Wien. Griff die von der Künstlerin Ana Hoffner ex-Prvulovic* kuratierte Gruppenausstellung Whiteness as Property auf den gleichnamigen, 1993 erschienenen Text der US-amerikanischen Juristin Cheryl I. Harris über die rassistische Verknüpfung von Identität und Besitz, von Subjekten und Objekten zurück, so ging es der Kuratorin zugleich um eine Anbindung an jüngere Debatten zum neu erstarkten Materialitätsbegriff in der Kunst. Hoffners in die Tiefe gehender Einführungstext zur Ausstellung warf dabei einen kritischen Blick sowohl auf Theorien des New Materialism als auch die Wiederkehr des Handwerklichen in künstlerischen Praktiken, um Materielles in der Kunst stattdessen als doppeltes Begehren zu formulieren, „nach dem Geisterhaften“ ebenso wie „nach Sprache und Signifikation“. Material sollte in diesem Kontext zwar abseits des Besitzdenkens, jedoch nicht jenseits von Produktionsbedingungen verstanden werden. Die Ausstellung versuchte, sich dabei mittels der Auswahl an Arbeiten nicht nur vom Begriff des Besitzindividualismus zu distanzieren, der das Verhältnis zwischen freien Individuen und deren Besitz als maßgeblich für das Aufrechterhalten einer liberalen Gesellschaft definierte, sondern – im Sinne von Harris’ Text – auch dessen rassistischen Ursprung in den Blick zu nehmen.
Lassen politische Entwicklungen in den USA, wie etwa hitzig debattierte Forderungen nach dem Unterrichtsverbot der „critical race theory“ zu deren Theoretiker*innen auch Harris gehört, den Text der Juristin als umso aktueller erscheinen, so sah die Kuratorin dennoch davon ab, in ihrer Ausstellung auf den US-amerikanischen Kontext und dessen spezifischer rassistischer Geschichtlichkeit zu fokussieren, da es ihr vielmehr um eine „strukturelle Analyse“ (Hoffner) ging. Mit ähnlich großer Geste, die auch Hoffners eigene künstlerische Praxis bestimmt – man denke im Speziellen an ihre Performance und Installation Non-Aligned Relatives (2016–21), die queere Verbindungen zwischen der eigenen Geschichte, historischen Figuren und geografisch verzweigten Orten herstellte –, überbrückten die Arbeiten der Ausstellung gekonnt zeitliche und räumliche Distanzen. Robert Gabris’ raumfüllende Fotoinstallation You will never belong into my space! (2021), die mit stereotypen Bildmaterial befüllte Innenräume der Häuser von in der Slowakei lebenden Roma imaginierte, begegnete etwa Angela Andersons Post-Social Sea (2022). Mittels Video und kartografischer Zeichnung vermaß die Künstlerin darin – in Analogie zu globalen Handelsrouten – die Wege der Superjachten und benannte deren Besitzer*innen. Ines Schabers Foto- und Videoarbeit picture mining (2006), die eine Analyse jenes Orts in den USA vornahm, der die Geschichte von Kinderarbeit mit aktuellen Debatten zu Eigentumsrechten an Bildern zusammenführte, traf auf Bodymaps (2013/14), großformatige Gemälde des südafrikanischen Kollektivs Widows of Marikana. Die Frauen jener Minenarbeiter, die 2012 im Zuge eines Streiks von der Polizei ermordet worden waren, zeichneten darin die Umrisse der eigenen Körper ab, um diese zur Kartografierung der eigenen Lebensumstände einzusetzen.
Dass die Auswahl der Arbeiten dennoch nicht beliebig erschien, war vor allem wiederkehrenden Themensträngen geschuldet, die Whiteness as Property durchzogen und dabei die Verschränkung von Materialität und Arbeit als Schnittstelle zwischen Subjekt und Objekt auf den Punkt brachten. Besonders augenscheinlich wurde dies in Hinblick auf den Anbau und die Ernte des Zuckerrohrs und dessen Anbindung an zutiefst rassistische Herrschaftssysteme. In der Ausstellung aufeinanderfolgend wurden die Arbeiten von Tania Candiani, Fokus Grupa und Stephanie Misa gezeigt, die allesamt darauf Bezug nahmen. Während Candianis Video- und Fotoinstallation Sounds of Labor. Work Songs (2019) Forschungen zu den Liedern von Sklav*innen auf kubanischen Zuckerplantagen zugrunde lag, befasste sich die Installation des Künstler*innenkollektivs Fokus Grupa mit den globalen Handelsverknüpfungen der Habsburgermonarchie, indem sie Wandmalereien aus dem Verwaltungssitz der österreichisch-ungarischen Zuckerraffinerie in Rijeka reproduzierte und mittels Begleittext dessen koloniale Verstrickungen aufzeigte. Misas Installation Ohne Titel (Sakada) (2012/22) bestehend aus dokumentarischem Video, visuellem Archivmaterial und Ton verknüpfte Autobiografisches mit der Geschichte philippinischer Zuckerrohrarbeiter*innen und deren Tätigkeiten auf den neu entstandenen Plantagen im Hawaii der 1920er-Jahre.
Wie gerade an Misas zutiefst persönlicher Arbeit deutlich wurde, ergab sich eine durchaus produktive Reibungsfläche aus dem Versuch der Ausstellung, Materialität auch als Begehren, sprich einer affektiven Logik zugeordnet zu verstehen und zugleich einen Schwerpunkt auf recherchebasierte Praktiken zu legen, die vermehrt historisches Archivmaterial aufgriffen und sich diskursiv erschlossen. Der Kuratorin gelang es, mit Whiteness as Property einen Materialitätsbegriff in den Blick zu nehmen, der sich mit den historischen Bedingtheiten aktueller Rassismen verknüpfte und zugleich das Potenzial künstlerischer Arbeiten auszuschöpfen, in den Zwischenräumen geschichtlicher und politischer Ereignisse ästhetisch zu intervenieren. Der Titel von Hristina Ivanoska eingangs in der Ausstellung gezeigter, mehrteiliger Arbeit mag stellvertretend für einen alternativen Umgang mit historischem Material einstehen, wie ihn Whiteness as Property überzeugend vorschlug: Broken Document Breaks Out Into Poetry (2022).