Heft 1/2022 - Lektüre



Stephan Trüby:

Rechte Räume. Politische Essays und Gespräche

Berlin (Birkhäuser) 2020 , S. 74 , EUR 30

Text: Patricia Grzonka


Stephan Trübys Rechte Räume ist eine Publikation zur richtigen Zeit. Die politische Krisenstimmung der letzten Jahre, ausgelöst durch die Delegitimierungsstrategien von konservativ-populistischen EU-Staaten wie Polen, Ungarn und Slowenien, sowie die verheerende Präsidentschaft Donald Trumps haben Zweifel an der Tragfähigkeit demokratischer Regierungsformen aufkommen lassen. Also ob dem nicht genug wäre, tat die Corona-Pandemie ein Übriges, um verengte Sichtweisen, persönliche Ängste, Verschwörungstheorien und ungezügelte Machtfantasien an die Oberfläche politischer Debatten zu befördern. Der Kulturbereich ist von diesen Ängsten nicht ausgenommen, und so konnten in den letzten Jahren auch hier diffuse Übergriffe von rechten Gruppierungen im Namen fragwürdiger politischer Agenden verzeichnet werden. Rechte Räume hilft dabei, sich zu orientieren.
Das Buch versammelt eine Reihe von Essays zu den Themen Architektur und Stadtplanung. Untersucht wird, wie rechte Politik durch ideologisch verstandene „Baukultur“ ihre Sphäre auszudehnen versucht. Die beleuchteten Phänomene sind vielgestaltig und transportieren teilweise uraltes Gedankengut. Die zentrale Frage dabei ist, wie „rechte Räume“ überhaupt definiert werden können, und zwar sowohl konkret in der gebauten Umwelt als auch in theoretischen Konstrukten.
Zunächst scheinen die Attribute „rechter“ Architektur leicht zu benennen zu sein: Modell ist ein traditionalistisches Kulturverständnis, Baukultur wird ohne die Moderne gedacht. Dabei geht es häufig nicht um Technoskepsis, sondern um ein simples Formenvokabular, das eine*n glauben macht, in der mittelalterlichen Welt der Ritterburgen und Landgüter stehen geblieben zu sein: eine Welt mit Giebeldächern und Haustypen in traditioneller Ziegel- oder Holzbauweise. Konservative Baukultur ist kein Alleinstellungsmerkmal rechter Politik, aber die retrogewandte Rhetorik argumentiert nicht nur innerhalb eines gesellschaftlich sanktionierten breiten Bauverständnisses, sondern impliziert oft völkische oder rassistische Ideologien. Trüby bringt dabei im Kapitel „Architektonische Metapolitik. Von letzten und nicht ganz so letzten Deutschen und ihren Räumen“ das Beispiel neurechter Dorfgemeinschaften, die sich im Osten Deutschlands in bestehende Gemeinden einnisten und dort politisch aktiv werden. Die rechtspopulistischen Feldzüge, die überall nach einem ähnlichen Schema geführt werden, sind zumindest eines: enorm unterkomplex und bedienen sich dabei eines vereinfachten Weltbilds.
Dazu gehört beispielsweise die neurechte Agitation gegen den Moscheenbau, der in Deutschland von der AfD, in der Schweiz von der SVP oder in Österreich von der FPÖ verfolgt wird. Zu dieser „Metapolitik europäischer Rechtspopulisten“ gesellen sich auf der anderen Seite „bestimmte“ bauliche Phänomene wie von der Moderne unberührte Siedlungen oder „innerstädtische Rekonstruktionsvorhaben“. Historisches Bewusstsein und ein Verständnis lokaler Bautraditionen lassen sich auch hier nicht generell abstreiten, aber die Beschränkung der Form auf einen simplen, vormodernen Baustil, wie wenn es niemals irgendeinen Bruch gegeben hätte, grenzt an Geschichtsklitterung und transportiert ein „falsches“ Bewusstsein, das mit aufgeklärten, demokratischen Gesellschaften nicht vereinbar ist. Auch dies macht Trüby deutlich, vor allem in seiner Recherche zum Wiederaufbau der Frankfurter Altstadt, wo er in viel beachteten Artikeln zunächst für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 2018 und später für ARCH+ eine Debatte entfachte, die hohe Wellen schlug. Er entlarvte die neue Frankfurter Altstadt als politische Initiative von Rechtsradikalen, der auch die schwarz-grüne Koalition ihren Segen erteilt hatte.
Aber auch andere, nicht minder beunruhigende Phänomene wie die „Architekturen des durchdrehenden Neoliberalismus“ sind Thema des Buchs. Anhand des Immobilienspekulanten Donald Trump wird gezeigt, wie „Finanzarchitektur“ aussieht – nämlich goldglänzend – und wie sie historisch mit wirtschaftlichen Deregulierungsverfahren wie der Auflösung des Bretton-Woods-Abkommens 1973 verknüpft ist. Trump hat dabei ironischerweise seinen Vater Fred C. Trump gleichsam rechts überholt, der als Profiteur von Roosevelts New Deal zwischen 1935 und 1942 2.000 „Trump Houses“ in Brooklyn errichtet hatte.
Neben diesen gut dokumentierten, sowohl informativen als auch pointiert geschriebenen Kapiteln ist es jedoch vor allem der grundlegende Theorieteil, der das Buch bemerkenswert macht. Originell, so zeigt sich, sind weder die Argumentation rechtsradikaler Apologeten noch deren architektonische Produkte: „Alten Wein von neuen Flaschen oder eine ‚Neue‘ Rechte gibt es nicht“, lautet denn auch Trübys Fazit. Denn im Bemühen, ihre Ideologien mit Theorie zu untermauern, wird oft auf einschlägig bekannte Autor*innen zurückgegriffen: Wilhelm H. Riehl, Armin Mohler oder Alexander von Senger. Namen, die wir lieber nicht kennen würden, die Trüby aber aufwendig recherchiert und mit Quellen belegt hat. Deren Nähe zu rassistischem, autoritärem und revisionistischem Gedankengut hat bereits Generationen einschlägiger Provokateure beeinflusst.
Erschreckend dabei ist, dass die Argumente in diesen Diskursen sich überall gleichen und dabei rechten Themenkatalogen folgen, die von Umberto Eco einst als „urfaschistisch“ entlarvt wurden. Trübys erhellendes und mutiges Buch hilft dabei, die subtilen zersetzenden Botschaften hinter den simplistischen Argumenten zu erkennen.