Linz. Dietmar Brehm ist eine der wenigen Doppelbegabungen der oft in ihre eigenen Genrelogiken so verstrickten Metiers Experimentalfilm und bildende Kunst. Das belegt eine kleine als Kammerausstellung konzipierte Sonderschau zu seinem 75. Geburtstag aus Anlass des Filmfestivals Crossing Europe im Lentos in Linz, die der Künstler selbst kuratiert hat, einmal mehr: Brehm gelingt es darin, Momente aus beiden Metiers produktiv miteinander zu verbinden, ohne die Disziplinarität der jeweiligen Praxis aufzulösen oder zu verwischen. Um eine Blackbox, in der Brehm eine Auswahl aus seinem filmischen Werk zeigt, gruppiert er eine ebensolche mit Fotografie, Zeichnung und Malerei. Brehm übersetzt in Letzterer die Zeichenwelten oder strukturalen Vorgangsweisen beider Metiers ins jeweils andere. Auch in seinen Filmen spielt der Künstler durchaus mit malerischen Valeurs wie die Fotoserien, die er aus ihnen geriert, das Still aus der reinen Repräsentation des Filmischen lösen und transformieren. Brehm hatte an der Linzer Kunstschule, die damals noch keine Universität war, Malerei studiert und bis in die Nullerjahre den Abendakt ebendort geleitet. Doch sein Interesse wandte sich früh dem Experimentalfilm zu: „Kamera kaufen, Film einlegen, aus einem banalen technischen Grund ist nichts belichtet, nur der letzte Kader ist schwarz“, das war Brehms Initialerlebnis. Brehms Interesse begann zu vazieren, im devianten Spätachtundsechzigermilieu der Provinzstadt Linz mit all den psychischen Grenzerfahrungen fing er an, das Gesicht seiner Frau Ingrid Kowarik abzubilden, besuchte Hollywood-Movies und sezierte sie. Er inszenierte mit Künstlerfreunden, aber auch solchen aus Punkbands wie Willi Warma in seiner Linzer Wohnung groteske Humoresken, immer in streng und genau gesetzten und auf die Bildtechniken der Zeit setzenden Kadrierungs-, Schnittfolgen und Bildclustern. Diese Filme stehen mittlerweile im Kanon des europäischen Avantgardekinos.
Gerade weil sich Brehm von Popkultur her eine neue Perspektive eröffnet hatte, sind sie in der zweiten oder dritten Generation der österreichischen Avantgardefilmer*innen erratisch. Sie erzählen von einer Transgression: In ihnen trifft ein High-Modernism-Diskurs, der sehr stark auf Strukturalität und auf psychoanalytische Motive gesetzt hatte, auf die fast antagonistisch zu lesenden Bilder und Alltagsmythologien aus den Punk-, Post-Punk- und Popkulturen der 1980er-Jahre, überschreibt sie. Brehm hat mit dieser Tradition nie gebrochen und immer auch die Erinnerung an den High-Modernism zu transportieren versucht. Es sind diese Transgressionen, Rückbildungen und Rückkoppelungen, die sein Werk schillern und changieren lassen, welches sich von Kenneth Anger bis weit in Punk inspirieren lässt – auch ikonologisch –, und das macht verstehbar, wie auf diese Weise Sexualisierungen, Bildzerstörungen oder Gewaltmotive als eine Art Skandalon ins Werk kommen, ohne allein auf Überschreitungsstrategien als ästhetischen Reflex zu gründen, sondern vielmehr in den Korsagen des historischen Experimentalkinos eingespannt bleiben. Sie waren vielmehr die Bedeutungsfilter, die aus einer Pop- und Independent-Welt kommend sich in eine sehr strukturale, von experimentellen Vorgaben geprägte Form verwandelten.
Dasselbe gilt für die Porträts, Abstraktionen und Cluster seines bildnerischen Werks, das ebenso auf Serialität setzt und diese mit comichaften Elementen sowie Punk-Grafik auflädt. Dieses Umkopieren und Recodieren, das im Werk schon früh ansetzt, hat lange zu Hindernissen bei der Rezeption in der Kunstwelt geführt. Mit dieser kleinen Ausstellung erschließt sich dessen konzeptueller Strang als Attraktion, als ein kleines Revival. Das Werk war sozusagen nach beiden Seiten abgefiltert, hatte aber so etwas wie einen autonomen Kosmos zum Beispiel in der medialen Rezeption entwickelt. Nichtsdestotrotz verunmöglichte gerade das lange Brehms Akzeptanz als bildender Künstler, der sich selbst über beide Praxen definiert hat. Einzelne Praxen ziehen bekanntlich Rezeptionen mit sich und schaffen es kaum vom einen in den anderen Kontext, der institutionell oder wie auch immer geformt ist zu switchen. Die Arbeit von Dietmar Brehm war innerhalb der österreichischen Szene zwar sehr gut rezipiert. Wichtige Kurator*innen haben es in Gruppenausstellungen gezeigt, haben immer mit dem Künstler zusammengearbeitet und er ist in Ausstellungen, die von Bedeutung waren, oft präsent gewesen, jedoch immer auch wegen der Doppelfigur des bildenden Filmkünstlers. Dass nun das bildnerische Werk in seiner Entwicklung und seiner Motivik als autochtone Position, als genuiner Beitrag zur österreichischen Malerei und Fotografie der letzten 50 Jahre gelesen werden kann, bedurfte auch der Neuschichtung eingespielter Lektüren durch eine junge Generation von Künstler*innen und Kurator*innen, die es neu entdecken. Es ist Brehm in dieser kleinen Ausstellung im Lentos gelungen, beide Praxen als schlüssig in in der jeweiligen Disziplin verhaftete zu zeigen und die Stränge, die sie verbinden, eher als szene- und kulturhistorisch gebundene darzustellen denn als ausschließlich formale.