Heft 1/2022 - Artscribe


TRIUMF AMIRIA. Museum of Queer Culture [?] – you feel – and drift – and sing

4. Dezember 2021 bis 19. Januar 2022
Combinatul Fondului Plastic, The Institute, Suprainfinit Gallery, Switch Lab / Bukarest

Text: Edith Lázár


Bukarest. Man kann auf viele Arten queer sein. Dazu muss man sich nur das Gefühl eingestehen, irgendwie quer zu liegen – und es dann fließen zu lassen, sich davon leiten zu lassen. Aber wohin? Und könnte die Liebe vielleicht „sticky“ genug sein, um uns das „Anderssein“ schön zu machen?
Eben von dieser Liebe geht TRIUMF AMIRIA. Museum of Queer Culture [?] aus. Es handelt sich um das ehrgeizige Projekt der rumänischen Kunstszene, 20 Jahre nach der Aufhebung des Paragraphen 200, der gleichgeschlechtliche Sexualität kriminalisierte, einen umfassenderen Blick auf die queere Kunst zu werfen. Das Museum ist temporär und auf mehrere Orte verteilt und allein dadurch ein Fragezeichen. Sein Name, ein vom transdisziplinären Kollektiv Apparatus 22 erfundenes Wortspiel, spielt auf ein utopisches Ziel an: auf Rumänisch bedeutet triumf Stolz und Sieg, während miria, zu Deutsch Myriade, für die unzähligen queeren Identitäten steht. Diese Worte oder, besser, ihr Klang wirkt wie eine Beschwörungsformel, die etwas herbeizaubern kann. Sie wurden zu einem Refrain.
Durch ihre Erfahrungen mit ihrem Offspace Kilobase Bucharest gelang es den Kurator*innen Ruxandra Demetrescu und Dragoș Olea, ökonomische Themen mit dem Prozess des „Queering“ und dem Brauchtum Bukarests zu verknüpfen. Um die Komplexität und Vielschichtigkeit des „Queering“ zu zeigen, falteten sie vor unseren Augen eine Fülle filigraner Geschichten jenseits von Begehren und Sexualität auf und brachten Künstler*innen verschiedener Generationen auf eine zeitlose Weise zusammen. you feel – and drift – and sing, so der Ausstellungstitel, vermittelt auf vielerlei Art das Gefühl von Spaß und Freude.
In vielerlei Hinsicht nimmt sich die Ausstellung der Resilienz und Trauer an, die sich in queeren/ing-Praktiken zeigen.
Der Hauptteil der Ausstellung befand sich an der Peripherie, inmitten von Ruinen aufgelassener Fabriken und Lagerhallen, die den Hauch einer Ära verströmen, in der die Kunst noch argwöhnisch beäugt wurde. So verwies die Inszenierung im Combinatul Fondului Plastic mit ihren „Bauzäunen“ und schwarzen Boxen aus gespanntem Latex an die zerstörte Stadtstruktur Bukarests mit ihren vielen Ritzen, in denen sich manch eine*r sicher zu verstecken meint. Man fühlt sich wie auf einer Wanderung durch eine vielstimmige Umgebung, die mit „singenden“ Artefakten, knalligen Farben und traurigen Liedern lockt, aber auch ablenkt. Das Private im Öffentlichen verschwimmt einmal mehr zu einem „das Private ist politisch“. Im Vordergrund stehen die Reibungen in temporären Räumen, die mit einem gewissen Wunschdenken über das, was sie sein könnten, zu tun haben, und – um es mit der Spoken Poetry eines*r der Künstler*innen zu sagen – das Bedürfnis, die Umgebung zu reizen. Von der Bezeichnung von Toiletten bis hin zum medizinischen Bereich, von pinken Kostümen auf Demos bis zur Vermittlung von Gendertoleranz in Schulen in Irina Bujors Singstück – die Ausstellung thematisiert alle bunten Strategien der Queering-Bewegung, die sich über Grenzen hinweg verbreiten, aber nuanciert und an die rumänischen Besonderheiten angepasst.
Am spannendsten ist Mihai Lukács’ Installation, die an die gar nicht so ferne Vergangenheit erinnert, als die rumänische Polizei noch Tanzlokale mit Razzien beehrte. Erzählt wird die Geschichte der Handballspielerin Mariana Centiner. Sie war 1996 die letzte Person, die aufgrund des Anti-LGBT-Gesetzes inhaftiert wurde. Lukács untersucht präzise den Graubereich des Staats zwischen „offener“ liberaler Politik und Korruption, aber auch die immer noch emanzipative Wirkung von Musik.
Jasmina Al-Qaisi und Raj Alexandru Urdea erstellten ein poetisches Wörterbuch aus Sprachnachrichten und Definitionsversuchen zur offenen Frage, wie man „queer“ auf Rumänisch übersetzen soll. Durch Gesänge und einen ohrwurmtauglichen Refrain ergänzt wirkt das Stück klug und witzig zugleich, erinnert es doch auch an gewisse Radioshows und lässt dabei lokale Akzente durchscheinen. Der Eindruck öffentlich zur Schau gestellter Intimität wurde noch dadurch verstärkt, dass man durch Schlitze in den Projektionswürfel rutschen konnte.
Die Szenen aus Adina Pintilies gefeiertem Film Touch me not verhandelten das Thema dann hautnah. Begehren, Sexualität und Zärtlichkeit verschmolzen zu queeren Körpern und verwiesen damit auf die sie betreffende Stigmatisierung einschließlich der durch die Migrationspolitik.
Immer wieder blitzte in der Ausstellung das Generalthema Liebe durch: Was bedeutet es, sich in seiner Umgebung als Mensch, zu Hause zu fühlen? In vielen Werken ging es um Verkleidungen und unsichtbare Politik, um Körperlichkeit, Arbeitsbedingungen, Sprachbarrieren, Ökologie oder die Entfremdung unserer Beziehungen, um die vielen Menschen und Nicht-Menschen zu zeigen, mit denen wir uns unsere Welt teilen. Alle diese Themen zogen sich wie rote Fäden durch die Ausstellung, aber auch durch die Außenbereiche.
Verfangen in diesen Fäden konnte man auch die Orientierung verlieren. Da hier am Konsens genagt wird, wird man bisweilen von einem Schwindelgefühl überrascht oder gar aus der Fassung gebracht. Leap of Faith – Magic Potion – Sweet ’n Sour, wie es in Ioana Nemeș’ farbcodierten Gedichten heißt. Denn jenen Ort, an den wir letztlich gelangen wollen, müssen wir immer noch erträumen, und der Strom unserer Träume ist nie gerade. So befindet sich unter den gezeigten Werken auch ein Entwurf für ein Museum für queeren Widerstand und queere Kultur. Die Künstler*innen Veda Popovici und Mircea Nicolae entwarfen es als mögliches Szenario – als eines der vielen spekulativen Tools und Dokufilme im Dienste emanzipatorischer Narrative für die Übergangszeit nach 1989.
TRIUMF AMIRIA funktioniert also wie die im Fluss befindliche Dynamik von queer – unruhig steht sie niemals still. Die Ausstellung zeigt, wie wirkungsvoll Beschwörungen sein können, zumal wenn sie von einem Dialog, wer einbezogen wird, begleitet wird. Denn Legitimität kommt bisweilen mit ihrer Möglichkeit. Im kulturellen Kontext Rumäniens verweisen „Erfinden“ und das „Transitorische“ immer auch auf die Verteilungskämpfe, die das „negative Wirtschaftswachstum“ zu einer harten Bandage machten. Letztlich bedeutet queer also, sich durchzuschlagen, weil die Kunstszene in erster Linie auf außerbudgetäre Mittel und gelegentliche ausländische Stipendien mit Verfallsdatum angewiesen ist.
Innerhalb des derzeit alles dominierenden Konservativismus wirkte die kurze Materialisierung des Museums allerdings fremd. Man könnte spekulieren, dass seine Fluidität und Unabhängigkeit von einem institutionellen Gebäude als Tarnung diente, um dem Spektakel öffentlicher Ächtung zu entgehen. Schließlich richtet sich diese immer noch gegen jegliche nicht-normative Ausdrucksformen. Und doch weckte das Museum, allein weil es beschworen wurde und weil man auf es reagieren konnte, Hoffnung. Der Lärm der Myriaden ist erstaunlich – und er wird auch geliebt.

 

Übersetzt von Thomas Raab