.) meine Arbeit verlieren könnte, verstand ich natürlich, dass das theoretisch möglich ist. Aber ich sah keinen wirklichen Grund für Probleme. Ja, wir waren einigermaßen avantgardistisch unterwegs, haben aber nirgends gegen Gesetze verstoßen.

Höller: Wann haben Sie begonnen zu spüren, dass alles anders wird?

Apachontschitsch: Ein Wendepunkt für mich waren 2018 die Demonstration zum 1. Mai, bei der Warja Michajlowa wegen des Bilds Neun Stadien der Dekomposition eines Führers verhaftet wurde. Es kann anschließend zu einem Gerichtsverfahren und einer hohen Geldstrafe für Michajlowa in der Höhe von 160.000 Rubel. Wir haben im Anschluss den ganzen Sommer gearbeitet, um gemeinsam diesen Betrag aufbringen zu können.
Damals habe ich verstanden, dass das Ganze allmählich zu Ende geht. Der Schlusspunkt war natürlich 2020, als ich auf der Straße festgenommen und in einen Gefängnistransporter geworfen wurde. Das war wie eine Entführung. Der Grund war die Performance Vulva-Ballett, die ich im Juli 2020 organisierte.
Ich hatte davor schon mehr als ein Jahr keine Performance mehr gemacht und dachte mir, dass das im Urlaub doch eine gute Idee wäre, Solidarität mit Julija Zwetkowa (wegen Verbreitung von Pornografie im Internet angeklagte Künstlerin und Aktivistin, Jahrgang 1993, Anm.) zu bekunden. In der Performance tanzten sechs Teilnehmerinnen vor dem Petersburger Mariinski-Theater mit gezeichneten Vulvas, die wir auf Stangen hochhielten. Die Darstellungen erinnerten eher an rote Hüte. Alles dauerte ein paar Minuten, und dann gingen wir wieder. Eine Woche später gab es eine weitere Solidaritätsaktion für die Schwestern Chatschaturjan (drei im Zusammenhang mit dem Mord an ihrem Vater, der sie missbraucht hatte, angeklagte Schwestern, Anm.): Das war eine 17 Meter lange Rolle mit einem Gedicht, die ich am Fontanka-Kanal ausgerollt habe.
An einem Tag im August war ich dann unaufmerksam. Die Polizei hatte seit sechs Uhr früh vor meinem Haus gewartet. Nachdem ich es verlassen hatte, fuhr ich mit meinem Tretroller zur Arbeit beim Roten Kreuz. Sie sind mir fast den ganzen Weg nachgelaufen bzw. nachgefahren. Sie haben mich dann gestoppt und brutal in einen Gefängnistransporter geworfen. Am selben Tag gab es eine Gerichtsverhandlung, bei der ich zu Geldstrafen verurteilt wurde. Formal wegen des Verstoßes gegen sanitäre und epidemiologische Vorgaben, die jede Art von Demonstration untersagen würden. Dabei trugen alle eine Maske. Das Rote Kreuz hat mich gleich darauf gekündigt.
Ein weiterer Trigger war, dass mein fünfjähriger Sohn Ende 2020 ebenfalls in einem Gefängnistransporter mitgenommen wurde. Er war mit seinem Vater unterwegs, der ihn zu mir bringen wollte. Vor seinem Haus wartete ein Gefängnistransporter, und mein Exmann wurde gemeinsam mit seinem Sohn zur Polizeistation gebracht.

Höller: Haben Sie je verstanden, was sich in diesem Jahr 2020 wirklich verändert hat?

Apachontschitsch: Ich hing zunächst der Illusion an, dass der Polizei in der Quarantäne einfach langweilig wurde. Weil nichts passierte, keine Demos am 1. Mai und so weiter. Sie brauchten einfach eine Beschäftigung, zum Beispiel Berichte ausfüllen usw. Aber als ich dann im Dezember zur „Auslandsagentin“ erklärt wurde, wurde mir klar, dass diese Polizeiaktivitäten in einem größeren Zusammenhang stehen.

Höller: Unter politischen Beobachter*innen war die Rede davon, dass 2020 innenpolitische Kompetenzen aus der zivilen Präsidentschaftsadministration an den Geheimdienst FSB oder den geheimdienstlastigen Sicherheitsrat der Russischen Föderation ausgelagert wurden, was die massiven Veränderungen seit damals erklären könnte.

Apachontschitsch: Das könnte gut sein, ich weiß es aber nicht. Und ich will eigentlich auch gar nicht an diese Sachen denken, zumal ich mich mehr mit feministischen Projekten beschäftige. Diese ganze Situation ist wie häusliche Gewalt: Wenn so etwas das erste Mal passiert, fragst du dich, was du falsch gemacht haben könntest, woran du schuld bist etc. Aber in diesem Fall lautet die Antwort: Schert euch doch alle zum Teufel! Der Staat hat sich mit solchen Dingen einfach nicht zu beschäftigen – ungeachtet dessen, was ich konkret gemacht habe.
Wenn sie dich zum „Auslandsagenten“ erklären, spulst du alles wie bei einem Film zurück und beginnst nachzudenken: Wofür? Jeder Journalist fragt dich das Gleiche. Du denkst darüber nach und zählst Punkte auf. Aber weshalb wirklich? Niemand weiß es. Vermutlich gefalle ich ihnen einfach nicht.
Ende 2020 wurde ich dann „Auslandsagentin“. Und dann gab es einen Monat später bei mir eine siebenstündige Hausdurchsuchung, weil ich als Zeugin in Bezug auf eine Straßenblockade geführt wurde. Als Alexej Nawalny im Jänner 2021 nach Russland zurückkehrte, kam es zu großen Demonstrationen, und das Strafverfahren stand damit im Zusammenhang. Letztendlich war es aber nur ein Vorwand, um alle meine technischen Geräte, Computer, Tabletts, Smartphones und Speicherkarten zu beschlagnahmen und zu sehen, was es bei mir zu Hause alles gibt. Im Herbst 2021 wurden die beschlagnahmten Gegenstände zwar meinem Anwalt retourniert, doch ich bin jetzt hier in Georgien und habe keinen Zugriff darauf.

Höller: Erhielten Sie im Anschluss an all das Solidaritätsbekundungen aus der Kunstszene?

Apachontschitsch: Nein. Ich bin aber auch mit Kunstinstitutionen nicht wirklich vernetzt.

Höller: Aber es war doch klar, dass Sie für Ihre öffentlichen Kunstaktivitäten bestraft wurden.

Apachontschitsch: Ja. Und das (die fehlende Solidarisierung, Anm.) tut auch etwas weh, aber so ist es nun einmal. Das Ganze ist einfach eine gute Methode, um Leute aus dem Betrieb zu entfernen. Seit ich zur „Auslandsagentin“ erklärt wurde, gab es in Russland keine Einladungen mehr zu feministischen oder aktionistischen Projekten. Im Ausland ist es ein wenig anders, ich beschäftige mich gerade mit einem feministischen Literaturprojekt in Kasachstan. Ich bin dort hingefahren und habe Street Art gemacht, was mich sehr gefreut hat. Aber insgesamt ist die Situation sehr beängstigend.
Ich habe Russland verlassen, als ich den Eindruck bekam, dass eine Walze alles niederzurollen beginnt. Wenn es diese Hausdurchsuchung nicht gegeben hätte, wäre ich geblieben. Selbst wenn ich nicht ins Gefängnis käme, wäre eine weitere Hausdurchsuchung im Augenblick schon zu viel für mich. Auch mein Mietvertrag wurde nach der Hausdurchsuchung gekündigt.

Höller: Seit den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren hat es in Leningrad bzw. St. Petersburg keine Emigration von Künstler*innen aus politischen Gründen mehr gegeben.

Apachontschitsch: Ich bin eigentlich noch nicht zur Gänze emigriert. Für mich war es wichtig, mit meinen Kindern der größten Gefahr aus dem Weg zu gehen. Meine Kinder und auch ich hatten eine starke posttraumatische Belastungsstörung. Um zurückkehren zu können, gab ich diese Erklärung als „Auslandsagentin“ ab und schrieb wie gesetzlich vorgeschrieben: „Diese Mitteilung oder dieses Material wurde von einem …“, um mich selbst als Auslandsagentin zu markieren. Aber das Ganze darf sich nicht wiederholen. Ich habe zuvor von der Analogie mit häuslicher Gewalt gesprochen. Wenn du ohne diese Gewalt zu leben beginnst, hast du keine Lust mehr, in die ehemalige Situation zurückzukehren. Nicht, dass ich jetzt furchtbare Angst hätte, aber ich will das meinen Kindern nicht zumuten.

Höller: Sie beschäftigen sich mit feministischer Kunst, und die Polizisten agiert dagegen. Im Westen würden die Polizist*innen dafür womöglich von der „Cancel Culture“ angegriffen werden.

Apachontschitsch: Cancelt Putin doch bitte! Er hat sich in Bezug auf mich und ganz viele andere schlecht benommen! Aber in Russland sind wir von diesem Diskurs weit entfernt. Angesichts Hunderter politischer Gefangener und Tausenden, die Opfer von willkürlicher Strafverfolgung werden, ist es sinnlos, über „Cancel Culture“ zu sprechen.